Als Kind im KZ auf Java, später Mutter und Hausfrau, dann digitale Pionierin und emanzipierte Künstlerin: Margot Pilz.
Foto: Kunsthalle Wien, 2020

Die Polizisten packten ihren Oberarm so fest, dass sich später Hämatome darauf bildeten. Es war das Frauenfest 1978 im Haus der Begegnung in Wien, Margot Pilz war Fotografin und 42 Jahre alt. Überzogen brutal attackierten die drei Polizisten die Frauen, die sich auf dem vollen Gehsteig eingefunden hatten. Pilz wurde als "Rädelsführerin" verhaftet und musste schließlich eine Geldstrafe bezahlen. Diese Erniedrigung der männlichen Obrigkeit löste Ohnmacht aus, die sich dann in Zorn verwandelte. "Das war der große Auslöser", sagt die Künstlerin heute.

Ihre Kunst wurde zum Ventil, sie selbst zur Protagonistin. Davor hatte Pilz, die als Werbefotografin tätig war, auch schon künstlerisch fotografiert, jedoch nie sich selbst. Ihre Sekundenskulpturen inszenierte sie sich dann zusammengekauert in ihre Jacke gehüllt, mit Gurten verschnürt oder mit geballten Händen.

Pilz stellte ihre Fotografien in der Galerie im Griechenbeisl aus. Das war ihre "künstlerische Initialzündung" schreibt Journalistin Nina Schedlmayer in der kürzlich erschienenen Margot-Pilz-Biografie. Dennoch begann die Karriere der Künstlerin erst viel später.

20 Jahre zu spät

Heute steht die 85-Jährige im Scheinwerferlicht, im Herbst wird ihre bisher größte Einzelausstellung in der Kunsthalle Krems eröffnen. Sieht man sich die Liste ihrer Ausstellungen an, verdichtet sich diese erst in den letzten paar Jahren. So wurden ihre Werke mit jenen ihrer Kolleginnen in der Schau Feministische Avantgarde Made in Austria der Sammlung Verbund sowie auch der Eröffnungsausstellung The Beginning der Albertina Moderngezeigt.

"Leider kommt das Ganze 20 Jahre zu spät. Vor zehn Jahren wäre alles leichter gegangen" sagt Pilz. "Und verdienen tu ich null", fügt sie frustriert hinzu. Dennoch sind ihre Motivation und ihr kritischer Geist ungebrochen.

Hätten ihre Werke von einem Mann gestammt, wären diese sicherlich schneller bekannter geworden, ist sie sich sicher. Mit ihrer bekanntesten Aktion, Kaorle am Karlsplatz, verwandelte sie den damals nicht als Freizeitort genutzten Platz vor der Karlskirche in einen Stadtstrand. Anlässlich der Wiener Festwochen 1982 ließ sie tonnenweise Sand aufschütten, Palmen aufstellen, Frauen im Bikini und spielende Kinder erregten Aufmerksamkeit.

Allerdings nicht die mediale Resonanz, die öffentliche Arbeit verdient hätte. Auch gilt Pilz heute als eine der ersten Künstlerinnen, die sich mit digitaler Kunst beschäftigten. Damals sagte man ihr, das wäre keine Kunst.

Überleben unter Männern

In der Biografie berichtet Pilz, die 1936 in Haarlem in den Niederlanden geboren wurde und 1938 in die ehemalige Kolonie Niederländisch-Indien (Indonesien) emigrierte, ausführlich über die furchtbare Zeit, die sie als Kind mit ihrer Mutter auf Java im Konzentrationslager der japanischen Besatzungsmacht inhaftiert war. Nach der Befreiung 1945 kehrte die Familie in die Niederlande zurück. Jahrzehntelang sprach Pilz nicht darüber, erst 2014 verarbeitete sie das Trauma in der Performance Once Upon My Time im Künstlerhaus Wien.

Mit 18 Jahren zog sie nach Wien und begann an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt zu studieren, an der sie 1976 ihre Meisterprüfung in Fotografie ablegte. Wie schlimm die Situation für junge Studentinnen dort war, berichtet Pilz heute. In der Dunkelkammer befummelt zu werden sei normal gewesen. Auch künstlerisch schlug ihr anfangs wenig Unterstützung entgegen, oft herrschte der Tenor vor: Frauen können keine gute Kunst machen. "Man musste sehr stark sein. Manche haben aufgegeben – ich aber nicht", erzählt Pilz.

Ausbruch aus dem Schatten

Doch auch ihre eigene Emanzipation dauerte. Nach ihrer Ausbildung heiratete sie den Bildhauer Fritz Pilz, wurde Hausfrau, Mutter. Zwar brachte ihr Mann ihr viel bei, unterstützte sie aber kaum in ihrem Wunsch, als Künstlerin zu arbeiten – sie stand in seinem Schatten und dufte seine Skulpturen fotografieren.

Wie hart ihr Kampf für Anerkennung und gegen patriarchale Strukturen war, ist auch an ihren politischen Arbeiten wie dem rein weiblich besetzten Letzten Abendmahl oder dem Hausfrauendenkmal ersichtlich, das sie erstmals 1979 beim Steirischen Herbst und 2020 am Wiener Karlsplatz erneut aufstellte.

Im Vorstand der IntAkt (Internationale Aktionsgemeinschaft bildender Künstlerinnen) kämpfte sie mit Künstlerinnen wie Karin Mack oder Renate Bertlmann für mehr Sichtbarkeit, unter anderem für die Besetzung Maria Lassnigs als erste Professorin an der Hochschule für angewandte Kunst. "Wir haben sehr viel erreicht", blickt sie sichtlich stolz zurück. (Katharina Rustler, 16.7.2021)