Nun wird beim grünen Pass und Clubs nachgeschärft. Weitere Vorschläge des Gesundheitsministeriums fanden keine Einigung.

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Einen "Sommer wie damals", in dem "alles, was Spaß macht", wieder erlaubt sei, riefen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erst vor wenigen Wochen aus und kündigten weitere Lockerungen mit 22. Juli an. Doch diese Ankündigungen stehen nun auf sehr wackeligen Beinen.

Wegen der aktuell stark steigenden Infektionszahlen fand am Donnerstag eine Videokonferenz der Corona-Taskforce im Kanzleramt statt, bei der über Verschärfungen diskutiert wurde – oder zumindest über das Absehen von bereits angekündigten Lockerungen.

Mückstein erklärte Donnerstagabend, die aktuelle Ausbreitung der Delta-Variante sei für ihn "Anlass zur Sorge und ein klarer Handlungsauftrag". 90 Prozent der Neuinfektionen seien bereits darauf zurückzuführen. Diese Infektionen würden auch zu einem Anstieg der Hospitalisierungen führen. In der Sitzung der Corona-Taskforce seien verschiedene Handlungsmöglichkeiten besprochen worden, sagte Mückstein. Es sei "schnell eine Einigung" erzielt worden.

Diese verkündete Mückstein Donnerstagabend in einer Aussendung mit Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).

  • Grüner Pass: Ab 15. August gibt es das Zertifikat für den grünen Pass erst bei vollständiger Immunisierung. Das Zertifikat wird ab dem Tag der zweiten Impfung ausgestellt. Die Regelungen für Personen, die mit Johnson & Johnson geimpft werden, sowie für Genesene und Getestete bleiben unverändert. Bisher erhielt man das Zertifikat bereits am 22. Tag nach der Erstimpfung. Mit der Verschärfung nähert sich Österreich an das Vorgehen der EU-Kommission an. Diese sieht die Befreiung von der Testpflicht und von Quarantänebestimmungen bei Reisen generell erst für vollständig immunisierte Personen vor, deren Zweitstich 14 Tage zurückliegt.
  • Zwei Gs im Club: Die derzeit überall gültigen drei Gs – geimpft, genesen, getestet – in der Nachtgastronomie wollte das Gesundheitsministerium auf ein G verringern und den Zutritt nur noch für Geimpfte ermöglichen. Geeinigt hat man sich auf die Mitte und zwei Gs: Ab 22. Juli ist der Zugang zur Nachtgastronomie nur für geimpfte Personen sowie Personen mit einem negativen PCR-Testergebnis möglich, das maximal 72 Stunden alt ist.
  • Registrierung: Anders als noch vor wenigen Wochen geplant, wird die Kontaktdatenerhebung, also die Registrierung in der Gastronomie, bei Veranstaltungen et cetera erhalten bleiben und nicht ab 22. Juli fallen. Wien kündigte hier schon länger an, die Registrierpflicht beizubehalten.

"Sicherheit geht vor", erklärte Köstinger. Die Regierung habe immer vereinbart, dass "wir Maßnahmen zielgerichtet dort setzen werden, wo es notwendig ist, wenn die Infektionszahlen steigen". Niemand wolle die Rücknahme von Öffnungsschritten, daher würden jetzt Vorkehrungen in jenen Bereichen getroffen, "aus denen wir eine zunehmende Infektionsentwicklung feststellen".

In der "ZiB2" betonte Mückstein, dass man angesichts weiter steigender Zahlen frühzeitig reagieren müsse, um nicht die Fehler des vorigen Sommers zu wiederholen. Jetzt gebe es noch die Möglichkeit, "an kleinen Schrauben zu drehen". Wenn sich die Intensivstationen wieder füllen würden, wäre es zu spät.

ORF

Offene Punkte

Doch nicht alle Vorschläge, die das Gesundheitsressort am Donnerstag als "Diskussionsgrundlage" in der Taskforce-Sitzung eingebracht hat, die ohne Kanzler Kurz stattfand, wurden offenbar in der ÖVP gutgeheißen. Das Papier liegt dem STANDARD vor. Gefordert wurde darin etwa auch, dass an den Grenzen, in der Gastro oder im Schwimmbad künftig strenger kontrolliert würde, ob man geimpft, genesen oder getestet ist. Zuletzt häuften sich Berichte über laxe Überprüfungen der Drei-G-Regel. In der jüngsten Verordnung des Ministeriums wurde diese Woche bereits festgehalten, dass die Behörden künftig auch bei Verstößen gegen die Drei-G-Regel Organmandate ausstellen können. Hat man keinen Nachweis dabei, drohen 90 Euro Strafe, sofern man eine Anzeige vermeiden will.

Ebenfalls keine Zustimmung gab es bei den Tests: Das Gesundheitsressort wollte, dass bei der Einreise aus einem Risikogebiet der Antigentest nicht mehr reicht und PCR-Tests vorgeschrieben werden.

Durch die Steigerung der Durchimpfungsraten und die "rechtzeitige und gezielte Rücknahme von Öffnungsschritten bzw. ein Absehen von weiteren Lockerungsschritten" könne die "bedrohliche Entwicklung vermutlich noch eingebremst werden", heißt es laut einer Lageeinschätzung des Ministeriums. Bei "zögerlichem Verhalten" erwarte man, dass "gravierende Maßnahmen zur Eindämmung", wie etwa Teillockdowns, nötig würden.

Die Prognosen sind nämlich düster: Aktuell würden die Fallzahlen "deutlich" über den errechneten Werten liegen. Die aktuelle Prognose geht von einem deutlichen Anstieg aus. Es wird erwartet, dass die tägliche Fallzahl von 240 am ersten Prognosetag (14. Juli) auf 470 am letzten Prognosetag (21. Juli) ansteigt.

Impfen als zentrales Thema

Zentrale Strategie bleibt weiter, die Impfrate zu erhöhen – vor allem Junge sollen motiviert werden. 70 Prozent der Neuinfektionen betreffen aktuell unter 35-Jährige. Während 48 Prozent der impfbaren Bevölkerung in Österreich einen vollen Impfschutz haben, sind nur etwa 20 Prozent der 15- bis 24-Jährigen und 30 Prozent der 25- bis 34-Jährigen komplett immunisiert.

Sofern mit den aktuellen Maßnahmen keine hinreichende Kontrolle des Pandemiegeschehens erzielt werden kann, wären weitere Maßnahmen angedacht: Darunter könnten etwa die Ausdehnung der Drei-G-Regel auf weitere Bereiche oder Änderungen bei den Themen Maskenpflicht, Abstandsregeln und Zutrittsbeschränkungen fallen.

Am 22. Juli soll laut Plan eigentlich die Maskenpflicht im Handel (ausgenommen täglicher Bedarf) fallen. Die FFP2-Masken gehören in den meisten Bereichen bereits jetzt der Vergangenheit an. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres spricht sich hier für ein Umdenken aus: "Das Tragen einer FFP2-Maske ist nicht lustig, aber es ist eine relativ harmlose Maßnahme, die doch Infektionen verhindert", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. "Indoor würde ich FFP2 lassen."

Szekeres ist Mitglied des Beraterstabs der Corona-Taskforce. Der Regierung empfiehlt er mit Nachdruck, Lockerungen zu überdenken: Sowohl bei Discos als auch bei Großveranstaltungen müsse man "sehr vorsichtig" sein. Die Einschätzung, nur eine Impfdosis für Freiheiten zu verlangen, sei zum Zeitpunkt des Beschlusses in Ordnung gewesen, sagt Szekeres. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen solle man hier aber "ausdehnen auf Vollimmunisierung" – das sieht offenbar nun auch Mückstein so. Zudem brauche man Infos darüber, wie viele geimpfte Personen unter den Neuinfizierten sind, um zu sehen, ob sich auch Geimpfte verstärkt anstecken, meint Szekeres.

Gemischte Reaktionen der Opposition

"Es muss verhindert werden, dass es im Herbst eine böse Überraschung gibt", kommentierte Pamela Rendi-Wagner die Debatte. Die SPÖ-Chefin plädiert für die Aufrechterhaltung der Maskenpflicht überall, wo keine Drei-G-Regel gilt, kostenlose PCR-Tests und niederschwellige Impfangebote.

FPÖ-Chef Herbert Kickl nannte die Regierung hingegen "Panikorchester". Die "schwarz-grünen Corona-Fanatiker" würden wieder "neue Schikanen" beschließen. Die Neos warfen der Koalition Planlosigkeit und einen "gefährlichen Hü-hott-Kurs" vor. Die "widersprüchlichen Signale" würden die Impfbereitschaft sicher nicht erhöhen. (Vanessa Gaigg, Oona Kroisleitner, 15.7.2021)