Mit Geduld sind Hols fragile Arbeiten zu entdecken.

Lisa Rastl

Nur ein Luftzug würde genügen, um das Kunstwerk zu vernichten. Ein für alle Mal – in seiner Einzigartigkeit des momentanen Zustands wäre es nicht mehr zu rekonstruieren. Tagelang hat die norwegische Künstlerin Ane Mette Hol im kleinen White-Cube-Ausstellungsraum im Mumok durchschnittliche weiße Kartontafeln auf dem Fußboden ausgebreitet und mit weißen Farbpigmenten bestreut.

Die Tafeln liegen nun wieder fein säuberlich gestapelt in ihrer Verpackung – die Kreide erinnert mit staubigen Konturen an den vorübergehenden Zustand.

Hols Arbeitsweise wirkt zufällig, fast ungewollt, dabei ist sie streng strategisch. So verwendet sie alltägliche Materialien, Verpackungen und Reste, die während des Produktionsprozesses im Atelier entstehen. Die 42-jährige Künstlerin ist Meisterin darin, etwas zu zeigen, das es so nicht gibt. Denn ihre Arbeiten sind so konzeptionell angelegt, dass man seinen Augen nicht trauen darf. Wenn man das tut, denkt man, hier ist eigentlich gar nichts ausgestellt.

Außer Zeichenpapier, Papierrollen oder Farb- und Graukarten würde man kaum etwas erkennen. Klebt da ein roter "Handle with Care"-Sticker an der Wand?

Das Detail überrascht

Doch der Ausstellungsname Im Werden (Arbeitstitel) mag in die Irre führen. Versehentlich in den Raum gestellt ist hier nichts – bei genauerer Betrachtung entpuppen sich einzelne Arbeiten, wie ein von beiden Seiten zu betrachtendes ehemaliges Ausstellungsplakat der Künstlerin, als frappierend fotorealistische Zeichnung.

Das Objekt darauf ist übrigens ein leerer Karton, den Hol als Kunstobjekt fotografiert, auf ihr Plakat gedruckt und dann mit akribischer Sorgfalt nachgezeichnet hat. Es ist sozusagen die multiple Reproduktion.

Doch das Besondere an dieser Ausstellung und der Arbeitsweise der Künstlerin, das ist leider auch das Problem: Sehr zögerlich kriechen die Werke in die Ecken des Raums und verschwinden in ihrer Unscheinbarkeit. Geduld ist insofern jene Gabe, die es für Hols Arbeiten braucht. Wer sie mitbringt, kann fragile Welten entdecken. (Katharina Rustler, 17.7.2021)