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Joe Biden wird Angela Merkel bei den Gipfeltreffen vermissen, wie er sagt.

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Im Oval Office hat Merkel während ihrer 16-jährigen Amtszeit bereits öfter Platz genommen.

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Fast hatte es den Anschein, als wollte Joe Biden eine zweite Laudatio auf Angela Merkel halten, nachdem sie am Vormittag bereits die Ehrendoktorwürde der Johns Hopkins University erhalten hatte. Wobei er mit einem Scherz beginnt. Kanzlerin Merkel sei ja in den vergangenen 16 Jahren häufig "bei uns" zu Gast gewesen, bemerkt der US-Präsident. "Eigentlich kennt sie das Oval Office so gut wie ich."

Merkels Kanzlerschaft habe historischen Charakter, sagt Biden am Donnerstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus. Sie sei in Deutschland die erste Frau in dem Amt, die erste Bundeskanzlerin aus Ostdeutschland, und nach Helmut Kohl rangiere sie in der Liste der Dienstältesten auf dem zweiten Platz. Merkel, lobt er, sei immer für das Richtige eingetreten, habe sich stets für die Würde des Menschen eingesetzt und im Übrigen die transatlantische Allianz eisern verteidigt. Und gegen Ende fügt er, an die CDU-Politikerin gewandt, in einem Anflug von Wehmut hinzu: "Persönlich muss ich Ihnen sagen, dass ich Sie bei unseren Gipfeltreffen vermissen werde, das werde ich wirklich."

Vier Präsidenten, eine Kanzlerin

Während draußen, in den Straßen Washingtons, so gut wie nichts mehr an die Pandemie erinnert, ist die Vorsicht im Weißen Haus noch sehr präsent. Mindestens ein Meter Abstand zwischen den Sesseln, auf denen die Presse sitzt. Keine Maskenpflicht, wohl aber Corona-Tests am Abend zuvor für Reporter, die teilnehmen wollen – auch wenn man, was praktisch bei allen der Fall ist, vollständig geimpft ist. Alles Nebensache.

In der Hauptsache geht es darum, nach den 16 Jahren, die die "Washington Post" die Merkel-Ära der deutsch-amerikanischen Beziehungen nennt, Bilanz zu ziehen. Dazu passt die Frage, die eine amerikanische Journalistin der Kanzlerin stellt: Wie sie denn die vier US-Präsidenten einschätze, mit denen sie im Amt zu tun hatte?

Die Antwort, sagt Merkel, wolle sie in drei Punkten geben. "Erstens, für jede deutsche Bundeskanzlerin oder jeden deutschen Bundeskanzler liegt es im ureigensten Interesse Deutschlands, mit jedem US-Präsidenten zusammenzuarbeiten. Zweitens, wir hatten immer Pressekonferenzen, und Sie konnten sich selbst überzeugen, wie Sie das wahrgenommen haben. Und drittens: Heute war es ein sehr freundschaftlicher Austausch." Die leise Ironie, so viel ist klar, bezieht sich auf Donald Trump, mit dem der Austausch auch vor laufenden Kameras eben selten freundschaftlich war.

"Gute Freunde" trotz Nord Stream 2

Deutlich wird aber auch, dass der Versuch, den Streitfall Nord Stream 2 noch während Merkels Besuch zu lösen, gescheitert ist. Biden gibt sich gar nicht erst die Mühe, die Meinungsverschiedenheiten kleinzureden. Allerdings gibt er sich große Mühe, den Streit einzuordnen, ihn nicht zu etwas ausufern zu lassen, was den Neustart im bilateralen Verhältnis nach der Belastungsprobe der vier Trump-Jahre gefährden könnte. "Gute Freunde können auch einmal verschiedener Meinung sein", sagt er mit demonstrativer Gelassenheit.

Was er von der Gaspipeline halte, sei ja bekannt, bekräftigt Biden seine ablehnende Haltung. Russland dürfe seine Energieressourcen nicht als Waffe oder Druckmittel gegen Nachbarn wie die Ukraine einzusetzen, darin sei er sich mit Merkel einig. Die wiederum sagt, man habe unterschiedliche Einschätzungen darüber, was dieses Projekt mit sich bringe. Zugleich wolle sie klarstellen: "Unser Verständnis war, ist und bleibt, dass die Ukraine ein Transitland für Erdgas bleibt." Man werde aktiv handeln, sollte Russland die Rechte der Ukraine missachten. Nord Stream 2, sagt Merkel, sei ein zusätzliches Projekt und keines, das den Transit von Gas durch die Ukraine ersetze.

Einreise in USA

Schließlich will Juliane Schäuble vom "Tagesspiegel" wissen, warum Menschen aus Deutschland und anderen Schengen-Staaten noch immer nicht in die USA einreisen dürfen, während es beispielsweise für die Türkei mit einer sehr viel kritischeren Corona-Lage keinen "Travel Ban" gibt. Er werde die Frage in den kommenden Tagen beantworten können, sagt Biden und macht – unverbindlich – Hoffnung auf eine Lockerung der Restriktionen. "Ich warte darauf, von den Leuten in unserem Covid-Team zu hören, wann das getan werden kann." (Frank Herrmann aus Washington, 16.7.2021)