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Fest steht: Die Delta-Variante ist infektiöser als bisherige Varianten.

Foto: Getty Images

90 Prozent der Neuinfektionen sind bereits auf die Delta-Variante zurückzuführen – das verkündete Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein am Mittwoch via Twitter. Diese Entwicklung, so Mückstein, sei "Anlass zu Sorge und Vorsicht". Doch was weiß man bisher über die Delta-Variante? Ein Überblick.

Wie infektiös ist die Delta-Variante?

Dass die Delta-Variante infektiöser ist als der Viruswildtyp und andere Varianten, ist durch mehrere Studien belegt. Eine globale Datenanalyse hat ergeben, dass sie um zwischen 40 und 60 Prozent ansteckender ist als die Alpha-Variante. Laut der britischen Gesundheitsbehörde steigt die Chance, sich im eigenen Haushalt zu infizieren, um 64 Prozent im Vergleich zur Alpha-Variante.

Der Grund dafür dürfte eine deutlich höhere Viruslast sein, zumindest direkt nach der Ansteckung. Sie könnte bis zu 1.000-mal höher sein, wie eine chinesische Studie am Guangdong Provincial Center for Disease Control, die kürzlich als Preprint veröffentlicht wurde, zeigt.

Die höhere Infektiosität von Delta hat Auswirkung auf das Erreichen einer Herdenimmunität: Dafür ist es laut Berechnungen des deutschen Robert-Koch-Instituts nun notwendig, dass mindestens 85 Prozent der Zwölf- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Senioren ab 60 Jahren vollständig geimpft sind – zuvor hatte man bei 80 Prozent mit einer Herdenimmunität gerechnet.

Welche Symptome löst die Delta-Variante aus?

Die Symptome nach einer Infektion haben sich verändert – allerdings vorwiegend bei jenen Infizierten, die bereits doppelt geimpft sind.

Statt Fieber und Husten treten öfter Symptome wie Kopfschmerzen, laufende Nase, Niesen und Halsschmerzen auf – ähnlich wie bei einer klassischen Verkühlung. Der typische Geschmacks- und Geruchsverlust rangiert erst auf Platz fünf der häufigsten Symptome. Das zeigen aktuelle Daten der ZOE Covid Study, für die im Vereinigten Königreich Infizierte via App ihre Symptome eingeben. Bei Ungeimpften bleibt Fieber weiterhin das Hauptsymptom.

Wie gefährlich ist die Delta-Variante?

Zentral ist derzeit die Frage, ob Delta gefährlicher ist als andere Varianten – sie kann jedoch noch nicht abschließend beantwortet werden.

In Schottland war laut einer Studie der schottischen Gesundheitsbehörde das Risiko, nach einer Infektion mit der Delta-Variante ins Krankenhaus eingewiesen zu werden, im Vergleich zur Alpha-Variante etwa doppelt so hoch. Ein besonders hohes Risiko hatten dabei Personen mit mehreren Vorerkrankungen.

Ähnlich fällt die Einschätzung des deutschen Robert-Koch-Instituts (RKI) aus: "Momentan deuten unsere Meldezahlen daraufhin, dass die Hospitalisierungsrate (Anm.: Bei der Delta-Variante im vergleich zur Alpha-Variante) doppelt so hoch ist", sagte der Leiter des RKI, Lothar Wieler, Ende Juni bei einer Pressekonferenz.

Als noch gefährlicher stellt sich die Delta-Variante laut einer Studie der University of Toronto dar, die derzeit jedoch nur als Preprint vorliegt. In die Auswertung wurden über 200.000 Fälle einbezogen – Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Vorerkrankungen hat man herausgerechnet. Die Zahlen im Detail: Die Delta-Variante führte zu 120 Prozent mehr Hospitalisierungen, 287 Prozent mehr Einlieferungen auf Intensivstationen und 137 Prozent mehr Todesfällen als der Viruswildtyp. Auch das könnte daran liegen, dass die Viruslast bei einer Infektion mit der Deltavariante zu Beginn um einiges höher ist.

Manche Expertinnen und Experten sind hingegen skeptisch. Die Epidemiologin Janet Baseman von der University of Washington und die Infektiologin Rebecca Wurtz von der University of Minnesota etwa sehen noch nicht genug Evidenz dafür, dass die Delta-Variante häufiger zu schweren Verläufen führt, wie sie gegenüber der New York Times sagen.

Was hat es mit Berichten auf sich, wonach die Delta-Variante weit weniger gefährlich ist als die Alpha- oder die Beta-Variante?

Zuletzt wurde ein Blog-Artikel verbreitet, dem zufolge britische Daten gezeigt hätten, dass die Delta-Variante "mindestens zehnfach weniger gefährlich" sei als frühere Varianten. Das ließe sich an der Case Fatality Rate (CFR), also der Fallsterblichkeit, erkennen, die niedriger sei als jene der Alpha- und Beta-Varianten.

Die CFR gibt an, wie viele der diagnostizierten Corona-Infizierten an der Erkrankung sterben. Tatsächlich ist diese Kennzahl bei der Delta-Variante in Großbritannien derzeit niedriger als jene von Alpha oder Beta. Während diese bei Delta im Juni 2021 bei 0,1 Prozent lag (bei einer Nachbeobachtung von 28 Tagen bei 0,3 Prozent), lag sie bei der Alpha-Variante bei 1,9 Prozent und bei Beta bei 1,4 Prozent.

Über Letalität im Vergleich zu anderen Varianten oder darüber, wie gefährlich die Delta-Variante ist, sagt die Kennzahl des CRF aber nichts aus. Das wird auch in einem aktuellen Bericht der britischen Gesundheitsbehörde betont: "Die Fallsterblichkeit ist nicht zwischen den Varianten vergleichbar, da diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Pandemie ihren Höhepunkt hatten." Zudem würden die Krankenhausauslastung, die Verfügbarkeit von Impfungen und deren Raten, Fallprofile, Behandlungsmöglichkeiten sowie Effekte der Meldeverzögerung neben anderen Faktoren eine Rolle spielen.

In einem Bericht vom Juni wird zudem festgehalten, dass die Fallsterblichkeit ein verzögerter Indikator ist. Das heißt: Die Anzahl der Fälle, die eine Nachbeobachtungszeit von 28 Tagen abgeschlossen haben, ist derzeit sehr gering. Es sei also zu früh, "um eine formale Bewertung der Sterblichkeit von Delta stratifiziert nach Alter im Vergleich zu anderen Varianten abzugeben".

Darauf weist auch Eva Schernhammer, Professorin für Epidemiologie an der Medizinischen Universität Wien, gegenüber der APA hin: "Meiner Meinung nach ist das ein Schlüsselstatement ‑ nämlich, dass man noch zu wenig weiß, was alters-stratifizierte Daten betrifft."

Die Case Fatality Rate von Covid-19 für Ältere und Junge sei von Beginn sehr unterschiedlich gewesen. Weil die Älteren nun großteils geimpft worden seien, betreffe Delta derzeit vorwiegend Jüngere. Laut Schernhammer müsse man deshalb auch beobachten, ob die eher geringere CFR der Jungen nun durch Delta im Vergleich zur CFR der Jungen bei der Alpha- oder der Beta-Variante, gestiegen ist. Schernhammers Eindruck ist, dass das der Fall sei – "allerdings befinden wir uns dann immer noch in einem sehr niedrigen Bereich, was die Sterblichkeit betrifft". (Eja Kapeller, Pia Kruckenhauser, APA, 16.7.2021)