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Wien – Nur noch zwölf Tage – bis 28. Juli 24 Uhr – ist Zeit für formelle Bewerbungen für die Generaldirektion des größten österreichischen Medienhauses, des Milliardenkonzerns ORF. Kommende Woche könnte sich das Bewerberfeld für die Bestellung im Stiftungsrat am 10. August langsam klären.

Zwei Bewerber haben sich bisher öffentlich deklariert; ein dritter wird erwartet und seit vielen Wochen als aussichtsreich gehandelt, weil er die Stimmen der türkisen Mehrheit im Stiftungsrat hinter sich haben soll.

Der amtierende ORF-General Alexander Wrabetz kündigt am 6. Mai 2021 in einem Video-Pressegespräch seine neuerliche Bewerbung um die ORF-Führung an.
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Alexander Wrabetz (61), seit 2007 Generaldirektor des ORF, hat schon im Mai seine neuerliche Bewerbung für weitere fünf Jahre ab 1. Jänner 2022 angekündigt. Wrabetz wurde als Sozialdemokrat ORF-General, er überstand bisher an der Spitze des ORF zahlreiche Angriffe auf seinen Job aus der eigenen Partei wie aus ÖVP/FPÖ in deren Regierungszeit.

ORF-Finanzdirektor Wrabetz hat sich 2006 mit einer "Regenbogenkoalition" aus SPÖ, FPÖ, Grünen, Unabhängigen und vor allem entscheidenden Freiheitlichen aus dem BZÖ, damals gerade noch Regierungspartner der ÖVP, gegen die Kanzlerpartei unter Wolfgang Schüssel durchgesetzt, gegen die amtierende, damals von der ÖVP unterstützte Generalin Monika Lindner.

Wrabetz wird kommende Woche eines seiner Großprojekte, den Neubau für den gemeinsamen Newsroom aller ORF-Medien, vorführen. Die Führung des Newsrooms und der Ressorts will noch er im zweiten Halbjahr ausschreiben und bestellen – bis 31. Dezember 2021 ist Wrabetz jedenfalls noch Alleingeschäftsführer des ORF.

Heinz Lederer, Sprecher des SPÖ-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, versuchte in den vergangenen Wochen noch eine Sondersitzung des obersten ORF-Gremiums vor der Generalswahl zu beantragen. Der Antrag erhielt aber nicht die dafür nötigen zwölf Stimmen unter den 35 Stiftungsräten.

ORF-1-Managerin Lisa Totzauer kündigte ihre Bewerbung am 13. Juli per Onlinevideo an.
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Lisa Totzauer, 50 und seit 2018 Channel Managerin von ORF 1, hat sich als erste Gegenkandidatin für Wrabetz am Dienstag dieser Woche deklariert. Über Twitter und mit einem Onlinevideo, das an Alexander Van der Bellens Bekanntgabe seiner Präsidentschaftskandidatur erinnerte, kündigte sie ihre Bewerbung an.

Totzauer wird dem bürgerlichen Lager zugerechnet. Die langjährige Journalistin – Sendungsverantwortliche der "ZiB 1", dann Infochefin von ORF 1 und schließlich Channel-Managerin – dürfte aber nicht die Kandidatin des ÖVP-nahen Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat sein, auch wenn Unterstützung bürgerlicher Stiftungsräte wie anderer Couleurs natürlich möglich ist.

Totzauer hat im Onlinevideo zu ihrer Bewerbung Transparenz über ihre Pläne für den ORF angekündigt. In diesen Tagen bis Bewerbungsschluss am 28. Juli sagt sie mehr über ihre Ideen für Österreichs größtes Medienhaus in den nächsten fünf Jahren.

Vize-Finanzdirektor Roland Weißmann wird seit Monaten als bürgerlicher Bewerber gehandelt, hat sich aber bisher nicht deklariert.
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Roland Weißmann (53), Vizefinanzdirektor des ORF, hat sich bisher bedeckt gehalten, ob er tatsächlich eine Bewerbung für die ORF-Generaldirektion abgibt. Er wird seit Monaten als wahrscheinlicher und aussichtsreicher Kandidat der bürgerlichen Mehrheit im ORF-Stiftungsrat gehandelt. Anfang Juli nahm er an einer Sitzung des türkisen Freundeskreises zur ORF-Generalswahl teil (wie schon vielfach zuvor), ebenso, für einen Teil der dreistündigen Sitzung im Forum Mozartplatz in Wien-Wieden, Kanzler-Medienbeauftragter Gerald Fleischmann.

Weißmann begann als Journalist beim ORF Niederösterreich, war dann Chef vom Dienst bei Ö3. Er managt seit 2012 das 400-Millionen-Budget des ORF-Fernsehens als Chefproducer, seit 2017 ist er stellvertretender Finanzdirektor des ORF, seit Sommer 2020 zudem Geschäftsführer der ORF-Onlinetochter und dort Projektverantwortlicher für die Streamingplattform ORF On (Arbeitstitel: ORF-Player).

Will sich Weißmann formell bewerben und sich nicht wie einst 2006 ORF-Finanzdirektor Alexander Wrabetz nach Ende der Bewerbungsfrist am letzten Tag für Nachnominierungen von Stiftungsräten aufstellen lassen, dann müsste er sich in den nächsten zwölf Tagen deklarieren.

Weitere Bewerber? Nicht ausgeschlossen. Aber die zwei – und wohl auch der dritte – dürften jedenfalls zum Hearing am 10. August in den Stiftungsrat eingeladen werden.

Wie wird der ORF-General bestellt?

Die Mehrheitsverhältnisse im ORF-Stiftungsrat zur Generalswahl 2021.
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Der ORF-Stiftungsrat entscheidet am 10. August mit einfacher Mehrheit über den nächsten ORF-Generaldirektor oder die nächste Generaldirektorin. Es wird laut ORF-Gesetz – seit 2001, Regierung ÖVP/FPÖ – offen abgestimmt, also jede Stimme ist identifzierbar.

Jedes der 35 Mitglieder des Stiftungsrats kann Bewerber und Bewerberinnen für das Hearing am 10. August vor der Abstimmung nominieren. Die Neos wollen möglichst viele Bewerber zu Wort kommen lassen, hieß es in den vergangenen Wochen.

Zunächst wird über die Kandidaten im Hearing gemeinsam und offen abgestimmt. Erreicht ein Kandidat oder eine Kandidatin schon im ersten Wahlgang 18 der 35 Stimmen (bei Enthaltungen reichen entsprechend weniger Stimmen für die Mehrheit).

Erreicht keiner der Kandidaten schon im ersten Wahlgang die nötige Stimmenzahl, wird über die zwei stimmenstärksten neuerlich abgestimmt.

Bei Stimmengleichstand zählt die (bereits abgegebene) Stimme des Stiftungsratsvorsitzenden, also jene von Norbert Steger (FPÖ), doppelt. Sie entscheidet dann die Generalswahl. (fid, 17.7.2021)