Für den Quantenprozessor Sycamore von Google könnte eine Methode zur Fehlerkorrektur gefunden worden sein, durch die Quantencomputer ihr Potenzial voll entfalten können.

Illustration: Afp/Google/Ho

Bereits Anfang der 1980er-Jahre schlug der Physiknobelpreisträger Richard Feynman vor, die Finessen der Quantenphysik auszunutzen, um leistungsstarke Computer zu bauen. Zwar konnten in den vergangenen Jahren beachtliche Prototypen vorgelegt werden, doch bis zu einem leistungsstarken Quantencomputer, der klassische Rechner übertrifft, scheint der Weg noch weit.

Ein entscheidender Grund dafür ist die Fehleranfälligkeit von Quantenrechnern. Wie ein Forscherteam diese Woche im Fachblatt Nature bekannt gibt, ist ihnen nun ein entscheidender Durchbruch gelungen. Bestätigen sich die Resultate, könnten sie weitreichende Folgen für die Entwicklung von Quantenrechnern haben. Worum geht es also?

Quantencomputer bedienen sich einer Eigenschaft der Quantenphysik: der Überlagerung von Zuständen, auch als Superposition bekannt. Im Gegensatz zur klassischen Physik können Objekte in der Quantenphysik mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen. So ist beispielsweise der Aufenthaltsort von Elektronen in Atomen nicht genau bestimmt, das Elektron ist gewissermaßen an mehreren Orten zugleich. Übertragen auf unsere Alltagswelt mutet die Superposition äußerst skurril an, um das zu verdeutlichen, wählte Erwin Schrödinger einst den Vergleich mit einer Katze, die unter gewissen Umständen zugleich tot und lebendig ist.

Rechnen mit Quantenbits

So kontraintuitiv die Superposition ist, so nützlich ist sie für Quantenrechner. Statt Bits wie bei klassischen Rechnern sind die kleinstmögliche Speichereinheit von Quantencomputern sogenannte Quantenbits, kurz Qubits. Dank Superposition können Qubits nicht nur die Zustände 0 und 1 annehmen, sondern im Prinzip unendlich viele Zustände.

Sowohl die Hardware als auch auch die Software von Quantencomputern unterscheiden sich fundamental von jenen klassischer Rechner. Was die Hardware angeht, gibt es unterschiedliche Ansätze, um korrelierte Qubits zu erzeugen. Ein Ansatz sind Ionenfallen, wo einzelne Ionen mittels elektromagnetischer Felder nebeneinander aufgereiht werden. Weiters gibt es Systeme mit Supraleitern, aber auch Lichtteilchen oder Elektronen können als Qubits herangezogen werden. Um Rechenoperationen mit Qubits durchführen zu können, bedarf es spezieller Quantenalgorithmen.

Fehlerkorrektur verbessern

Im Gegensatz zu klassischen Computern lassen sich Quantencomputer nicht so einfach miteinander vergleichen. Die Anzahl der Qubits, mit denen gleichzeitig gerechnet werden kann, ist zwar ein wichtiges Kriterium für die Leistungsfähigkeit. Doch auch noch so viele Qubits nützen nichts, wenn zu viele Fehler auftreten. Ursache dafür können etwa Mängel in der Hardware sein oder umgebungsbedingte Störungen.

Die Quantenfehlerkorrektur ist daher so etwas die die Achillesferse von Quantencomputern. Durch Kopieren und den Abgleich von Daten ist die Korrektur von Fehlern bei klassischen Rechnern relativ einfach – bei Quantencomputern ist das viel schwieriger, weil es prinzipiell unmöglich ist, Qubits zu kopieren. Umso beachtlicher ist die Publikation, die Forscher von Google nun vorgelegt haben, wonach sie für den von Google entwickelten Quantenprozessor Sycamore eine Methode gefunden haben, die Fehlerrate dramatisch zu verringern.

Volles Potenzial entfalten

Das Team präsentiert darin einen Code zur Quantenfehlerkorrektur, durch den mehrere Qubits wie eine logische Einheit behandelt werden können. Dadurch können Fehler detektiert und korrigiert werden, ohne die gespeicherte Information zu beschädigen. Laut dem Pressetext zur Studie deuten die Ergebnisse sogar darauf hin, dass die Architektur von Sycamore nahe daran sein könnte, die Fehlerrate so stark zu minimieren, dass damit das ganze Potenzial von Quantencomputern ausgeschöpft werden könnte.

Bereits vor zwei Jahren war Google mit der Behauptung vorgeprescht, einen Quantenrechner entwickelt zu haben, der klassischen Rechnern überlegen sei. Damals gab es viel Applaus für diese sogenannte Quantenüberlegenheit, einige Forscher zeigten sich aber skeptisch. Diesmal kommt die Ansage von Google weniger großspurig daher, und erste Reaktionen aus der Fachwelt sind durchwegs positiv.

Kritischer Meilenstein

Im Gegensatz zur Publikation des Google-Teams zur Quantenüberlegen von 2019, die vor allem akademisch relevant gewesen sei, stellt die aktuelle Studie für Tommaso Calarco, Direktor des Bereichs Quantum Control am Forschungszentrum Jülich, "einen großen Schritt zur Praxisanwendung" dar.

Für Stefan Filipp, Professor für Technische Physik an der TU München, der so wie Calarco nicht an der Studie beteiligt war, weisen die Ergebnisse im Experiment "zwar nur geringe Verbesserungen der Fehlerraten auf". Das Hauptergebnis ist für ihn aber konzeptioneller Natur, denn die Arbeit zeige, "dass Fehler in einem zukünftigen Quantencomputer tatsächlich im Prinzip stark unterdrückt werden können".

Laut Sven Ramelow und Helen Chrzanowski von der Humboldt-Universität Berlin, ebenfalls nicht an der Studie beteiligt, zeigt die Arbeit, dass "eine der unbestritten weltführenden Gruppen im Wettlauf, den ersten universellen Quantencomputer zu konstruieren, einen der besonders kritischen Meilensteine auf dem Weg dorthin genommen hat". Wie lange es dauert, bis das Konzept im größeren Maßstab praktisch genutzt werden kann, sei "extrem schwierig abschätzbar", könnte aber im "Bereich von fünf bis 15 Jahren liegen". (Tanja Traxler, 14.7.2021)