Geht es nach dem Gesundheitsminister, dann gelten für die Nachtgastro künftig bald strengere Regeln.

Foto: APA/dpa/Thomas Frey

Wien – Alles, was Spaß mache, sei bald wieder erlaubt, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei der Verkündung von Lockerungen noch vor wenigen Wochen. Auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sprach von einem "Sommer wie damals", der heuer wieder möglich werden solle. Diese Ankündigungen stehen auf sehr wackeligen Beinen. Denn aufgrund der aktuell stark steigenden Infektionszahlen fand am Donnerstagvormittag eine Sitzung der Corona-Taskforce im Bundeskanzleramt statt, bei der über Verschärfungen der Maßnahmen diskutiert wurde – oder zumindest über das Absehen von bereits angekündigten Lockerungen. Um zehn Uhr startete die interne Videokonferenz der Taskforce, der neben dem Gesundheitsministerium unter anderem auch das Innen- und das Tourismusministerium angehören.

Mit seiner damaligen Aussage hat Mückstein vermutlich nicht die Fehler gemeint, die Expertinnen und Experten dem Corona-Management im letztjährigen Sommer attestierten: Zu lange habe man bei der rasanten Entwicklung der Infektionszahlen zugeschaut, zu spät die Reißleine gezogen. Offenbar will man das nun vermeiden. Am Mittwochnachmittag war von weiteren Maßnahmen zwar noch keine Rede. Doch wenige Stunden später twitterte Mückstein: "Wir müssen nun rasch gegensteuern und diskutieren daher intensiv, welche Maßnahmen wir kurzfristig setzen können." 90 Prozent der Neuinfektionen seien bereits auf die stark ansteckende Delta-Variante zurückzuführen. "Diese Entwicklung ist für mich Anlass zu Sorge und Vorsicht. Denn die Infektionen werden auch zu einem Anstieg der Hospitalisierungen führen", sagte der Minister.

Angedachte Maßnahmen im Überblick

Das Gesundheitsministerium spricht sich deshalb für eine Verschärfung der aktuell geltenden Maßnahmen aus. Die Vorschläge, die das Ministerium als "Diskussionsgrundlage" in der Taskforce-Sitzung einbrachte, liegen dem STANDARD vor. Am frühen Donnerstagnachmittag war die Taskforce-Sitzung, die auf Beamtenebene stattfand, jedenfalls schon vorbei. Das Gespräch sei "konstruktiv" gewesen, heißt es seitens des Gesundheitsministeriums zum STANDARD. Es habe einen Konsens darüber gegeben, dass man "aktuelle Maßnahmen setzen muss". Details seien aber noch in Abstimmung.

Die Vorschläge von Mückstein beinhalten:

  • grüner Pass erst ab Vollimmunisierung (statt wie bisher bereits mit Erstimpfung)
  • Ein-G-Regel in der Nachtgastronomie (Zutritt nur für Geimpfte)
  • PCR-Test-Erfordernis bei der Einreise aus Risikogebieten
  • Erweiterung der Risikogebiete
  • Kontaktdatenerhebung aufrechterhalten (diese sollte ursprünglich ab 22. Juli fallen)
  • verschärfte Kontrollen an den Grenzen, in der Gastro etc.

Aufruf zum Impfen

"Durch eine Steigerung der Durchimpfungsraten sowie eine rechtzeitige und gezielte Rücknahme von Öffnungsschritten bzw. ein Absehen von weiteren Lockerungsschritten kann die bedrohliche Entwicklung vermutlich noch eingebremst werden", heißt es laut einer Lageeinschätzung des Gesundheitsministeriums. Und weiter: "Bei zögerlichem Verhalten ist zu erwarten, dass gravierende Maßnahmen zur Eindämmung, wie etwa Teil-Lockdowns, notwendig sein werden."

Sofern mit diesen Gegenmaßnahmen keine hinreichende Kontrolle des Pandemiegeschehens erzielt werden könne, wären weitere Maßnahmen angedacht: Darunter könnten etwa die Ausdehnung der Drei-G-Regel auf weitere Lebensbereiche, Änderungen beim Thema Mund-Nasen-Schutz, beim Thema Abstandsregeln und beim Thema Zutrittsbeschränkungen fallen.

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach davon, den Themen Nachtgastro und Reiserückkehrer mehr Aufmerksamkeit widmen zu wollen. Kurz selbst, der sich noch in den USA befindet, nahm an der Sitzung der Taskforce allerdings nicht teil.

Zentrale Strategie bleibt zudem weiterhin das Setzen auf eine möglichst hohe Durchimpfungsrate. In einer gemeinsamen Aussendung appellierten Mückstein und Kurz am Mittwochabend an junge Menschen, sich impfen zu lassen. 70 Prozent der Neuinfektionen betreffen derzeit unter 35-Jährige. Insgesamt haben 48 Prozent in Österreich derzeit einen vollständigen Impfschutz. Dem gegenüber stehen etwa 20 Prozent der 15- bis 24-Jährigen und 30 Prozent der 25- bis 34-Jährigen. Für Jüngere existieren freilich noch nicht so lange Impfangebote.

Ärztekammer-Präsident mahnt zur Vorsicht

Am 22. Juli soll laut aktuellen Plänen auch die Maskenpflicht für Kundinnen und Kunden im Non-Food-Handel fallen. Die FFP2-Masken gehören in den meisten Bereichen bereits jetzt der Vergangenheit an. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres spricht sich hier für ein Umdenken aus: "Das Tragen einer FFP2-Maske ist natürlich nicht lustig, aber es ist eine relativ harmlose Maßnahme, die doch Infektionen verhindert", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. "Indoor würde ich FFP2 lassen."

Szekeres ist Mitglied des Beraterstabs der Corona-Taskforce. Der Regierung empfiehlt er mit Nachdruck, aktuell angekündigte Lockerungen zu überdenken: "Die Discos in einer Woche vollständig öffnen, das würde ich nicht machen. Eine Person kann im schlimmsten Fall hunderte Personen anstecken." Auch bei Großveranstaltungen müsse man "sehr vorsichtig" sein. Ebenso solle man davon absehen, eine Impfdosis als Nachweis einer geringen Ansteckungsgefahr einzustufen. Diese Einschätzung sei zum Zeitpunkt des Beschlusses in Ordnung gewesen, meint Szekeres. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen solle man hier aber "Ausdehnen auf Vollimmunisierung". Das sieht das Gesundheitsministerium auch so.

Zudem brauche man Infos darüber, wie viele geimpfte Personen unter den Neuinfizierten sind, um zu sehen, ob sich auch Geimpfte verstärkt anstecken, meint Szekeres: "Diese Daten muss man anonymisiert miteinander verknüpfen."

Eigenverantwortung

Als Schwachstelle der aktuellen Drei-G-Strategie sieht Szekeres aber vor allem die Tests, die zum Teil mehrere Tage als Zutrittskarte gelten. Zudem sollen die Regeln "ordentlich überprüft" werden. Mit einer neuen Verordnung bekamen die Behörden hier ein neues Instrument in die Hand: Seit Mittwoch ist es auch bei Verstößen gegen die Drei-G-Regeln möglich, Organmandate zu verteilen. Hat man einen entsprechenden Nachweis nicht dabei, drohen 90 Euro Strafe, sofern man eine Anzeige vermeiden will. Seitens des Gesundheitsministeriums heißt es, dass in dem Bereich niederschwellige Schwerpunktkontrollen angedacht seien, auch in Zusammenarbeit mit der Polizei. Die konkreten Schwerpunktsetzungen obliegen allerdings den Bundesländern.

Kurz hatte noch am Wochenende für mehr Eigenverantwortung statt staatlichen Schutz plädiert und gemeint, die Pandemie werde durch die Impfung "von einer akuten gesamtgesellschaftlichen Herausforderung zu einem individuellen medizinischen Problem". Darauf angesprochen meinte eine Sprecherin Mücksteins gegenüber der APA nun: "Das sind nicht die Worte des Ministers." (Vanessa Gaigg, 15.7.2021)