Nigeria zählt zu den gefährlichsten Orten der Welt, wenn es um das Leben von Menschen aus dem LGBTQI-Spektrum geht. Sowohl fundamentalistisches Christentum wie auch radikaler Islam sind in dem Land stark vertreten. 2014 hatte der damalige Präsident Goodluck Jonathan ein Gesetz unterzeichnet, das Homosexualität unter Strafe stellt.

Einer der Berater von Jonathan war damals Doyin Okupe, ein Parteikollege aus der People’s Democratic Party (PDP), einer der zwei dominanten Parteien des Landes. Der Arzt verurteilt Homosexualität. Sein Nachwuchs allerdings tritt nicht in seine Spuren.

Okupe hat zwei Söhne. Der erste, Ditan, unterstützt offen die rivalisierende Partei All Progressives Congress, die seit 2015 mit dem ehemaligen General Muhammadu Buhari auch den Präsidenten stellt. Sein Bruder Bolu lebt in Frankreich und macht seit einigen Monaten Karriere als schwuler Internetstar.

"Yes, I am gay AF"

Im Jänner diesen Jahres wandte Bolu Okupe sich mit einem öffentlichen Coming-out an seine Instagram-Follower. "Ja, ich bin ausgesprochen schwul", postete er zu einem Foto, das ihn mit Regenbogen-Shorts und -Flagge zeigt. Es erntete seither über 10.000 Likes.

Allerdings keines von seinem Vater. Der machte über seinen Twitteraccount mit damals 250.000 Followern gegen seinen Sohn mobil. Er wusste schon eine Weile von seiner "neuen Orientierung", schrieb er dort. Als "Zeuge Christi" sei er ein "vehementer Gegner der Homosexualität", da er diese für unvereinbar mit seinen religiösen Ansichten halte.

Vater-Sohn-Konflikt

Davor und seither hat sich einiges getan, berichtet Rest of World. Okupe liegt schon länger im Clinch mit seinem Vater. Er betreibt einen Onlineshop, über das er Kleidung und Accessoires in Regenbogenoptik verkauft. Seit 2019 ist er auch auf der Plattform Only Fans angemeldet, wo er kurz nach seinem Coming-out selbst begann, Inhalte zu veröffentlichen. Die Plattform wird häufig für Online-Sexarbeit genutzt. Er selbst zeigt sich dort leicht bekleidet, aber nie nackt.

Speziell während der Pandemie hat Okupe, der 2016 zum Studieren nach Frankreich gekommen war, dort tausende Abonnenten gewonnen. Er sei exhibitionistisch veranlagt, und wenn er seinen "schwarzen, muskulösen, schwulen Körper" herzeige, sei das gut für seine Besucherzahlen, also mache er weiter. Seine Mission sei es auch, aufzuzeigen, was es bedeute, schwarz und homosexuell zu sein. "Ich habe einfach beschlossen, dass ich mein Leben nicht mehr für irgendwen anderen leben will."

Bolu TV

Genaue Zahlen zu seinem Erfolg auf Only Fans nennt er nicht. Er verrät lediglich, dass er schon wenige Wochen nachdem er seinen Auftritt gestartet hatte, 2.000 Dollar damit verdient habe. Derzeit ist es eine nebenberufliche Aktivität für ihn, hauptberuflich ist er Vollzeit im Bereich Marketing tätig.

Boomende Plattform mit "inoffiziellen" Nutzern

Only Fans verzeichnete in den letzten Jahren starkes Wachstum. Auch aus Nigeria, obwohl das Unternehmen dort offiziell gar nicht aktiv ist. Zur Zahlungsabwicklung müssen die User aus dem Staat an der afrikanischen Westküste allerdings auf Kontakte in Ländern setzen, in denen die Plattform Geldtransfers ermöglicht.

Okupe findet die Entwicklung "großartig". Sie erstaune ihn aber nicht mehr, denn Nigerianer würden ihr ganzes Leben darauf konditioniert, sich an ständig wandelnde Umstände anzupassen, sagt er. Die Betreiber operieren aber unter dem Risiko, ihren gegen die Geschäftsbedingungen betriebenen Account jederzeit verlieren zu können, ohne eine Einspruchsmöglichkeit zu haben.

Gerade für LGBTQI-Personen in Nigeria birgt ein Only-Fans-Auftritt auch Risiken, weswegen sie versuchen, mithilfe von Masken oder anderen Mitteln anonym zu arbeiten. Immer wieder kommt es zu Festnahmen, Verschleppungen, Folter oder gar Mord an Menschen, die sich als nicht heterosexuell geoutet haben oder gegen ihren Willen geoutet wurden. Der Politikersohn geht auch selbst womöglich bald ein großes Risiko ein. Er plant, noch in diesem Sommer einen Besuch in seiner Heimat zu machen – allerdings begleitet von Bodyguards.

Weiter hohe Homosexuellenfeindlichkeit

Der Weg zur Anerkennung für die LGBTQI-Community in Nigeria ist noch ein weiter. Das 2014 erlassene Gesetz scheint die Einstellung einer deutlichen Bevölkerungsmehrheit abzubilden. In einer vergangenes Jahr vom Pew Research Center durchgeführten Umfrage in 34 Ländern aus allen Kontinenten gaben nur sieben Prozent der befragten Nigerianerinnen und Nigerianer an, dass die Gesellschaft Homosexualität akzeptieren solle, während 91 Prozent sich klar dagegen aussprachen. Das Land belegte damit den letzten Platz in der Umfrage. (gpi, 17.7.2021)