Das Thema Asyl entzweit die türkis-grüne Koalition, und dieser Umstand sabotiert die regierungsinterne Diskussionskultur zu Menschenrechtsfragen im Flüchtlingsbereich. Das zeigte sich am Dienstag erneut, als Irmgard Griss und andere hochkarätige Fachleute den inhaltsreichen und kritischen Bericht der Kommission zum Kindeswohl in Asylverfahren präsentierten. Man erinnere sich: Das Gremium wurde vom – grünen – Vizekanzler Werner Kogler nach zwei umstrittenen Familienabschiebungen eingerichtet, als er die damals in Babypause befindliche Justizministerin Alma Zadić vertrat.

Präsentation des Anschlussberichts der Kommission zum Kindeswohl in Asylverfahren.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Denn kaum war Griss’ Stimme verklungen, da plingte bereits eine weitere Expertise über die E-Mail-Server. Es war eine Studie aus dem – türkisen – Innenministerium, die für die Mitglieder der Griss-Kommission und, so wird gemunkelt, auch das Justizministerium völlig überraschend kam.

Kritikpunkte

Zu Wort meldete sich der Kinderwohlbeirat im Innenressort, der unter der Leitung des Europa- und Völkerrechtsexperten Walter Obwexer steht. Dieses neu gegründete Gremium teilt einzelne Kritikpunkte des Griss-Berichts durchaus. Die uneinheitlichen Sorgerechtsregelungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in den Ländern etwa, die das Abtauchen vieler junger Menschen zufolge haben, sind ihm ebenso ein Dorn im Auge wie den Fachleuten rund um die Ex-Bundespräsidentschaftskandidatin. Sollte sich daraus ein Impuls für eine bundesweite Vereinheitlichung und Verbesserung ergeben – umso besser!

Doch leider dürfte Einigkeit nur schwer herzustellen sein, denn dort, wo es für das Innenministerium schmerzhaft wird, widerspricht der Nehammer-Beirat der Griss-Kommission frontal. Bei Abschiebungen mit Kindern seien in Anwendung der UN-Kinderrechtskonvention "geänderte Umstände bis zuletzt zu prüfen" und auf den Abtransport möglicherweise zu verzichten, schreibt die Kommission. Sicher nicht, erwidert der Beirat: "Rechtsstaatliche Entscheidungen, die eine Ausreiseverpflichtung enthalten, können nicht allein durch die Involvierung von Minderjährigen ausgehebelt werden."

Verhärtete Fronten also. Aber vielleicht sollte der Parallelbericht des Innenministeriums bloß von weiteren Asyloriginalitäten ablenken. Von dem im Griss-Bericht geschilderten Controllingsystem etwa, laut dem Asylreferenten für einen positiven Bescheid nur 0,6, für eine Ablehnung hingegen 1,0 Punkte bekommen. Das zeigt, wohin in Österreich die Reise geht. (Irene Brickner, 13.7.2021)