Die Beschaffung von Schutzkleidung müsse zentral geregelt werden, so ÖÄK-Präsident Szekeres. Denn ohne diese wäre in der Pandemie das gesamte System zusammengebrochen.

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Die Gesundheitsversorger in vielen Ländern sind bei der Bekämpfung der Pandemie ähnlichen Herausforderungen begegnet. Diese Erkenntnis ist eine der Kernaussagen der 66. Konsultativtagung der deutschsprachigen Ärzteorganisationen, die Anfang Juli in Wien stattfand. Vertreter aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Südtirol und Luxemburg, die insgesamt mehr als 500.000 Ärztinnen und Ärzte repräsentieren, nahmen daran teil. Ziel war es, aus den Fehlern und Schwierigkeiten in der Pandemiebekämpfung für die Zukunft zu lernen.

Insgesamt sei es gelungen, bisher gut durch die Pandemie zu kommen. "Doch das lag einerseits am unfassbaren Einsatz des medizinischen Personals und andererseits an der Tatsache, dass man die vor der Pandemie immer wieder geäußerten Ratschläge zu einem Bettenabbau ignoriert hat", betont Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Und er betont: "Das zeigt ganz klar, dass das Gesundheitssystem nicht wie jeder andere Budgetposten behandelt werden kann."

Vergleiche man Österreich mit Deutschland und der Schweiz, seien die Gesundheitsausgaben deutlich geringer. Während in der Schweiz 5.241 Euro pro Kopf ausgegeben werden, in Deutschland immerhin 4.504 Euro, seien es in Österreich nur 3.966 Euro pro Kopf und Jahr. Zwischen 2013 und 2019 seien die Ausgaben um 1,1 Prozent des BIP gestiegen – das sei um 1,3 Prozent weniger als in Deutschland und um 1,6 Prozent weniger als in der Schweiz. "Das zeigt, es braucht mehr Geld im System", so Szekeres. "Wir müssen auch davon ausgehen, dass die Gesundheitsausgaben in Zukunft bei einer immer älter werdenden Gesellschaft und leistungsfähigeren medizinischen Möglichkeiten mehr und nicht weniger werden."

Zentrale Beschaffung wichtig

Ein großes Problem war und ist der Zuständigkeitswirrwarr zwischen Bund und Ländern beziehungsweise Kantonen in Österreich, aber auch Deutschland und der Schweiz, wie Szekeres betont. Unterschiedliche Gesetzgebung auf Bundes- und Länderebene sowie ein föderaler "Fleckerlteppich" hätten für zusätzliche Probleme gesorgt: "In Österreich etwa hat das die Beschaffung von Schutzmaterial erschwert. Ohne die wäre das gesamte System zusammengebrochen. Aber niemand hat sich dafür verantwortlich gefühlt, und es hat Monate gedauert, bis die Zuständigkeit offiziell bei Bund und Ländern verortet war. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass die Zuständigkeiten für die Zukunft klar geregelt werden müssen."

Und Herwig Lindner, Vizepräsident der ÖÄK, ergänzt: "Eine der großen Lehren aus der Pandemie war, wie sehr die EU bei grundlegenden Medizinprodukten und Medikamenten von anderen Staaten abhängig war. Es ist die Aufgabe der EU, dafür zu sorgen, dass ein Basissatz an Medizinprodukten und Medikamenten in Europa selbst produziert wird." Die EU müsse festlegen, welche Produkte und Medikamente zu diesem Basissatz zählen, die Produktion könne auf die EU-Länder aufgeteilt werden.

Und Lindner wies auch darauf hin, dass auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie nicht die Bettenkapazität zu gering geworden sei. "Aber beim gut ausgebildeten Personal sind wir fast an unsere Grenzen gestoßen. Deshalb ist es unbedingt nötig, auch im Hinblick auf zukünftige Gesundheitskrisen, dass möglichst bald weiteres Personal ausgebildet wird. Sonst komme es womöglich so weit wie in Deutschland, wo Schwestern und Pfleger aus Kolumbien angeworben würden. "Diese Menschen fehlen ja dann auch im eigenen Land."

Verknüpfung anonymisierter Daten

ÖÄK-Präsident Szekeres forderte außerdem die Verknüpfung der Medikationsdatenbank mit den Daten der Gesundheitsbehörden – anonymisiert oder pseudonymisiert. "So können Zusammenhänge zwischen verabreichten Medikamenten und Krankheitsverläufen hergestellt werden, man kann idealerweise sogar Medikamente finden, die vor schweren Verläufen schützen." Und eine Verknüpfung der Impfdatenbank mit der Infektionsdatenbank wäre hilfreich. "Wenn Infektionszahlen bei geimpften Menschen steigen, könnten so Mutationen, die zu Impfdurchbrüchen führen, schneller gefunden werden." Bestes Beispiel dafür sei Delta.

"Kein politischer Wille zur Impfpflicht"

Angesprochen auf eine mögliche Impfpflicht, vor allem für Gesundheits- und Pflegepersonal, wie sie jetzt in Frankreich eingeführt wurde, gibt sich Szekeres zurückhaltend: "Ich glaube, die Impfpflicht ist derzeit kein Thema. Sie wird von der Politik abgelehnt, und das ist zu akzeptieren. Umso mehr sollte es deshalb das Ziel sein, die Impfkampagne möglichst breit auszurollen." Aber es gebe schon einige Spitalsträger, die bei Neuanstellungen im Gesundheits- und Pflegebereich einen Impfnachweis verlangen. Das begrüße man. Zu den bereits verlangten Impfungen solle außerdem die Covid-Impfung hinzugefügt werden, so die Forderung.

Und Vizepräsident Lindner ergänzte: "Man muss die Frage umdrehen. Haben Menschen im Spital oder im Pflegeheim ein Schutzrecht? Die Antwort lautet natürlich Ja. Es gibt eine Fürsorgepflicht des Spitalträgers, seine Patientinnen und Patienten zu schützen. Und nur die Impfung ist ein wirklicher Schutz, alle anderen Maßnahmen sind nicht ausreichend wirksam." Würden sich Mitglieder des Gesundheits- und Pflegepersonals nicht impfen lassen, müsste dafür Sorge getragen werden, dass diese nicht direkt beim Patienten eingesetzt werden. (kru, 14.7.2021)