Das Schreiben mit der Garantiekündigung lag über ein Jahr ungeöffnet auf Peter Weinzierls Schreibtisch.

Foto: Matthias Cremer

Die Republik Österreich hat im Insolvenzverfahren der früheren Meinl Bank – die ab Juni 2019 unter Anglo Austrian AAB Bank AG firmierte – fast 116,5 Millionen Euro an Forderungen angemeldet. Dabei geht es um – strittige – Abgaben, die die Finanz vom früheren Bankhaus sehen will.

Selbigem haben die Bankenaufseher von der EZB im November 2019 die Lizenz entzogen, in der Folge ging die Bank, die Julius Meinl V. zuzurechnen war, pleite. Am 2. März wurde am Handelsgericht Wien ein Konkursverfahren eröffnet, die Anglo Austrian AAB wird abgewickelt. Ein Großteil der Forderung der Finanz entfällt auf Körperschaftssteuern, dazu sind Verfahren am Bundesfinanzgericht anhängig.

Garantie als größtes Asset

Allerdings wiegte man sich bei der Eröffnung der Insolvenz im Glauben, dass es zur Absicherung von bestimmten Abgabenforderungen eine Garantie gebe. Konkret hatte eine den Eigentümern nahestehende Gesellschaft auf den Kaimaninseln 2014 eine Haftung über 38 Millionen Euro übernommen, für Abgabenverbindlichkeiten, die sich aus den Betriebsprüfungen für die Jahre 2003 bis 2014 ergeben könnten. Warum das wichtig ist: Diese Garantie war (oder ist) der größte einzelne Vermögensbestandteil der Konkursmasse. Und aus der werden am Ende des Verfahrens die Gläubiger bezahlt.

Möglicherweise gibt es diese Garantie aber gar nicht, wie Masseverwalter Georg Freimüller im März draufkam. Denn, so berichtete er damals dem Handelsgericht: Bereits am 10. Februar 2020 (also kurz vor Insolvenzeröffnung) hatte die Gesellschaft die Garantie gekündigt. Das teilte sie der Bank an dem Tag in einem Schreiben mit, das per Boten zugestellt wurde "mit dem Auftrag, es Herrn MMag. Peter Weinzierl persönlich auszufolgen". Laut Bericht Freimüllers deponierte eine Mitarbeiterin das Schreiben auf seinem Schreibtisch. Wie es weiterging? Selbige Mitarbeiterin habe das Schreiben am 1. März 2021 (sic) ungeöffnet entdeckt, aufgemacht und die Garantie-Aufkündigung gefunden.

Kein Wort verloren

"Ungeklärt" sei, warum das an den Vorstand der AAB adressierte Schreiben nicht an die damaligen Vorstandsmitglieder übergeben wurde, sondern an Weinzierl. Der Masseverwalter lässt nun prüfen, ob die Kündigung der Garantie zu Recht erfolgte.

Was ihm abseits dessen aber "bemerkenswert" erscheint: Keiner von den Leuten, die "von der Kündigung eigentlich Bescheid wissen müssten", haben je einen Hinweis darauf gegeben. Dem Masseverwalter erscheint es "unvorstellbar", dass die "maßgeblichen für die AAB handelnden Personen" nichts von der Kündigung wussten bzw. sie nie erwähnten, obwohl die Garantie öfter Thema war.

Neben Weinzierl erwähnt Freimüller ausdrücklich auch Julius Meinl V., mit dem er monatelang Vergleichsverhandlungen geführt habe, in denen auch die Garantie Thema gewesen sei. Über deren Kündigung dürfte er kein Wörtchen verloren haben. (Renate Graber, 15.7.2021)