Also, was gilt jetzt? Vor kurzem verkündeten Kanzler Kurz und Minister Mückstein noch die große Lockerung (Masken so gut wie weg ab 22. Juli); dann steigen die Ansteckungszahlen und Inzidenzen wieder, die Delta-Variante breitet sich in Europa aus, die Deutschen sprechen von einem "Wettlauf mit der vierten Welle" im Herbst – und Kurz bagatellisiert und kündigt einen weitgehenden Rückzug des Staates aus der Corona-Politik an: Die Pandemie werde von "einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung zu einem individuellen medizinischen Problem".

Sebastian Kurz kehrt zu seinen altbackenen neoliberalen Wurzeln zurück.
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Der Staat werde sich nun "nach massiven Eingriffen in das Leben der Einzelnen langsam auf seine Kernaufgaben zurückziehen". Kurz kehrt damit zu seinen altbackenen neoliberalen Wurzeln zurück. Das Virus wird uns bleiben, wer sich nicht impfen lässt, ist selbst schuld, kann man nix machen. "Wenn eine Regierung bei einem Problem in der Größenordnung einer Pandemie die Zuständigkeiten abschiebt, kommt das ihrer Selbstaufgabe gleich", schreibt die Krone dazu.

Aber es ist ja nicht das erste Mal, dass Kurz bei der Beurteilung der Seuche widersprüchlich war ("Licht am Ende des Tunnels"). Das Virus macht einfach weiter, auch wenn die Regierung urplötzlich alles auf die "Selbstverantwortung des Bürgers" abschiebt.

Kann es sein, dass der Bundeskanzler das Wesen einer Seuche dramatisch missversteht? Was sagt der Gesundheitsminister dazu? (Hans Rauscher, 12.7.2021)