Nach jahrelangen Protesten von Bürgerinitiativen und ebenso langer Verzögerungs- und Hinhaltetaktik durch die venezianischen Behörden und die Tourismusbranche kommt überraschend der Durchbruch: Am Dienstagabend hat Italiens Infrastrukturminister Enrico Giovannini nach einer Kabinettssitzung bekanntgegeben, dass Kreuzfahrtschiffe das Becken von San Marco und den Canale della Giudecca in Venedig nicht mehr passieren dürfen.

Kreuzfahrtschiffe wie die MSC Magnifica werden ab 1. August aus dem Zentrum Venedigs verbannt.
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Das Verbot gilt für Schiffe mit mehr als 25.000 Bruttoregistertonnen Gewicht, mehr als 180 Metern Länge oder mehr als 35 Metern Höhe – also nur für die größten Dampfer. Diese müssen ab dem 1. August einen Bogen um die Lagunenstadt machen und den Industriehafen Marghera anlaufen. Kleinere Kreuzfahrtschiffe sollen weiterhin am Hafen des historischen Zentrums anlegen dürfen.

Giovannini bezeichnete die Maßnahme als "notwendigen Schritt, um die Umwelt, die Landschaft sowie die künstlerische und kulturelle Integrität von Venedig zu schützen"; Kulturminister Dario Franceschini sprach gar von einem "historischen Moment für Venedig". Das nun erlassene Verbot trage den Sorgen der Unesco und der Bürgerinnen und Bürger Rechnung, die seit Jahren darüber entsetzt seien, dass derartige Giganten ungehindert vor dem "schönsten und zugleich verletzlichsten Ort der Welt" vorbeifahren dürften.

Geduldsfaden gerissen

Regierungschef Mario Draghi, der sich schon frühzeitig für die Verbannung der Riesenpötte aus Venedig ausgesprochen hatte, war ganz einfach der Geduldsfaden gerissen: Die Maßnahme wurde am Dienstag per Dekret beschlossen, also per Notrecht. Der Druck auf die Regierung in Rom, endlich etwas zu unternehmen, war in den letzten Wochen gestiegen: Ende Juni hatte die Unesco gedroht, Venedig auf die "rote Liste" derjenigen Weltkulturerbe-Städte zu setzen, die diesen Status verlieren könnten.

Die UN-Fachleute kritisierten den Umstand, dass sich die Kreuzfahrtriesen bis auf wenige Dutzend Meter der Piazza San Marco und dem Dogenpalast annähern können; die von den Schiffen verursachten Wellen schaden den Fundamenten der Lagunenstadt. Außerdem bemängelte die Unesco einen "erheblichen Verlust von Authentizität", der durch den Massentourismus und die damit einhergehende Abwanderung der Einheimischen erfolgt sei. Venedig und seine Lagune sind seit 1987 Unesco-Weltkulturerbe.

Gleichzeitig mit dem Erlass des Verbots hat die Regierung Draghi einen Fonds von 157 Millionen Euro geschaffen: In erster Linie soll damit in den Hafen von Marghera investiert werden, wo die großen Kreuzfahrtschiffe in den nächsten Jahren anlegen werden. Ein Teil des Geldes ist aber auch für Entschädigungszahlungen an Unternehmen und Private reserviert, die aufgrund des Verbots finanzielle Einbußen erleiden werden. Der Präsident des Tourismusverbands der Region Venetien, Marco Michielli, bezeichnete die Entscheidung der Regierung als "guten Kompromiss". Die Wahl des Hafens von Marghera sei "die einzige Lösung gewesen, die sich kurzfristig realisieren lässt."

Wirklich nur eine Übergangslösung?

In der Tat handelt es sich nur um eine Übergangslösung: Langfristig sollen die Kreuzfahrtriesen ganz aus der Lagune mit ihrem gefährdeten Ökosystem verbannt werden, nicht nur aus der unmittelbaren Nähe der Altstadt Venedigs. Geplant ist ein Offshore-Terminal außerhalb der Lagune; von dort aus werden die Passagiere danach mit kleineren Booten nach Venedig gebracht. Entsprechende Pläne sind bereits vorhanden; bis das Projekt realisiert sein wird, dürften aber noch mehrere Jahre vergehen.

Dass in unmittelbarer Zukunft auch die großen Schiffe weiterhin in die Lagune fahren dürfen, ist für Andrea Carandini, den Präsidenten der italienischen Umweltorganisation Fondo per l'Ambiente, ein Wermutstropfen: "Wir freuen uns natürlich für Venedig, aber nicht für die Lagune." Denn um die Schiffe nach Marghera umleiten zu können, müssten die bestehenden Fahrrinnen zum Containerterminal vertieft werden, was für das Ökosystem der Lagune ebenfalls schädlich sei.

Carandini fehlt auch ein wenig der Glaube daran, dass es sich bei Marghera bloß um eine vorläufige Lösung handle: "Ich frage mich, wie provisorisch eine Maßnahme ist, für die mehr als 100 Millionen Euro investiert werden – solche Summen werden in der Regel für langfristige Strukturen ausgegeben", betont Carandini. (Dominik Straub, 14.7.2021)