Kanzler unter Verdacht
Kurz trat sich mit seiner Aussage Ermittlungen ein
Zweimal sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung aus, im Jahr dazwischen hat sich einiges für ihn geändert. Heute wird Kurz von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Beschuldigter geführt. Sie wirft ihm vor, bei seiner ersten Befragung am 24. Juni 2020 falsch ausgesagt zu haben. Unter anderem soll Kurz seine Rolle bei der Bestellung von Thomas Schmid zum Chef der staatlichen Beteiligungsholding Öbag heruntergespielt haben. Damals schilderte der Kanzler, Schmid habe ihn informiert, dass er sich für den Job bewerben wolle. Er habe Schmid für qualifiziert gehalten. Die Entscheidung habe der Aufsichtsrat getroffen, er sei nicht eingebunden gewesen.
Danach wurden freilich Chats bekannt, auf denen die WKStA ihren Vorwurf begründet. So habe sich Schmid vor und direkt nach seiner Kür mehrfach bei Kurz "für alles bedankt", der wiederum habe geschrieben: "Kriegst eh alles, was du willst." Kurz bestreitet die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung.
Bei seiner zweiten Befragung am 1. Juli musste sich der mittlerweile beschuldigte Kanzler kaum auf heiklem Antwortterrain bewegen. So ausführlich beantwortete er die netten Fragen seiner Parteifreunde, dass kritische aus Zeitgründen nicht mehr gestellt werden konnten: Grüne und Neos kamen nicht mehr dran.
Sobotkas Doppelrolle
Der U-Ausschussvorsitzende war auch Auskunftsperson
Die härtesten Sträuße hat die Opposition mit dem U-Ausschussvorsitzenden, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), gefochten. Sie war immer schon gegen ihn als Vorsitzenden gewesen – erst recht, als die Kooperation des Alois-Mock-Instituts (Präsident: Sobotka) mit Novomatic aufkam. Auch die Grünen waren skeptisch. Der Vorsitzende sei befangen, wurde argumentiert, doch der wich keinen Millimeter zurück.
Völlig unbeeindruckt von den Rufen nach seiner Ablöse, die Jan Krainer (SPÖ) am deutlichsten zu äußern pflegte, blieb Sobotka auf dem Vorsitzsessel sitzen. Ebenso ungerührt wechselte er zweimal direttissima auf den Platz der Auskunftsperson, um vor allem zum "Amok-Institut" (Krainer) Rede und Antwort zu stehen.
Krisper verlor die Nerven
Unfeine Unmutsäußerung bei aufgedrehtem Mikrofon
Na, das war eine Aufregung, als Stefanie Krisper bei der ersten Befragung von Finanzminister Gernot Blümel im Juni 2020 vergessen hatte, ihr Mikrofon abzudrehen. Die kritische Neos-Fraktionsführerin, die jede ihrer Fragerunden mit einem "Danke, Herr Vorsitzender" eröffnete, seufzte ein "Gehn mir am Oasch, alle" – und viele hörten es. Auf sich bezogen hat es Verfahrensrichterin Ilse Huber, sie trat zurück. An ihrer Amtsausübung gab es damals einige Kritik.
Der Tonbandmitschnitt belegte Krispers Verantwortung, wonach sie nicht Huber adressiert habe, sondern von der Gesamtsituation genervt gewesen sei. Im offiziellen Protokoll sucht man das Zitat vergeblich: Aussagen, die jemand quasi an sich selbst richtet, werden nicht protokolliert.
Mampfen und fragen
Essgewohnheiten und Manieren im U-Ausschuss
Die Empörung von Sektionschef Christian Pilnacek war groß. Der damalige Sektionschef im Justizministerium wurde im Juli 2020 befragt, gleich darauf gab er dem Kurier ein Interview. Der U-Ausschuss sei ein "Jammertal", die Abgeordneten hätten kein Interesse an Aufklärung und "mampfen Wurstsemmeln". Aussagen, die er später relativierte, bis auf jene mit dem Semmerl, dessen Konsumation während der Befragung er Jan Krainer (SPÖ) vorwarf.
Der bestritt. Wobei: Essenspausen gab es im U-Ausschuss nicht, das Parlament stellte aber jede Menge Süßes und Salziges bereit. ÖVP-Hardliner Andreas Hanger beobachtete Krainer genau. Er warf ihm neben "Skandalisierung" auch "Chips-Essen" vor. Von Mampfen sprach er nicht.
Erdbeben in der Justiz
Ex-WKStA-Staatsanwältin Christina Jilek packte aus
Mit einem derartigen Knalleffekt hatten wohl nur wenige gerechnet. Ex-WKStA-Staatsanwältin Christina Jilek antwortete den Mandataren, die sie nach den Ermittlungen in der Causa Casinos/Ibiza befragten, ruhig und gefasst – was sie sagte, rüttelte freilich auf. Sie erzählte von Interventionen, ungerechtfertigten Zurechtweisungen gegen sie persönlich und "Störfeuern". Kurzum: Die WKStA werde in ihrer Arbeit behindert. Begonnen hat es offenbar damit, dass Sektionschef Christian Pilnacek und der Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, verhindern wollten, dass die WKStA in der Causa überhaupt tätig wird. Das legen jüngst aufgetauchte Chats der beiden nahe. Jilek selbst zog Konsequenzen: Sie arbeitet nun als Richterin und hat das Antikorruptionsvolksbegehren* mitbegründet.
Gernot Blümels Eklats
Erinnerungslücken, Entschlagungen, Exekution
Beim dritten Mal schaute Gernot Blümel nicht gut aus. Blass und müde wirkte der Finanzminister bei seiner letzten Aussage im Juni, genervt sowieso. Die WKStA ermittelt wegen Korruptionsverdachts gegen ihn rund um eine 2017 vom damaligen Novomatic-Chef in den Raum gestellten Spende und ein Steuerproblem der "Novo" in Italien. Im Februar ereilte Blümel deswegen eine Hausdurchsuchung. Berühmt wurde die wegen des von seiner Frau spazierengeführten Laptops und Christian Pilnaceks Anteilnahme: "Wer vorbereitet Gernot?". Blümel bestreitet den Vorwurf.
Zu erfahren war von Blümel wenig. Zuletzt entschlug er sich seines Beschuldigtenstatus wegen rund 35-mal, bei seinem ersten Auftritt hatte er rund 80 Erinnerungslücken aufgewiesen. Woran er sich erinnerte: Als Kanzleramtsminister hatte er keinen Laptop.
In Österreichs Geschichte geht der Finanzminister aber aus einem anderen Grund ein: So lange kam er der vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgetragenen Aktenlieferung an den U-Ausschuss nicht nach, bis der VfGH den Bundespräsidenten einschaltete. Der beauftragte das Straflandesgericht mit der Exekution im Finanzministerium, erst dann wurde alles geliefert – ein einmaliger Vorgang.
Der Auftritt
Fragen nach ihrer Befähigung als Aufsichtsrätin goutierte Kathrin Glock nicht
Ein paar Mal musste sie geladen werden, dann fasste sie eine Beugestrafe von 2000 Euro aus – am 12. Jänner erschien sie: Kathrin Glock, Ehefrau des Waffenfabrikanten Gaston Glock, 91. Ihr Auftritt geriet zur Show, auch dank der Fotografen, denen einmal etwas anderes geboten wurde als in den Sitzungssaal huschende Auskunftspersonen. Bei ihrer Ankunft im Parlament posierte die schwarzgewandete, behandschuhte 40-Jährige, als ginge es hernach auf den Laufsteg. Dabei ging es in einen Extraraum, auf den sie aus Corona-Abstandsgründen bestand.
Die Befragung sollte sehr speziell werden. Die Mandatare interessierten sich vor allem für Glocks Befähigung als Aufsichtsratsmitglied der staatlichen Flugsicherung Austro Control, was sie nicht goutierte. "Ich beantworte keine Prüfungsfragen", ließ sie wissen oder, auf die Frage, was sie im Aufsichtsrat genau mache: "Ich mag Ihre Fragestellung nicht, ich lasse mich nicht wie ein Schulmädchen behandeln." Unterkühlt entwickelte sich das Gespräch mit Neos-Fraktionschefin Stephanie Krisper, der Glock ("Warum machen Sie so ein Gesicht?") vorwarf, sie mache sich lächerlich über sie. Am nächsten Tag berief Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) Glock aus dem Austro-Control-Kontrollgremium ab. Glock legte beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde über die Behandlung durch Krisper ein. Dieser hat noch nicht entschieden. (Renate Graber, 17.7.2021)
*Bitte um Nachsicht, hier stand zunächst irrtümlicherweise ein anderes Volksbegehren.