Konrad ließ der Konkurrenz keine Chance.

Foto: imago images/Panoramic International

Holte sich den Etappensieg als Solist.

Foto: AFP/ANNE-CHRISTINE POUJOULAT

Und konnte es selbst kaum fassen.

Foto: EPA/GUILLAUME HORCAJUELO

Es war eine Galavorstellung von Patrick Konrad.

Foto: EPA/GUILLAUME HORCAJUELO

Der Niederösterreicher wurde zudem als angriffslustigster Fahrer des Tages ausgezeichnet.

Foto: imago images/Panoramic International

Saint Gaudens – Er hat seine Ambitionen angekündigt und tatsächlich umgesetzt – in beeindruckender Manier nach einer Soloflucht: Patrick Konrad vom Team Bora-hansgrohe hat am Dienstag die 16. Etappe der 108. Tour de France von Pas de la Case über 169 ungemütliche Kilometer nach Saint Gaudens in den Pyrenäen gewonnen.

"Der erste Sieg auf der World Tour und das beim größten Radrennen der Welt, ich bin wirklich sprachlos", sagte Konrad im ersten Interview auf Eurosport. "Der Sieg ist für meine Familie, meine Freunde und mein Team Bora – für alle, die an mich geglaubt haben. Ich glaube, der Erfolg ist im richtigen Moment gekommen. Ich bin richtig stolz, das ist wie ein Befreiungsschlag. Konrad war bereits auf der ersten Pyrenäen-Etappe am Samstag in Quillan starker Zweiter geworden.

Mit der Brechstange

Er habe gespürt, dass die Form weiter stimmt, sagte der Jungvater. "Ich habe gewusst, ich habe die Beine, die Form und das Talent, dass ich so etwas gewinnen kann. Heute habe ich quasi das Glück etwas gezwungen und es mit der Brechstange versucht, als ich auf der zweiten Bergwertung das Loch zur Spitzengruppe zugefahren bin. Ich war ruhig und habe mir gesagt: 'Patrick, du bist heute der, der gewinnt. Es geht gar nicht anders.' Ich habe es geschafft, eine Tour-de-France-Etappe gewonnen."

Tour de France™

Der 29-jährige österreichische Meister 2019 und 2021 ist erst der dritte Österreicher, der eine Etappe bei der Großen Schleife gewinnen konnte. 2005 hatte sich Georg Totschnig auf der 14. Etappe mit der Bergankunft in Ax-3-Domaines durchgesetzt. Auf den Tag genau vor 90 Jahren hatte Max Bulla die 12. Etappe der Grand Boucle gewonnen. Bulla konnte damals zwei weitere Etappen für sich entschieden.

Unwirtliche Bedingungen

Nach dem mit einer Seehöhe von 2.080 m höchstgelegenen Start der Tour-Geschichte setzte Konrad nach rund zweieinhalb Stunden aus einer Verfolgergruppe einem Spitzen-Trio nach, aus dem neben ihm der Belgier Jan Bakelants und der Franzose Fabien Doubey übrigblieben.

Die entscheidende Attacke bei böigem Wind und teils starkem Regen setzte Konrad am vorletzten Anstieg. Da eine zehnköpfige Verfolgergruppe nur rund eine halbe Minute zurücklag, suchte er sein Glück in der Flucht und hielt die Konkurrenz bis zum Schluss auf Distanz, baute sogar den Vorsprung auf die hinter ihm sich mühenden David Gaudu (FRA/Groupama) und dem letztlich vor dem Australier Michael Matthews (BikeExchange) Zweiten Sonny Colbrelli (ITA/Bahrain) aus.

Beeindruckend flottes Finish

Konrad nahm auch noch zwei Bergwertungssiege mit und beeindruckte auf den letzten 40 Kilometern des Teilstücks mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40,1 km/h. Sein Vorsprung auf die Gruppe mit Colbrelli betrug nach einer 36-km-Solofahrt schließlich 42 Sekunden. Die Asse um den Führenden Tadej Pogacar hatten rund eine Viertelstunde Rückstand. Der Slowene führt nach dem Auftakt in die Schlusswoche der Rundfahrt weiter souverän mit mehr als fünf Minuten Vorsprung die Gesamtwertung an.

Konrad verbesserte sich um sieben Positionen an die 21. Stelle (+47:02 Min.). "Ich war schon dreimal in einer Ausreißergruppe, diesmal wollte ich es aber bis zum Finish durchziehen", so Konrad. "Ich habe mir schon nach dem zweiten Platz gedacht, wenn ich noch einmal in diese Situation komme, bin ich der Erste, der angreift. Ich bin glücklich, dass es funktioniert hat, wie ich mir das ausgemalt habe. 500 m vor dem Ziel habe ich dann an den Sieg geglaubt", sagte der Sohn von Vienna-City-Marathon-Veranstalter und Ex-Leichtathlet Wolfgang Konrad.

Zweitplatzierter Colbrelli: "Patrick war stärker"

Colbrelli hätte im Sprint gegen Konrad wohl Vorteile gehabt, im Endeffekt war er aber ohne Chance: "Der zweite Platz gibt mir nicht viel. Ich wäre gerne ganz vorne gewesen. Ich habe mein Bestes gegeben, aber wir sind nicht mehr herangekommen. Patrick war stärker."

Mit dem zweiten Etappensieg für Bora bei dieser Rundfahrt sei es jetzt schon "eine fantastische Tour", meinte Enrico Poitschke, der Sportliche Leiter das Teams. Damit wurde der verletzungsbedingte Ausfall von Peter Sagan bestens wettgemacht. Der Slowake gab am Dienstag nach einer am Vortag durchgeführten kleinen Knieoperation seinen Verzicht auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio bekannt.

Konrad fährt seit seinem Debüt in der World Tour 2015 für Bora. Er erhielt für seine siebente dreiwöchige Rundfahrt und die dritte Tour-Teilnahme viele Freiheiten von seinem Rennstall und dankte es mit dem zweiten Tagessieg nach dem Deutschen Nils Politt.

Cyclism'Actu TV

Königsetappe am Mittwoch

Das Fahrerfeld wird am Mittwoch auf dem 17. Teilstück richtig gefordert. Die Königsetappe hatte Titelverteidiger Pogacar bereits als größte Gefahr für seinen erneuten Triumph ausgemacht. Das 178,4 km lange Teilstück in den Pyrenäen wird Pogacar alles abverlangen.

Nach einem rund 120 km langen Einrollen stehen die drei schweren Berge Col de Peyresourde, Col de Val Louron-Azet (beide 1. Kategorie) und die Bergankunft Col du Portet (HC) auf dem Plan. Letztere ist ein 16 km langer und erbarmungsloser Anstieg mit knapp neun Prozent mittlerer Steigung. (APA, sid, red, 13.7.2021)

Ergebnisse Tour de France vom Dienstag:
16. Etappe, Pas de la Casa/AND – Saint-Gaudens/FRA (169,00 km):

1. Patrick Konrad (AUT) Bora 4:01:59 Std.
2. Sonny Colbrelli (ITA) Bahrain +42 Sek.
3. Michael Matthews (AUS) Team BikeExchange
4. Pierre-Luc Perichon (FRA) Cofidis
5. Franck Bonnamour (FRA) B&B Hotels
6. Alex Aranburu Deba (ESP) Astana alle gleiche Zeit
Weiter:
99. Marco Haller (AUT) Bahrain +16:42
120. Lukas Pöstlberger (AUT) Bora +17:56

Gesamtwertung:

1. Tadej Pogacar (SLO) UAE Team Emirates 66:23:06 Std.
2. Rigoberto Uran (COL) EF Education-Nippo +5:18 Min.
3. Jonas Vingegaard (DEN) Jumbo-Visma +5:32
4. Richard Carapaz (ECU) Ineos Grenadiers +5:33
5. Ben O'Connor (AUS) AG2R +5:58
6. Wilco Kelderman (NED) Bora +6:16
Weiter:
21. Konrad +47:02
112. Pöstlberger +2:46:08 Std.
128. Haller +3:02:45

Die bisherigen Etappensiege von Österreichern bei den drei großen Rundfahrten:

Max Bulla
3 Etappensiege bei Tour de France 1931
2 Etappensiege bei der Vuelta a Espana 1935

Peter Luttenberger
Teamzeitfahren bei der Tour de France 2000

Georg Totschnig
Etappensieg bei der Tour de France 2005

Thomas Rohregger
Teamzeitfahren bei der Vuelta a Espana 2011

Lukas Pöstlberger
Etappensieg beim Giro d'Italia 2017

Patrick Konrad
16. Etappe bei der Tour de France 2021

(Stefan Denifl hatte 2017 eine Etappe bei der Vuelta a Espana gewonnen, im Zuge der Operation Aderlass wurde er jedoch des Blutdopings überführt. Er gestand vor Gericht, damals mit dem berüchtigten deutschen Arzt Mark S. kooperiert zu haben.)