Mit VAR leider kein Tor! Marko Arnautović stand vor seinem Kopfball im EM-Achtelfinale knapp im Abseits. Ohne VAR hätte Österreich möglicherweise gegen Italien geführt und hätte dann ...

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Der Spitzenfußball hat sich längst damit abgefunden, einen Teil seiner Emotionen zugunsten der Gerechtigkeit geopfert zu haben. Die österreichische Bundesliga zieht nach, im Oberhaus steht ab dieser Saison dem Schiedsrichter der Video Assistant Referee (VAR) zur Seite, dem wiederum ein Assistent (AVAR) zur Seite steht. Die Verspätung – der erste VAR-Einsatz im Profifußball liegt immerhin bald fünf Jahre zurück – hatte vor allem finanzielle Gründe. Die für die vergangene Frühjahrssaison geplante Einführung fiel wegen der diversen Einschränkungen infolge der Pandemie ins Wasser. Wenn Sturm Graz Meister Salzburg am 23. Juli zum Saisonauftakt empfängt, gehören der VAR, der AVAR und ein Replay Operator, der im VAR-Raum in Wien die Hebel bedient, erstmals zur Stammbesetzung eines Treffens in der höchsten österreichischen Spielklasse.

Frage: Wann hat ein VAR erstmals in ein Spiel eingegriffen?

Antwort: Am 21. September 2016 im Spiel des niederländischen Cups zwischen Ajax Amsterdam und Willem II Tilburg. Es ging damals um eine Verwarnung, die nach Intervention eines einzelnen Videoassistenten in eine rote Karte umgewandelt wurde.

Frage: In welchen Bewerben kommt der VAR zum Einsatz?

Antwort: In der ab dieser Saison Admiral Bundesliga geheißenen obersten österreichischen Spielklasse sowie im ÖFB-Cup, allerdings vorerst nur im Finale.

Frage: Wie wird man eigentlich Video Assistant Referee. Wie viele gibt es in Österreich?

Antwort: Das Personal setzt sich aus Unparteiischen der Bundesliga, also der ersten und zweiten Liga zusammen. Vorerst kommen 13 VAR-Duos zum Einsatz. Die Operatoren müssen nicht aus der Schiedsrichterei kommen, sie wurden in einem sechswöchigen Programm vom technischen Anbieter Hawk-Eye, einem Tochterunternehmen von Sony Europe, geschult.

Frage: Was kostet der VAR?

Antwort: Die Einführung wird mit einer Million Euro veranschlagt, die der österreichische Fußballbund (ÖFB) zur Verfügung stellt. Der laufende Betrieb wird von der Bundesliga mit rund 1,5 Millionen Euro pro Saison angegeben und aufgebracht.

Frage: Wie funktioniert das System?

Antwort: Sechs bis elf Kameras von Liga-Partner Sky liefern pro Spiel die Bilder. Die Signale werden in Wien aufbereitet und für mögliche Überprüfungen retour ins Stadion geschickt. Sky speist über eine App auch Grafiken in die Übertragung ein, um die Zuseher über die VAR-Intervention zu informieren.

Frage: Wer legt das Regelwerk für den Einsatz des VAR fest?

Antwort: Das obliegt dem International Football Association Board (Ifab), das aus acht Mitgliedern besteht – vier stellt der Weltverband Fifa, je ein Mitglied stellen die Verbände aus England, Nordirland, Schottland und Wales. Das Ifab gibt dem Fußball die Regeln vor und damit auch dem VAR. Der Video Assistant Referee soll in allen Bewerben – vom Ligafußball bis hin zur WM-Endrunde – die gleichen Eingriffsmöglichkeiten geben. Einen gewissen Spielraum haben die Schiedsrichter für ihre Entscheidung, ob ein Vorfall überprüft werden soll. In Österreich dürfte eher öfter überprüft werden.

Frage: Wann kommt der VAR zum Einsatz? Wann nicht?

Antwort: Der VAR ist auf Tore, Elfmeter, rote Karten und die Identitätsfeststellungen bei gelben und roten Karten beschränkt. Der VAR kontrolliert jedes Tor ("Check") und hilft dem Schiedsrichter, mögliche Vergehen wie Abseits oder Fouls zu erkennen, die gegen die Anerkennung des Treffers sprechen könnten. Gegebene Elfmeter und verweigerte Elfmeter werden überprüft. Ebenso verhält es sich bei roten Karten. Der VAR soll nur dann eingreifen, wenn der Verdacht auf eine klare Fehlentscheidung besteht.

Frage: Was passiert, wenn sich der VAR einschaltet?

Antwort: Zunächst braucht es eine Spielunterbrechung, die der Schiedsrichter von sich aus veranlassen kann. Anschließend entscheidet der Referee, ob er eine offizielle Überprüfung ("Review") zulässt oder sich seiner getroffenen Entscheidung sicher ist. Wenn er eine Review zulässt, zeigt er mit den Händen ein Rechteck. Der VAR gibt eine Empfehlung ab, die der Schiedsrichter befolgen kann. Er kann sich aber die Szene auch selbst anschauen ("On-field Review"). Geht es um eine subjektive Entscheidung (Foul oder nicht), soll der Referee das Video zurate ziehen. Sonst soll er dem VAR vertrauen. Der Schiedsrichter hat aber immer die Letztentscheidung.

Frage: Was passiert, wenn ein Tor nach einem Eckball fällt, der gar nicht zu geben gewesen wäre?

Antwort: Das ist ein typischer Fall für die Überforderung des Systems. Die Vorgeschichte von Standardsituationen wie Eckbällen und Freistößen wird nicht aufgerollt, da die Angriffsphase per Definition mit dem Spielen eines ruhenden Balles beginnt. Erst diese "Attacking Phase of Play" unterliegt der Überprüfung durch den VAR. Das führt auch dazu, dass selbst offensichtliche Abseitspositionen erst nach Ende der gesamten Angriffssituation vom Schiedsrichter geahndet werden. (Sigi Lützow, 14.7.2021)