Eine alerte wiewohl bekümmerte, letztlich aber doch nicht mitsterbenswillige Frau: Im Laufe ihrer einhundertjährigen Karriere hat sich die Rolle der Buhlschaft im Jedermann auf dem Salzburger Domplatz wenig gewandelt. Und doch wird über diese im Lauf der Jahrzehnte immer mehr zum Marketing-Tool avancierte größte Nebenrolle der Welt jedes Jahr aufs Neue begierig diskutiert.

Wer darf sie spielen? Wie wird sie spielen? Und wie wird sie dabei aussehen? Die diesjährige Besetzung mit Verena Altenberger (siehe Bild) – an der Seite von Lars Eidinger als Titelheld – verspricht einen Schritt nach vor zu machen in etwas gelockertere Vorstellungen von möglichen Bildern einer Frau.

Nicht weitersagen, aber hier ist ein Jedermann versteckt: Verena Altenberger und – darunter – Lars Eidinger.
Foto: APA/Barbara Gindl

Der größte Bruch mit der landläufigen Vorstellung weiblicher Attribute ist heuer überraschenderweise der Kurzhaarschnitt (bekanntlich ist er wegen Altenbergers vorangegangener Dreharbeiten eher von zufälliger Natur).

Lange Mähne

Keine Buhlschaft war noch mit Igelfrisur zu sehen, gilt doch die lange, vorzugsweise gewellte Mähne als Inbegriff von Femininität. Vom sittsam geflochtenen Haarkranz, den die rekordverdächtige elf Jahre als Buhlschaft dienende Dagny Servaes trug (ab 1926) über das Flowerpower-Haar der Senta Berger (ab 1974) bis hin zu wallenden Korkenzieherlocken von Veronica Ferres (ab 2002) oder der streng ondulierten Helmfrisur einer Sophie Rois (1998) – im Langhaarsegment war bisher alles vertreten.

Mehr und mehr schält sich die Buhlschaft aber aus ihrer allegorischen Verankerung eines prototypischen Ideals von Gemahlin, die ihrem älteren Geliebten versichert, dass sie ohnehin nicht "auf grüne Buben" stünde. Sie trägt zwar immer noch pflichtschuldig Rot, hat aber längst ihre Korsagen, ihre High Heels und sonstiges üppiges Dekor abgeworfen, weil Männerfantasien einfach anders ausschauen und es obendrein für das Zeitalter der sexualisierten Frauenfiguren gerade düster aussieht.

Ewige Nebenrolle

Dieser Befreiungsschlag verleiht der Buhlschaft im Kreis des Jedermann-Festes eine Sonderstellung, auch wenn sie qua ihre minimalen Textzeilen wie die anderen auch auf ewig eine Nebenrolle bleiben wird.

Verena Altenberger ist die 36. Darstellerin der Buhlschaft, und ab Samstagabend wird man wissen, wie sehr sie sich von ihren Vorgängerinnen abhebt. Kann gut sein, dass sie mehrere Figurenvarianten in sich vereint, von der märchenhaften Prinzessin (wie sie einst Christiane Hörbiger ganz royal darbot) bis hin zur lässigen jungen Frau von heute. Stereotype geschlechtliche Zuschreibungen sind generell im Begriff, sich zu lockern. Der diesjährige Jedermann ist ein Ausdruck dessen und hat genderfluide Kostüme in Aussicht gestellt.

Das Profil der Buhlschaft wird sich freilich nur im unmittelbaren Zusammenspiel mit dem Jedermann Lars Eidingers schärfen, und dieser wird die berühmte Hosenrolle seinerseits auf neue Beine stellen. Noch mehr: Waren Frauen bisher auf die Rollen von Glaube und Werke abonniert, so spielt heuer erstmals eine Frau die Rolle des Teufels: Mavie Hörbiger go for it!
(Margarete Affenzeller, 17.7.2021)