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Wien – Dass der allerletzte Befragungstag des Ibiza-Untersuchungssausschusses noch dazu führen könnte, eine Abgeordnete umzustimmen, damit war sowieso nicht mehr zu rechnen: Wer den Eindruck gewonnen hatte, dass der Ausschuss vor allem schmutzige Geschäfte der ÖVP aufgedeckt hätte (die Opposition und die Grünen), würde genauso dabei bleiben wie jene, die die Arbeit der letzten 13 Monate für Steuergeldverschwendung halten (die ÖVP). Und nachdem sämtliche Auskunftspersonen für den letzten Tag abgesagt hatten und sich die Abgeordneten nur für Formalbeschlüsse trafen, blieb ihnen nur, Bilanz zu ziehen.

Der türkise Fraktionführer Andreas Hanger zum Beispiel bleibt dabei, das sei "kein Untersuchungsausschuss, sondern ein Unterstellungsausschuss" ohne inhaltlichen Erkenntnisgewinn gewesen. Dafür aus Sicht des VP-Abgeordneten mit einigen "Tiefpunkten", zum Teil sei da "wirklich in die Dreckkiste" gegriffen worden. Er zählt die "Top Ten" auf – etwa den "Oasch"-Sager der Neos-Mandatarin Stephanie Krisper, Anzeigen der Opposition, angebliche Leaks aus dem Justizministerium, mit Füßen getretene Persönlichkeitsrechte, als unterschlagen bezeichnete Mails, die sich aber sehr wohl in den Akten gefunden hätten, die rot-pinke Forderung nach Gesundheitsdaten der Novomatic-Angestellten oder die Verurteilung des grünen Klubs wegen Verleumdung.

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Kai Jan Krainer von der SPÖ, der sich besonders gerne mit Hanger matcht, will dagegen eine besonders deutliche Erkenntnis erlangt haben: nämlich "wie hier die türkise ÖVP einen Staat im Staat aufgebaut hat, an den Rechtsgrundsätzen der Republik vorbei". Und: Wie die Volkspartei die Arbeit des Ausschusses behindert habe, und zwar durch aktenzurückhaltende Ministerien, die türkise Fraktion im Ausschuss und den Vorsitzenden Wolfgang Sobotka. Am 21. September endet der U-Ausschuss formal, danach müssen alle gelieferten Akten vernichtet werden. Der 22. September werde deshalb wohl "ein Freudentag für die ÖVP sein – ich glaube, es ist kein Freudentag für alle, die an Aufklärung interessiert sind", sagt Krainer.

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FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker trat am Donnerstag wieder vor die Medien, nachdem er aus der Quarantäne entlassen wurde. Er bestreitet, Patient null des U-Ausschuss-Clusters gewesen zu sein, wegen der geringen nachgewiesenen Viruslast könne er gar niemanden angesteckt haben. Die ÖVP habe ihn und seine Familie dennoch "durch den Dreck gezogen". Politisch befindet Hafenecker, der U-Ausschuss sei einer der erfolgreichsten nach der aktuellen Geschäftsordnung gewesen, "wenn nicht der erfolgreichste". Man habe einen "tiefen Staat" der ÖVP aufdecken können. Die Geschäftsordnung müsse aber so geändert werden, dass sie einen "Extremfall Sobotka" verhindern könne.

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Nina Tomaselli, die das grüne Team anführte, fand den Ausschuss "doch ergiebiger, als ich anfangs vermutet hätte". Die Beweise hätten ihre These untermauert, dass die türkis-blaue Regierung "für wohlhabende Freunde und Spender da war und nicht für die Bevölkerung". Man habe gesehen, dass die Causa Öbag eine "geschobene Partie" gewesen sei. Es habe sich infolge der Aufklärungsarbeit bereits ein "politischer Selbstreinigungsprozess in Gang gesetzt", die Republik werde "ein Stück weit sauberer". Auch glaubt Tomaselli, dass die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ohne den U-Ausschuss nicht so weit fortgeschritten wäre. Sie wünscht sich, dass die Opposition sofort nach Ende dieses U-Ausschusses im September einen neuen einsetzt – die Grünen hatten ja aus Koalitionsräson mit der ÖVP gegen eine weitere Verlängerung des Ausschusses gestimmt: "Sicher wär's mir anders lieber, aber es ist halt so, wie es ist."

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Nikolaus Scherak ist Vizeklubchef der Neos und sprang am Donnerstag für die im Rahmen des Ausschussclusters erkrankte pinke Fraktionsführerin Krisper ein. Die Aufforderung Tomasellis, die Opposition möge doch bei nächster Gelegenheit einen neuen Ausschuss einsetzen, empfindet er als "Verhöhnung der Frage der Kontrollarbeit im Parlament". Es gebe ein einfaches Mittel zur Weiterführung dieser Kontrollarbeit, und das sei die Verlängerung des U-Ausschusses – warum die Grünen diesem nicht zugestimmt hätten, sei ihm "schleierhaft". Genauso wie die Frage, warum die Bundesregierung "bis jetzt säumig ist, das Parteienfinanzierungsgesetz endlich vorzulegen", um durch Ibiza offensichtlich gewordene Lücken zu schließen.

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Sitzung ohne Auskunftspersonen

Im Anschluss an die Medienstatements trafen sich die Abgeordneten zur anberaumten Sitzung, allerdings wie gesagt, ohne Auskunftspersonen zu befragen. In vier Wochen sollen die Abschlussberichte der Parteien zum Ibiza-U-Ausschuss vorliegen, jede von ihnen schreibt dafür ihren eigenen. Dabei können auch die jüngsten Aktenlieferungen aus dem Finanzministerium noch berücksichtigt werden.

Im Herbst soll es, das scheint der Wunsch aller Fraktionen zu sein, eine Änderung der Geschäftsordnung für U-Ausschüsse geben. Eine Liveübertragung der Befragung von Politikern dürfte so weit außer Streit stehen, die ÖVP fordert im gleichen Atemzug aber auch einen stärkeren Schutz der Persönlichkeitsrechte von Befragten und Betroffenen. (Sebastian Fellner, 15.7.2021)