Bis mindestens Ende Juli wird im Großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen Wien gegen drei Männer und zwei Frauen, die den IS unterstützt haben sollen, verhandelt.

Foto: APA / Roland Schlager

Wien – Der Vorsitzende des Geschworenengerichts im Verfahren gegen drei Männer und zwei Frauen, denen die Unterstützung der Terrororganisation "Islamischer Staat" vorgeworfen wird, hat am vierten Verhandlungstag Mitleid mit seinen Laienrichterinnen und Laienrichtern. Bei der Vorführung von Propagandavideos spart er es sich, die Enthauptungen und Erschießungen von Gefangenen durch die Islamisten vorzuführen, sondern stoppt die erstaunlich reibungslos funktionierende Vorführung der Filme immer rechtzeitig.

Die im Jahr 2012 beginnenden Aufnahmen bieten auch so genügend interessante Hinweise auf die teils krude Gedankenwelt der religiösen Fanatiker. So bemerkt man, dass sich selbst die Sprache ändert. Beim Drittangeklagten Bernd T., einem Steirer, der mit 17 zum Islam konvertiert ist und sich eingestandenermaßen danach immer stärker radikalisierte, beispielsweise. Bei seinen Aussagen im Großen Schwurgerichtssaal bedient er sich teils des breiten Dialekts seines Herkunftsbundeslands.

Auftritte mit verurteiltem Terroristen

Ganz anders in den im Internet veröffentlichten Videos, die ihn unter anderem bei Auftritten mit dem verurteilten österreichischen Terroristen Mohamed Mahmoud zeigen, der mutmaßlich 2018 in Syrien ums Leben gekommen ist. Der Drittangeklagte spricht dort in einem seltsamen, teilweise grammatikalisch inkorrekten bundesdeutschen Jargon, wie er in der islamistischen Szene damals offenbar en vogue gewesen ist.

In der Sache sollen die Aufnahmen aus Sicht des aus Graz angereisten Staatsanwaltes demonstrieren, wie der Drittangeklagte immer mehr in den Fundamentalismus abglitt. "Wir werden die Herrschaft auf dem gesamten Planeten übernehmen", ist unter anderem zu hören. Der vollbärtige T. trägt auch eine Haube, in die das islamische Glaubensbekenntnis gewebt ist – auch Erstangeklagter Turpal I. soll laut dem Drittangeklagten ein derartiges Accessoire besessen haben.

I.s Verteidiger Florian Kreiner sieht sich dagegen von anderen vorgeführten Filmen darin bestätigt, dass sein Mandant Opfer einer Verwechslung sei. Der 32-jährige Tschetschene soll laut Anklage unter dem Kampfnahmen "Abu Aische", zu Deutsch "Vater der Aische", in Syrien an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein. Es stimme zwar, dass I. Vater einer Tochter dieses Namens sei, argumentiert Kreiner. Allerdings sei der häufig, als Beleg dafür lässt er Youtube-Videos eines "Abu Ajsha" vorspielen, der seiner Tochter Lieder vorsingt. Auch in einem offenbar in einem syrischen Dattelhain aufgenommenen Film kommt ein "Abu Aische" vor, der nicht der Erstangeklagte ist.

Belastende Aussagen des Mitangeklagten

Umgekehrt wird I. aber vom Drittangeklagten T. schwer belastet – der Steirer sagte, der ihm bereits aus Österreich bekannte I. sei es gewesen, der ihn im Herbst 2013 an der türkisch-syrischen Grenze abgeholt habe und mit Führungskräften der gegen das Assad-Regime kämpfenden "Freien syrischen Armee" und islamistischer Gruppierungen bekanntgemacht habe.

Am Mittwoch hatte I. das bei seiner Aussage bestritten. Nach Syrien sei er gegangen, um das Grab seines Schwagers zu suchen, der im Mai 2013 bei Kämpfen gegen die Assad-Truppen ums Leben gekommen sein soll. Vom Gedankengut des "Islamischen Staates" habe er "aus der Zeitung" erfahren, er sei "kein Anhänger" gewesen, behauptete der Erstangeklagte. Er habe "Vorträge gehört" und sich "an der tschetschenischen Tradition" orientiert, aber nicht an radikalen Gedanken. Die in Syrien aufgenommenen Bilder, die ihn mit einem Sturmgewehr in der Hand zeigen, begründet I. damit, dass er nur für die Fotos mit der Waffe posiert habe. An Kampfhandlungen habe er sich aber nie beteiligt, erst recht sei er kein Anführer gewesen.

Verfassungsschützer mit Powerpoint-Präsentation

Dem widerspricht Donnerstagnachmittag der in der tschetschenischen Community gut bekannte Verfassungsschutzbeamte mit der Dienstnummer 3874 als Zeuge. Er präsentiert einen Powerpoint-Vortrag, in dem er den Weg I.s vom erfolgreichen Kampfsportler zum Jihadisten nachzuzeichnen versucht. Demnach hätten die polizeilichen Ermittlungen sehr wohl Zeugenaussagen gebracht, wonach I. in Syrien bewaffnet und einflussreich gewesen sei.

Der bis mindestens Ende Juli anberaumte Prozess wird am Montag fortgesetzt. (Michael Möseneder, 15.7.2021)