Wenn das Ziel des Afghanistan-Kriegs nach dem 11. September 2001 nur war, Al-Kaida am Hindukusch das Kreuz zu brechen, dann hätten die USA und ihre Verbündeten tatsächlich viel früher abziehen können: Schon vor zehn Jahren, als Osama bin Laden in Pakistan aufgespürt und getötet wurde, war der für Jihadisten weltweit einstmals charismatische Al-Kaida-Chef nur mehr ein Schatten seiner selbst.

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US-Präsident Joe Biden kann der Abzug aus Afghanistan nicht schnell genug gehen.
Foto: AP/Evan Vucci

US-Präsident Joe Biden war bereits als Vize von Barack Obama ein Verfechter der Ansicht, dass man sich in Afghanistan nur auf die Terrorbekämpfung beschränken sollte. Jetzt kann es ihm mit dem Abzug nicht schnell genug gehen: Er steht beinahe als Epigone Donald Trumps da. Trumps Motivationslage war jedoch eine völlig andere. Alles, was international, alles, was multilateral war, war ihm suspekt, strategisches Denken war ihm völlig fremd. Er wollte raus – überall.

Das kann man Biden, dem politischen Profi, natürlich nicht nachsagen. Umso erstaunlicher wirkt es, wenn er – wie am Donnerstag in einer Pressekonferenz – Afghanistan als Land darstellt, dessen Zukunft nun allein davon abhängt, was die eigene Bevölkerung will. Es ist richtig, dass USA und Nato nicht dazu da sind, ewig eine ohnehin nur halbwegs demokratische, korrupte Regierung an der Macht zu halten. Aber man muss klar sagen, dass der große Abzug auch gewaltige geostrategische Veränderungen bringen wird. Jetzt werden wieder andere die Region bespielen – nicht zuletzt China. (Gudrun Harrer, 10.7.2021)