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Nach vielen Monaten, in denen Geschichten über steigende Arbeitslosenzahlen sowie geschlossene Restaurants und Geschäfte die Medien dominiert haben, kann die Bundesregierung nun endlich gute Nachrichten verkünden. Seit der Öffnung im Mai geht es wieder aufwärts. Seit einigen Tagen erweckt die Koalition von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) abwärts sogar den Eindruck, die Krise wäre im Grunde bereits überwunden. Kurz sagte am Sonntag, dass sich die Beschäftigung im Land wieder auf dem Vorkrisenniveau befinde, ebenso wie das Bruttoinlandsprodukt. Österreich erhole sich damit im Vergleich zu anderen EU-Ländern schneller und besser.

Aber ist das ein realistisches Bild der Lage, oder betreibt der Kanzler hier entschlossen PR-Arbeit?

Zunächst ist unbestritten, dass die Erholung in Österreich kräftig ausfällt. Das Forschungsinstitut Wifo rechnet mit einem Plus bei der Wirtschaftsleistung von vier Prozent 2021 und fünf Prozent 2022. Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Allerdings erweckt die Aussage, die Wirtschaftsleistung befinde sich wieder auf Vorkrisenniveau, einen falschen Eindruck.

Viele schlechte Monate

Das Wifo überwacht Woche für Woche die konjunkturelle Entwicklung im Land. Dazu werten die Ökonomen verschiedene Daten aus, etwa zu Umsätzen von Kreditkartenunternehmen, zu Einnahmen der Gastronomen oder zum Stromverbrauch. Der Output der heimischen Wirtschaft lag demnach von Mitte März 2020 bis Mai 2021, also 13 Monate lang, konstant unter dem Niveau von vor der Pandemie.

Es wurden in diesem Zeitraum also weniger Kühlschränke und Schnitzel verkauft, weniger Motoren produziert, Friseure hatten weniger Kundschaft. Diese kumulierten Verluste sind nun nicht weg, bloß weil seit dem Monat Mai der Output wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat.

Selbst im Gesamtjahr 2021 wird die Wirtschaftsleistung noch nicht das Niveau von 2019 erreicht haben, das soll erst irgendwann Anfang des kommenden Jahres der Fall sein.

Und kommt Österreich besser durch die Krise als andere? Auch dafür gibt es keinen Beleg. Der Aufschwung fällt natürlich kräftig aus, weil der Absturz 2020 sehr tief war. Aber die EU-Kommission hat diese Woche ihre Juli-Prognose vorgestellt, und demnach wird das Wachstum in Österreich heuer schwächer ausfallen als im Rest der EU und der Eurozone. Dafür gibt es Gründe. Österreich hängt stärker vom Tourismus ab als andere Staaten. Wegzaubern lässt sich die negative Differenz beim Wachstum jedoch nicht.

Im europäischen Vergleich

Die Kommission hat auch eine Prognose dazu vorgestellt, wo die Wirtschaftsleistung in den einzelnen EU-Ländern im Schlussquartal 2021 und 2022 im Vergleich zur selben Periode vor Beginn der Pandemie liegen wird. Hier gehört Österreich zu den Nachzüglern. In Polen, Irland oder Schweden ist die Wirtschaftsleistung Ende 2021 und 2022 viel deutlicher über dem Vor-Corona-Level (siehe Grafik).

Wie sieht es nun mit der Beschäftigung aus? Fakt ist auch hier, dass Experten überrascht davon sind, wie stark die Erholung ist. Und auf dem Papier liegt die Zahl der Beschäftigten tatsächlich wieder über dem Vorkrisenniveau, wie das Wifo vor kurzem gezeigt hat. Bloß hat diese Darstellung einen Schönheitsfehler: Personen in Kurzarbeit zählen auch als Beschäftigte. Das ist formal korrekt.

Doch im Mai waren 177.000 Menschen effektiv in Kurzarbeit, für 320.000 wurde sie beantragt. Damit waren zuletzt zwischen fünf und acht Prozent aller Beschäftigten in Kurzarbeit. Werden viele in den kommenden Monaten gekündigt, hätte das auch für die Beschäftigtenzahlen negative Folgen.

Fazit: Ob nun Beschäftigung oder Wirtschaftskraft, die Jubelmeldungen sind jedenfalls verfrüht und beim internationalen Vergleich verzerrt.

Wohlstandsverlust

Wie groß ist aber der Wohlstandsverlust durch die Pandemie wirklich? Um sich dieser Frage zu nähern, muss man nicht nur den tatsächlichen Konjunktureinbruch berücksichtigen, sondern auch der Frage nachgehen, was ohne Corona gewesen wäre.

Der Wifo-Ökonom Josef Baumgartner hat das getan. Er und seine Kollegen haben sich angesehen, wie sich die Wirtschaftsleistung Österreichs ohne Pandemie entwickelt hätte. Basis dafür waren die letzten Prognosen des Wifo vor Corona. Diese Zahlen wurden dann mit der realen Entwicklung abgeglichen.

Ergebnis: Zwischen 2020 und 2024 ergibt sich ein kumulierter Wohlstandsverlust in Höhe von 67 Milliarden Euro. Um so viel liegt die Wirtschaftsleistung oder liegen die Löhne der Beschäftigten und Gewinne der Unternehmen unter dem ansonsten erwarteten Wert. (András Szigetvari, 11.7.2021)