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FÜR

Wer in Österreich einmal einen Führerschein erworben hat, der darf im Idealfall bis an sein Lebensende fahren. Ob in all diesen Jahren tatsächlich auch immer eine Fahrtauglichkeit besteht, wird per Gesetz nicht überprüft. Der Gang zum Gesundheitstest samt Verkehrspsychologen erfolgt meist erst nach einer polizeilich registrierten Auffälligkeit im Fahrverhalten.

Letztlich basiert das System also zu einem großen Teil auf Freiwilligkeit. Braucht der Opa fürs Rückwärts-Ausparken gefühlt eine Ewigkeit und rasiert er dabei auch noch die Thujenhecke des Nachbarn, so liegt es an den Angehörigen, über eine mögliche Abgabe des Autoschlüssels zu diskutieren.

Ein Faktum ist, dass mit steigendem Alter die Reaktionsfähigkeit sinkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass man schlechter hört oder sieht, ist höher sowie auch die Anzahl jener, die Medikamente nehmen. "Da ist das Bewusstsein, dass bei Beeinträchtigungen nicht mehr ein Auto gelenkt werden soll, zu schärfen – unabhängig vom Alter", ist Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) überzeugt.

Persönliche Gespräche und ein unterstützendes Umfeld mit Vorbildern seien besonders wirksam. Seniorenorganisationen seien wichtige Multiplikatoren, ebenso Gemeinden, insbesondere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – und vor allem Ärztinnen und Ärzte. "Wenn die sagen, dass es vielleicht langsam an der Zeit wäre, das Autofahren sein zu lassen, hören viele darauf."

Um eine mögliche Altersdiskriminierung zu vermeiden, könne eine Option auch sein, die Gültigkeitsdauer des Führerscheins allgemein zu begrenzen – etwa auf zehn Jahre – und ein verpflichtendes ärztliches Gespräch einzuführen. In einigen anderen Ländern gibt es solche Systeme. "Das ist in Österreich aber sehr unwahrscheinlich und unpopulär", sagt Gratzer.

Schein mit Frist?

Denkt man einen Schein mit Frist ernsthaft an, wird man sich auch Gedanken über Alternativen machen müssen. Denn wer seine Lenkerberechtigung verliert, verliert auch ein hohes Maß an Bewegungsfreiheit. Gratzer: "In Städten gibt es ein gutes Öffi-Netz, in vielen Regionen ist es noch ausbaufähig." Neben einem guten Busliniennetz brauche es auch Anruf-Sammeltaxis oder Gemeindebusse. Dass das machbar sei, sehe man im Bregenzerwald – "das ist auch eine dünnbesiedelte Region, das Busangebot ist trotzdem ein gutes".

Eine andere Möglichkeit könnte es sein, Anreize zu setzen, den Führerschein abzugeben. In Schwechat und Schwaz in Tirol gibt es etwa dafür eine Gratis-Öffi-Jahreskarte.

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WIDER

Nicht nur ältere Menschen können gesundheitliche Defizite aufweisen und so zur Gefahr hinter dem Lenkrad werden. Und einem Führerscheinneuling fehlt ebenso die Routine, und die Gefahr einer folgenschweren Fehlreaktion auf dem Asphalt ist nicht zu unterschätzen.

"Grundsätzlich ist die Situation so, dass gerade bei älteren Menschen die Differenzierung zwischen fit und nicht fit eine sehr große ist. Es gibt 90-Jährige, die fitter als 40-Jährige sind", sagt Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Es sei deswegen schwierig, eine Grenze zu ziehen – auch weil man sehr rasch in den Bereich von Altersdiskriminierung komme. Grundsätzlich lasse sich über die Gruppe älterer Autofahrerinnen und Autofahrer sagen, dass sie sehr vorsichtig fahren.

Keine Raser

Alkohol am Steuer sei nur ganz selten ein Problem, Raserei ebenso. Der VCÖ weist darauf hin, dass in absoluten Zahlen ältere Personen seltener Unfallverursacher sind: Im Jahr 2020 wurden demnach 1152 Verkehrsunfälle mit Personenschaden (mit zwei oder mehr Beteiligten) von 75- bis 84-Jährigen verursacht, die Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen verursachte 3671 Unfälle, die 30- bis 39-Jährigen 3001 Unfälle, die 40- bis 49-Jährigen 2788 Unfälle und die 50- bis 59-Jährigen 3037 Unfälle, die 60- bis 70-Jährigen 1655.

Auch sei der Anteil der Altersgruppe 75 plus an den Pkw-Lenkenden, die an Unfällen beteiligt waren, mit 6,7 Prozent gering. Aber ältere Menschen fahren natürlich weniger mit dem Auto als die Gruppe der Berufstätigen. So sitzt die Altersgruppe der über 64-Jährigen (für die Gruppe 75 plus gibt es keine Daten) im Schnitt zehn Kilometer pro Tag und Person hinter dem Autolenkrad, in der Gruppe der 20- bis 34-Jährigen sind es im Schnitt 26 Kilometer pro Tag und Person, über alle Altersgruppen hinweg sind es laut VCÖ im Schnitt 20 Kilometer pro Tag und Person. (Lara Hagen, Markus Rohrhofer, 13.7.2021)