Alles so schön bunt hier: Android 12 und sein "Material You".

Foto: Proschofsky / STANDARD

Android 12 schickt sich an, das größte Update für Googles Betriebssystem seit Jahren zu werden – zumindest was für die Nutzer sichtbare Veränderungen anbelangt. Unter dem Namen "Material You" hat der Softwarehersteller Mitte Mai ein neues Designsystem vorgestellt, auf dessen Basis der Look von Android – aber auch anderer Google-Produkte – komplett überholt werden soll. Ein nicht gerade kleines Unterfangen, insofern verwunderte auch nicht, dass in der ersten Betaversion noch vieles vom Vorgezeigten fehlte. Die im Juni veröffentlichte zweite Beta holte dann zwar manches nach, aber auch noch immer nicht alles. Mit einer neuen Testversion scheint "Material You" nun weitgehend vollständig zu sein – und sie bringt gleich noch einige neue Funktionen mit sich.

Material You

Google hat die Android 12 Beta 3 veröffentlicht. Damit gibt es nun vor allem jenes Farbsystem, dass den Kern des "You" in "Material You" ausmacht in vollem Umfang. Anhand des Hintergrundbilds wird eine Farbpalette erstellt, die für Highlights und Hintergründe benutzt wird. In der neuen Testversion kann dabei nun zwischen vier verschiedenen Paletten für jedes Wallpaper gewählt werden. Zudem ist es auch möglich, ganz klassische manuell Highlight-Farben auszuwählen. Passend dazu würde übrigens auch die zugehörige Theming-App umgestaltet.

Einige Impressionen aus der Android 12 Beta 3: Über die Einstellungen kann dabei eine Farbpalette gewählt werden, der Autor hat sich bewusst für eine poppige Variante entschieden. Vom Haus vorgesehen wäre der Look etwas dezenter – siehe den ganz rechten Screenshot.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Dort findet sich noch eine andere interessante Option: Es ist nun nämlich möglich, die Icons auf dem Homescreen in einer monochromen Variante darzustellen, die auch die "Material You"-Farben übernimmt. Voraussetzung ist natürlich, dass die jeweilige App ebenfalls solch ein Icon anbietet. Derzeit ist das wenig überraschend nur bei Google-Apps der Fall, dort aber tatsächlich schon bei fast allen. Das ist erfreulich, andere Icon-Evolutionsstufen des Unternehmens haben sich ja eher in Superzeitlupe durch die unterschiedlichen Abteilungen von Google verbreitet. Dieses Feature ist wie gesagt optional, es ist aber eine durchaus interessante Option, um den vielkritisierten aktuellen Google-Icons mit ihren immer selben vier Farben zu entgehen. Auch die Google-Suchbox präsentiert sich übrigens etwas dezenter.

Monochrom

Eine weitere Änderung beim Look hat sich schon anhand früherer Screenshots abgezeichnet. Die kurze Periode von bunten Kategorie-Icons in den Systemeinstellungen ist wieder vorbei. Auch hier nutzt man nun einen monochromen Look, der mit einer automatisch ausgewählten Farbe anhand des Wallpapers unterlegt wird. Angemerkt sei, dass diese automatische Palettenerstellung vorerst Googles eigenen Pixel-Smartphones vorbehalten bleiben soll, der generelle Look soll aber allen Herstellern zur Verfügung stehen. Welche ihn dann in welcher Form übernehmen, muss sich natürlich erst zeigen.

Scrollende Screenshots

Zu den neuen Funktionen gehört eine, die in den vergangenen Jahren von Fans lautstark gefordert wurde – und bei vielen Android-Varianten ohnehin schon vorhanden ist: scrollende Screenshots. Nach dem Aufnehmen eines Bildschirmfotos gibt es nun die Möglichkeit, einen längeren Bereich über mehrere Screens hinweg auszuwählen. Das funktioniert in der aktuellen Beta noch nicht ganz fehlerfrei, und der Support für Browserinhalte soll später nachgereicht werden, trotzdem erweist sich das schnell als nützliches Feature.

Auch die Hintergrundfarbe wird über das Theme bestimmt. Ebenfalls zu sehen: die neuen scrollenden Screenshots beziehungsweise die Möglichkeit, hier einen Bereich festzulegen.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Die Beta 3 bringt zudem eine neue, smarte Autorotate-Funktion. Diese soll mithilfe der Frontkamera erkennen, wie die Nutzer gerade den Kopf halten, um dann etwa beim Liegen im Bett auf ein Rotieren zu verzichten. Dabei kommt Maschinenlernen zum Einsatz, das wiederum im Umfeld einer der zentralen Privacy-Verbesserungen von Android 12 läuft: des Private Computer Cores. Dabei handelt es sich um einen strikt vom restlichen System abgetrennten Hochsicherheitsbereich, in dem solche sensiblen Aufgaben privatsphärenfreundlich erledigt werden sollen. So gibt es dort etwa keinerlei Netzwerkzugriff, um die Übertragung gesammelter Daten generell zu unterbinden. Wer das trotzdem nicht mag, der kann beruhigt werden: Auch dieses Feature ist optional und von Haus aus nicht aktiviert.

Setup und Games

Zu den weiteren Neuerungen gehört eine Neugestaltung der Dialoge zur Einrichtung eines neuen Smartphones. Außerdem ist es über die Task-Übersicht nun direkt möglich, den Link einer gerade geöffneten Website zu teilen. Zudem wurde jene Spezialeinstellung für Spiele übernommen, die Google erst vor wenigen Tagen angekündigt hat. Diese lassen sich derzeit aber noch nicht nutzen, da das zugehörige Google-Play-Games-Update noch fehlt.

Betont sei, dass all das nur die Änderungen in der Beta 3 sind, in früheren Testversionen wurden unter anderem zahlreiche Privatsphärenverbesserungen vorgenommen – darunter auch ein Privacy Dashboard, das haarklein auflistet, welche Apps wann auf welche Berechtigung zugegriffen haben.

Ausblick und Warnung

Mit der neuen Testversion bezeichnet Google die neuen Programmierschnittstellen (APIs) für Android 12 jetzt als stabil, was heißt, dass bis zur fertigen Version keine API-Änderungen mehr vorgenommen werden. Dies ist insofern als eine Startschuss für App-Entwickler zu verstehen, ihre Programme an die Neuerungen anzupassen. Mit der nächsten Testversion soll es dann bereits möglich werden, Apps, die Android 12 adressieren, in den Play Store hochzuladen. Die nächste ist übrigens auch schon die letzte geplante Testversion. Sie dürfte dann bereits weitgehend der fertigen Version von Android 12 entsprechen, die Anfang September folgen sollte.

Die Beta 3 von Android 12 gibt es derzeit für Googles eigene Smartphones zurück bis zum Pixel 3. Wer die nötige Hardware hat und die Version ausprobieren will, der kann dies über eine Anmeldung beim Android-Beta-Programm. Anschließend wird ein entsprechendes Update direkt an das eigene Gerät geschickt. Wie immer in solchen Fällen betont der Hersteller aber, dass Testversionen auch noch diverse Fehler aufweisen können, man sollte sich also auf eine reduzierte Stabilität oder auch schwächere Akkulaufzeit einstellen. In diesem Fall ist das auch keine bloße Theorie, im Test ist vor allem in der Interaktion mit dem Homescreen und den neuen Icons sowie dem Farbsystem noch so mancher Fehler aufgefallen. (Andreas Proschofsky, 15.7.2021)