Mondmuscheln (Lucinidae) sind eine Muschelfamilie, der rund um den Globus etwa 500 Arten angehören. Fossilien zeigen, dass es diese Muscheln bereits seit 400 Millionen Jahren gibt. Sie fühlen sich in vielen unterschiedlichen Lebensräumen wohl, von den Sandstränden bis hinab in die Tiefsee. Dass sie an so unterschiedlichen Orten leben können, liegt an ihren winzigen Lebenspartnern: schwefeloxidierende symbiotische Bakterien, die den typisch nach faulen Eiern stinkenden Schwefelwasserstoff als Energiequelle für die Primärproduktion nutzen.

Diese Chemosynthese gleicht in gewisser Hinsicht der Photosynthese, mit dem Unterschied allerdings, dass dieser Stoffwechselmechanismus die Bakterien unabhängig vom Sonnenlicht macht. Die Mikroorganismen erzeugen dabei genug Zucker, um sowohl sich selbst als auch die Mondmuscheln zu ernähren. Forscher des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen und der Universität Wien konnten nun im Fachjournal "PNAS" zeigen, dass sich die Muscheln meist eines global vertretenen bakteriellen Symbionten bedienen, und nicht lokal unterschiedlicher Mikroben.

Lebenswichtige Partner

Es ist eine Frage von Leben und Tod für die Mondmuscheln: Die Suche nach einem geeigneten Partner in ihrem Lebensraum. Sie müssen ihre bakteriellen Untermieter schon in einem sehr frühen Lebensstadium aufnehmen, wenn sie sich nach ihrem Larvenstadium im Meeresboden niederlassen. Ab dann sind sie zur Ernährung auf die bakteriellen Symbionten angewiesen. Das Problem: Bakterien sind winzig und die Ozeane sind voll mit Unmengen möglicher Kandidaten.

Diese fluoreszenzmikroskopische Aufnahme zeigt, dass die Kiemen der Mondmuscheln voll mit Symbionten (grün und magenta gefärbt) sind (Zellkerne der Muscheln in gelb). Die Mondmuscheln beherbergen sie in spezialisierten Zellen, den Bakteriozyten.
Foto: Lukas Leibrecht

Man würde erwarten, dass Tiere, die so stark darauf angewiesen sind, sich ihre Partner unter den "einheimischen" Bakterien suchen. Denn diese Mikroben funktionieren vermutlich am besten unter den jeweiligen Bedingungen vor Ort. Eine neue Studie, die mit metagenomischen Analysen die symbiotischen Bakterien in Mondmuscheln unter die Lupe nimmt, zeigt nun, dass dies nicht immer der Fall ist: Einige bakterielle Symbionten reisen um die Welt und sind wahre Kosmopoliten.

Bakterielle Kosmopoliten

"Mit Hilfe modernster Methoden der DNA-Sequenzierung und der Genom-Zusammensetzung (genome assembling) haben wir festgestellt, dass in acht verschiedenen Mondmuschelarten eine einzige Art symbiotischer Bakterien vorherrschend war – und diese Muscheln lebten verstreut über alle drei Weltmeere quer durch die Tropen beider Erdhalbkugeln", berichtet Laetitia Wilkins vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen, die gemeinsam mit Jay Osvatic von der Universität Wien Erstautorin der Studie ist. "Diese Symbionten sind praktisch überall."

Kein anderer bekannter Symbiont ist so erfolgreich darin, sich zu verbreiten und mit Mondmuscheln zu verpartnern, berichten die Forschenden. Sie gaben ihm den Namen Candidatus Thiodiazotropha taylori – "um die Weisheit von John Taylor vom Natural History Museum in London zu würdigen, der 25 Jahre seines Lebens dem Studium der Biologie und Taxonomie der Mondmuscheln gewidmet hat", erklärt Osvatic.

"Dieses überraschende Ergebnis stellt das bisherige Konzept in Frage, wonach Symbionten aus dem lokalen Umfeld stammen. Augenscheinlich sind die Mondmuschel-Symbionten viel mobiler", so Osvatic weiter. Die bemerkenswerte Flexibilität in dieser Partnerschaft ist sowohl für den Wirt als auch für die Symbionten von Vorteil: Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, in verschiedenen Lebensräumen weltweit einen passenden Partner zu finden. Bislang konzentrierte sich die Mondmuschelforschung vor allem auf leicht zugängliche Lebensräume. Nun präsentiert das Team um Wilkins und Osvatic erstmals einen breiten und globalen Datensatz, der diese neue Entdeckung und sicher auch noch weitere ermöglicht und an dem die Verbindungen zwischen weit entfernten Lebensräumen untersucht werden können.

Mondmuscheln sind die artenreichste und am weitesten verbreitete Familie von Meeresmuscheln, die bakterielle Endosymbionten beherbergen.
Foto: Laetitia Wilkins

Zwei neue Symbionten

Die umfangreichen Untersuchungen führten auch zur Entdeckung und Beschreibung von zwei neuen Mondmuschel-Symbionten. Diese Symbionten – jetzt bekannt als Thiodioazotropha weberae und lotti – stammen aus der Muschelart Loripes orbiculatus auf der italienischen Insel Elba, wo sie einträchtig in den Kiemen desselben Wirts koexistieren. "Bevor genomische Analysen eingesetzt wurden, nahm man an, dass jede Muschel nur eine Art von Symbionten beherbergt", erklärt Wilkins. "Viele Muscheln auf Elba beheimaten jedoch zwei Symbiontenarten."

Als nächstes wollen die WissenschafterInnen herausfinden, wie die Symbionten reisen. "Sie verlassen ihre sichere Muschelheimat, um den Globus zu überqueren", sagt Mitautorin Jillian Petersen von der Universität Wien. "Sowohl nützliche Symbionten wie Candidatus T. taylori als auch Krankheitserreger können sich in der Umwelt ausbreiten, aber wir wissen normalerweise nicht, wie." (red, 13.7.2021)