US-Finanzministerin Janett Yellen betonte beim Gipfel-Abschluss, dass die Umsetzung der globalen Steuerreform Zeit brauchen werde.

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Kaum sind die Beschlüsse gefasst, werden die Erwartungen auch schon wieder gedämpft. So lässt sich der G20-Gipfel zusammenfassen, der am Sonntag in Venedig zu Ende gegangen ist.

Geeinigt haben sich die Länder auf eine globale Steuerreform, ein Teil davon ist die weltweite Mindeststeuer von mindestens 15 Prozent. Doch US-Finanzministerin Janett Yellen zeigt sich pessimistisch, was die Umsetzung betrifft. Die erste Säule der Reform werde womöglich nicht vor Frühjahr 2022 fertig. Dabei geht es darum, dass die 100 größten und profitabelsten Konzerne der Welt mehr Steuern in Staaten mit großen Märkten abgeben sollen, wovon vor allem Schwellenländer profitieren würden. Die technische Umsetzung sei hier schwieriger als bei der zweiten Säule, der Mindeststeuer für große Unternehmen. Yellen sagte, die zweite Säule sei auf einer etwas schnelleren Fahrbahn.

Befürworter und Gegner

132 Länder haben sich unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD auf diese Steuerreform verständigt, die die internationalen Regeln ans Digitalzeitalter anpassen soll. Sieben Länder – darunter aus Europa Irland, Ungarn und Estland – verweigerten zuletzt aber ihre Unterschrift. Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) hatten die Pläne am Samstag gebilligt. Die OECD soll nun bis Oktober die letzten Details klären und einen Plan zur Umsetzung vorlegen.

Die neuen Regeln, von denen sich Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz milliardenschwere Zusatzeinnahmen für die wegen der Corona-Pandemie leeren Staatskassen erhofft, sollen 2022 in Gesetzesform gegossen werden und dann ab 2023 greifen. Scholz ist einer der stärksten Befürworter des Projekts. Der SPD-Kanzlerkandidat hatte am Wochenende gesagt, er rechne fest mit einer finalen Einigung im Oktober.

Es bleiben aber Zweifel, ob die Umsetzung gelingt – vor allem die Frage, ob Yellen die Reform durch den US-Kongress bekommt, in dem die Republikaner jede Form von Steuererhöhung bekämpfen. Außerdem gehen die Vorstellungen weiterhin auseinander. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire brachte beim G20-Treffen beispielsweise eine Mindeststeuer von 25 Prozent ins Spiel, was unter Experten aber als unrealistisch gilt.

Abtausch: Steuer gegen Digitalabgabe

Die USA hoffen, mit einer globalen Einigung einen Fleckerlteppich nationaler Digitalsteuern und ähnlicher Abgaben verhindern zu können. Die USA stören sich an einer von der EU-Kommission geplanten Digitalabgabe, die Ende Juli vorgestellt werden soll. Insidern zufolge gab es hier beim G20-Treffen massiven Druck der USA, aber auch europäischer Länder, die Pläne mindestens zu verschieben, um die wesentlich weitergehende globale Einigung nicht zu gefährden.

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte nach den Beratungen in Venedig, eine globale Lösung habe Priorität. Yellen trifft heute, Montag, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch hier dürfte sie drängen, die Abgabe zurückzuziehen.

Folgen der Pandemie

Yellen sagte zudem, die globale Steuerreform werde Staaten dringend benötigte Einnahmen für mehr Investitionen bescheren. Sie äußerte Sorgen wegen der Delta-Variante des Coronavirus. Die G20-Staaten müssten sich bei der Impfstoffverteilung stärker als bisher unterstützen. Allerdings wurden bei dem Treffen keine neuen Zusagen gemacht, auch nicht für ärmere Länder. Yellen ergänzte, es müsse zudem schon jetzt Vorbereitungen auf weitere Pandemien geben. Hierzu sollte es im Oktober dann auch Beschlüsse geben.

Die USA hoffen bis Oktober, wenn die G20-Staaten das nächste Mal zusammenkommen, auch auf eine stärkere finanzielle Unterstützung besonders armer Staaten. Sie sollen aus den zusätzlichen Mitteln des Internationalen Währungsfonds (IWF) 100 Milliarden Dollar (84,6 Mrd. Euro) zugeordnet bekommen. Um besser gegen die Pandemie und ihre Folgen ankämpfen zu können, sollen die Reserven des IWF bis Ende August um 650 Milliarden Dollar aufgestockt werden. Das wäre die stärkste Erhöhung der sogenannten Sonderziehungsrechte – einer künstlichen Währung des IWF – in der Geschichte des Fonds. Mindestens 100 Milliarden Dollar der neuen Mittel sollen auf freiwilliger Basis an die ärmsten Länder der Welt fließen. Wie das genau geschieht und wer dabei von den IWF-Mitgliedern mitzieht, ist aber noch völlig offen. (Reuters, red, 11.7.2021)