Die Küste von Portici in der Nähe von Neapel liegt im strahlenden Sonnenschein, das Meer ist vollkommen unbewegt. Rauchwolken steigen aus dem noch immer aktiven Vulkan Vesuv. In Portici befand sich eine Sommerresidenz des Königs von Neapel-Sizilien. Das linke Gebäude, die ehemalige Villa d’Elboeuf, gehörte bereits zum Palastkomplex, der bis zum Hafen reichte. Anschließend an die Villa ist das Kloster San Pasquale zu sehen. Das Ufer säumen mächtige Kaimauern und den Abschluss des Bildausschnittes bilden einige Hafengebäude.

Diese Ölstudie des Malers Joseph Rebell zeigt eine ganz realistische Ansicht des Küstenabschnittes.¹ Es handelt sich um Freilichtmalerei, eine damals neuartige Arbeitsweise.

Josef Rebell: Der Hafen von Portici mit dem Vesuv im Hintergrund, um 1814, Öl auf Papier.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Der französische Maler Pierre Henri de Valenciennes veröffentlichte 1799 ein einflussreiches Lehrbuch über die Landschaftsmalerei, das 1803 bereits in deutscher Übersetzung vorlag.² Darin wird gefordert, dass der Landschaftsmaler oder die -malerin Beobachtende der Natur werden müsse und seine oder ihre Beobachtung vor Ort in Ölstudien festhalte solle. Es ist davon auszugehen, dass Rebell dieses Werk seit seiner Studienzeit kannte, da es sich auch im Bestand der Bibliothek der Wiener Akademie der bildenden Künste befindet. Die Ansicht von Portici ist Teil eines Konvoluts von Studien zu Landschaften und Orten rund um den Golf von Neapel und der Amalfiküste von Rebell im Bestand von Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.³ Diese Bilder sind eine Neuentdeckung und wurden in der Forschung zum Maler bisher nicht berücksichtigt. Es handelt sich bei diesen „nach der Natur“ gemalten Ölstudien und -skizzen um wertvolles Arbeitsmaterial des Künstlers, das üblicherweise nur im Atelier zu sehen war und selten in Sammlungen kam. Rebell verwendete diese Studien, um später großformatige Ölgemälde danach auszuführen, sie dienten ihm als Erinnerungshilfe. Außerdem konnte er damit potentiellen Auftraggebenden bereits eine Vorstellung vom fertigen Gemälde geben.

Joseph Rebell: Der Hafen Granatello bei Portici, 1819, für Kaiser Franz I. (II.)
Foto: Österreichische Galerie Belvedere, Wien

Vier Versionen

Der Hafen von Portici war ein sehr beliebtes Motiv von Rebell. Es sind vier Versionen als großformatige Ölgemälde bekannt: Eine erste Version entstand für die Königin von Neapel, Caroline Murat, vermutlich 1814 (heute Musée Condé, Chantilly), eine zweite Version von 1818 war im Besitz des Architekten Leo von Klenze (heute Bayrischen Staatsgemäldesammlung). Eine dritte Version von 1819 war ein Auftrag von Kaiser Franz I./II. für die Kaiserliche Gemäldegalerie (heute Österreichische Galerie Belvedere), eine vierte Version verkaufte Rebell 1823 an einen „Herrn Sykes nach London“.⁴ Für die großformatigen Ölgemälde des Hafens von Portici verwendete Rebell das Motiv der Ölstudie als Hintergrund und ergänzte Schiffe und Staffagefiguren. Er zeigt Hafenarbeiter, Fischer und die lokale Bevölkerung bei ihrer alltäglichen Beschäftigung im abendlichen Licht. Auch zu diesen Figurentypen existieren kleine Skizzen und erlauben einen interessanten Einblick in den Arbeitsprozess des Malers.⁵

Joseph Rebell: Rückenfigur eines Hafenarbeiters, Öl auf Leinwand.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek
Joseph Rebell, Selbstbildnis, undatiert.
Foto: Österreichische Galerie Belvedere, Wien

Neue Blickwinkel

Wie kam Rebell nach Italien? Der Maler wurde 1787 in Wien als Sohn eines Schneiders geboren und studierte ab 1799 an der Akademie der bildenden Künste zuerst Architektur, ein Umstand, der sich auch an seinen exakt gemalten Bauwerken zeigt.⁶ Von 1806-1810 erfolgte seine Ausbildung an der Landschaftzeichenschule der Akademie, zusätzlich nahm er Privatunterricht beim Landschaftsmaler Michael Wutky, der selbst fast 20 Jahre in Italien gelebt hatte. 1809, noch im letzten Jahr seines Studiums, lernte er den Wiener Kunst- und Ansichtenverleger Domenico Artaria kennen. Dieser beauftragte ihn, Zeichnungen der bedeutendsten Orte rund um den Comer See anzufertigen, um sie als Druckgrafiken zu veröffentlichen. Rebell lebte damals in Mailand. Durch eine Empfehlung von Eugène de Beauharnais, dem Vizekönig von Italien, gelangte Rebell 1812 nach Neapel an den Hof Joachim Murats. Er wurde Hofmaler Murats, der 1808 zum König von Neapel ernannt worden war. Dessen Ehefrau Caroline, die jüngste Schwester Napoleons, erteilte Rebell 1813 einen Großauftrag von dreizehn Ansichten von Neapel und Umgebung, darunter eine Version des Hafens von Portici mit der damals von ihr benutzen Villa d’Elboeuf.⁷

Rebell: Golf von Neapel gegen Ischia mit der Festung Granatello, Öl auf Papier, um 1814.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Unermüdlich wanderte Rebell während seines Aufenthaltes in Neapel die Meeresküste entlang, um diese in immer neuen Blickwinkeln und Wettersituationen zu malen. In der Nähe des Hafens von Portici gab es eine Festung, die er bei aufgewühltem Meer und Wind festhielt. Die Zeitgenossen bewunderten seine Art das Meer zu malen und die Intensität, mit der er seine Naturstudien betrieb. Gräfin Lulu Thürheim berichtet in ihren Lebenserinnerungen, dass er und seine Palette oft “vom Regen und den Wellen ganz durchnässt” selbst heftigen Unwettern trotzten.⁸ Seine realistische Wiedergabe des Wassers fand allgemein immer wieder höchste Ankerkennung.

Rebell war auch einer der allerersten Künstler, der die Insel Capri malerisch festhielt, die zu diesem Zeitpunkt noch von anderen Malern und Reisenden gemieden wurde. Bei seiner Darstellung der Küste skizzierte er mit gröberen Pinselstrichen in beinahe schon impressionistischer Art die Felsen im Vordergrund, während der Hintergrund mit den typischen Faraglioni-Formationen in ein einheitliches goldenes Licht getaucht ist.

Joseph Rebell: Küste von Capri mit Blick auf die Felsen Faraglioni , Öl auf Papier, um 1814.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Zurück nach Österreich

1815 musste Rebell aufgrund innenpolitischer Auseinandersetzungen, die zum Sturz und zur Hinrichtung Murats führten, Neapel verlassen. Er ging nach Rom, wo er im Kreis der deutschen Künstler arbeitete und zu einem der gesuchtesten Landschaftsmaler wurde. In Rom wurde Kaiser Franz I. (II.) von Österreich 1819 auf ihn aufmerksam, der sich gerade während einer privaten Reise dort aufhielt. Der Kaiser besuchte das Atelier des Künstlers im Palazzo Venezia und vermerkte anschließend in seinem Tagebuch, das Rebell ein sehr guter Maler für Landschaften und Seestücke ist.⁹ Auch bei einer Ausstellung, die zu Ehren des Monarchen veranstaltet wurde, fiel ihm vor allem ein Gemälde von Rebell positiv auf.¹⁰ Kaiser Franz bestellte im Anschluss vier großformatigen Ansichten der Gegend von Neapel für die Kaiserliche Gemäldegalerie, darunter den Hafen von Portici. Rebell reiste für diesen Auftrag nochmals nach Neapel.

Kaiser Franz I. (II.) v. Österreich (1768-1835), Kupferstich v. Joseph Kreutzinger, um 1820.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek
Kaiserliche Gemäldegalerie im Schloss Belvedere, Lithografie.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Kaiser Franz I. wollte dem Maler nun enger an Wien binden. Er berief Rebell zum Direktor der Kaiserlichen Gemäldegalerie, die sich damals im Schloss Belvedere befand, sowie zum dortigen Schlosshauptmann. Rebell übersiedelte 1824 nach Wien und wurde gleichzeitig Professor für Landschaftsmalerei an der Akademie der bildenden Künste. Im kaiserlichen Auftrag entstand darüber hinaus ein großer Zyklus von Landschaftsbildern für Schloss Persenbeug. Diesen Auftrag konnte Rebell aber nicht mehr vollenden, da er 1828 mit nur 42 Jahren in Dresden während einer Reise verstarb.

Kaiser Ferdinand I. von Österreich (1793-1875), Lithografie von Faustin Herr, um 1840.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek
Historische Mappe aus der Privatbibliothek von Kaiser Ferdinand I.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Malerei-Pionier

Kaiser Ferdinand I. von Österreich, der Sohn von Kaiser Franz I., kaufte 1843 Gemälde und Studien von den Erben Rebells gegen eine Leibrente von 300 Gulden jährlich.¹¹ Aus den Akten geht hervor, dass ein Teil des Kaufs an die Kaiserliche Privatbibliothek kam,  jene Bestände, die sich heute in der Österreichischen Nationalbibliothek befinden.¹² Für diese Ölstudien existiert noch eine prächtige historische Mappe aus Leder mit Goldprägung, in der die Blätter ursprünglich aufbewahrt wurden. Der andere Teil des Ankaufs, gerahmte Gemälde, wurde an die Hofmobiliendirektion abgegeben, um diese als Ausstattungsbilder für die Hofburg und andere Schlösser zu verwenden. Erst vor kurzem konnte ein unsigniertes Gemälde aus hofärarischem Bestand, dass sich heute in der Österreichischen Galerie befindet, durch eine dazugehörige Figurenstudie der Grafiksammlung Rebell zugeordnet werden.¹³

Joseph Rebell gilt als ein Begründer der realistischen Landschaftsmalerei in Österreich, der durch seine Schüler noch weit ins 19. Jahrhundert wirkte. 2022 wird dem Maler erstmals eine Einzelausstellung in der Österreichischen Galerie Belvedere gewidmet, bei der elf seiner Ansichten aus Neapel und Umgebung aus der Österreichischen Nationalbibliothek als Leihgaben zu sehen sein werden. (Alexandra Smetana, 23.7.2021)

Alexandra Smetana ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bildarchivs und der Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.

Fußnoten

¹ Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung: Fid° 2924, 23. Öl auf Papier, 33 x 55 cm.

² Denk, Claudia: „Man bewahre diese kleinen Studien wohl.“ Ölskizzen in den Ateliers der Landschaftsmaler. In: Rollig, Stella / Johannsen, Rolf R. (Hrsg.): Spontan erfasst. Faszination Ölskizze. Österreichische Galerie Belvedere, Wien 2019, S. 24.

³ Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung: Fid°2924, 1-32.

⁴ Vgl. den Nachruf auf Rebell und ein 173 Bilder umfassendes Werkverzeichnis gereiht nach Verkaufsdatum und Erwerber. In: Hormayr, Joseph Freiherr von (Hrsg.), Neues Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst, 1.Jg. (XX. als Fortsetzung), Nr. 30, 13. April 1829, S. 233-238.

⁵ Vgl. die Arbeiten von Rebell im Konvolut: Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, Pk 455, 1-40.

⁶ Zur Biografie Rebells vgl.: Grabner, Sabine/ Wöhrer, Claudia (Hrsg.): Italienische Reisen. Landschaftsbilder Österreichischer und Ungarischer Maler. 1770-1850, Österreichische Galerie Belvedere, Wien 2001, S. 293 (dort ältere Literatur) bzw. Wöhrer, Claudia: "…frage dich bei Rebell an!". Joseph Rebell und die bewegte See. In: Belvedere. Zeitschrift für bildende Kunst, Heft 1, 2002, S. 18-29.

⁷ Schneider, Karin: Vom Thron ins Exil. Caroline Murat, das Ende Napoleons und der Wiener Kongress. In: Römisch Historische Mitteilungen, 60, Band 2018, S. 384.

⁸ Thürheim, Lulu Gräfin: Mein Leben. Erinnerung aus Österreichs großer Welt. René van Rhyn (Hrsg.), München 1914, Bd. III, S. 86.

⁹ Kuster, Thomas: Das italienische Reisetagebuch Kaiser Franz I. von Österreich aus dem Jahre 1819. Eine kritische Edition, Münster 2010, S. 162.

¹⁰ Ebenda,  S. 176.

¹¹ HHStA-OKäA-B, 1843, Rubrik 44, Zl. 1877/1843, Ankauf von den unverheirateten Schwestern.

¹² Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung: Archiv der Fideikommissbibliothek, FKBA24002.

¹³ Vgl. Figurenstudie von Schiffbrüchigen Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung: Pk 455, 12 mit dem neu identifizierten Gemälde: Joseph Rebell: Schiffbruch an der Küste Neapels, gegen 1828, » Österreichische Galerie Belvedere Inv. 7838. Das Werk galt bis vor kurzem als Werk eines unbekannten Künstlers, vgl. Mailverkehr mit Dr. Sabine Grabner, Österreichische Galerie Belvedere, 15-25.6. 2022.