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Das Klimapaket der EU ist ambitioniert. Ob Verkehr, Gebäude oder Industrie: CO2-Emissionen sollen drastisch sinken.

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Kommissar Hahn stimmte als einziger Vertreter der Kommission gegen das Klimapaket.

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Am Mittwoch präsentierte die EU-Kommission ihren großen Gesamtplan zum Klimaschutz. Er soll den Ausstieg aus dem "fossilen Wirtschaftsmodell" einleiten, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte. Das ist mit einer Revolution der Energieerzeugung und des Energieverbrauchs verbunden, in der Industrie, im gesamten Verkehrssektor durch das für 2035 angepeilte Ende der Verbrennungsmotoren, bei Gebäudedämmung und Heizen.

Das erfordert enorme Investitionen – hunderte Milliarden –, die vielfach nur auf dem Papier existieren. Über das große Geld hat bereits eine heftige Debatte eingesetzt zwischen den 27 EU-Staaten und dem Parlament. Aber auch unter den EU-Kommissaren wurde laut "Financial Times" hitzig debattiert. Ein halbes Dutzend von ihnen brachte demnach "persönliche Anmerkungen" zum Klimabeschluss ein, darunter auch Budget- und Personalkommissar Johannes Hahn. Er erklärt dem STANDARD, warum.

STANDARD: Herr Kommissar, stimmt es, dass Sie als einziger Kommissar gegen das Klimapaket "Fit for 55" gestimmt haben?

Hahn: Ja, ich habe aufgrund des lebhaften Diskussionsprozesses und der durchaus vielfältigen Meinungen zu diesem komplexen Paket eine Abstimmung beantragt und meine Stimme abgegeben.

STANDARD: Heißt das konkret, dass Sie als Einziger gegen das Klimapaket gestimmt haben?

Hahn: Nein. Ich habe keineswegs gegen das ambitionierte Klimapaket der Kommission gestimmt, das ich voll und ganz unterstütze. Dies habe ich auch in der Kommissionssitzung klar zum Ausdruck gebracht. Meine Gegenstimme richtete sich gegen den fehlenden Konnex zu den neuen Eigenmitteln, der ursprünglich Teil des Paketes war. Es war seit langem geplant, die Mitteilung über die neuen Eigenmittel inklusive Details zu den klimarelevanten Eigenmitteln als erweitertes Anwendungsgebiet der ETS und des Grenzausgleichsmechanismus in Zusammenhang und unmittelbarem Anschluss an das Klimapaket zu präsentieren.

Standard: Das ETS ist bisher das System des Handels mit Emissionszertifikaten, um den CO2-Ausstoß der Industrie zu regulieren, es soll um den gesamten Verkehr und Gebäude ergänzt werden. Und es soll eine CO2-Abgabe bei Importen in die EU geben. Warum Ihr Einwand?

Hahn: Genau, die Digitalsteuer wurde ja bereits auf den Herbst verschoben. Als Budgetkommissar ist es meine Verantwortung und Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Einführung der neuen Eigenmittel, zu der wir uns ja gegenüber dem Europäischen Parlament und dem Rat verpflichtet haben, zeitgerecht geschieht, um die Rückzahlung der am Markt aufgenommenen Gelder via das Programm NGEU, Next Generation EU, zu garantieren.

STANDARD: Was bedeutet die Verschiebung für das Budget und den verbundenen Wiederaufbaufonds?

Hahn: Ich hoffe, dass ich mit meiner Stimme Aufmerksamkeit dafür erzeugen konnte, dass es sich bei dem Wiederaufbaufonds NGEU um eine Finanzarchitektur handelt, die auch die Einführung von Eigenmitteln vorsieht. Ohne diese neuen Eigenmittel müssten die Mitgliedsstaaten ihre Beiträge zum EU-Budget erhöhen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Alternative von den Mitgliedsstaaten akzeptiert wird. Jetzt geht es darum, möglichst bald im Herbst ein in sich ausgewogenes Paket von Eigenmitteln vorzustellen.

STANDARD: Was bedeutet es für das Klima in der Kommission und Ihr Verhältnis zu Präsidentin von der Leyen, dass Sie als einziger Kommissar so deutlich Ihre Stimme erhoben haben?

Hahn: Diskussionen sind im Kollegium keine Seltenheit, schon gar nicht bei einer derartig komplexen Materie. Deswegen werden ja Beschlüsse als Kollegialentscheidungen mit einfacher Mehrheit getroffen. Es muss Raum sein, verschiedenste Aspekte einzubringen. Dieser Diskussionsprozess und die Einbringung der Expertise der verschiedenen Kommissare erhöhen die Qualität unserer politischen Vorschläge. Präsidentin von der Leyen hat sicherlich kein Problem damit. Das Klimapaket hat ja viele Dimensionen, von Klimaschutz über Umwelt, Energie, Verkehr, um nur einige zu nennen, bis zu den sozialen Auswirkungen. Und natürlich eine budgetrelevante Komponente, denn die Maßnahmen müssen ja finanziert werden, wozu der Aufbauplan NGEU maßgeblich beitragen wird.

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Johannes Hahn (63), seit 2019 EU-Kommissar für Budget und Personal. Der ÖVP-Politiker ist seit 2010 Mitglied der Europäischen Kommission in Brüssel, seine bisherigen Agenden waren Erweiterung sowie Regional- und Nachbarschaftspolitik.
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STANDARD: Haben Sie Sorge, dass die EU einen riesigen ungedeckten Schuldenberg aufbauen könnte?

Hahn: Wenn ich meinen Job als Budget-Kommissar ernst nehme, ist es meine Verantwortung, auf budgetrelevante Auswirkungen hinzuweisen. Der Aufbauplan NGEU mit den neuen Eigenmitteln soll ja den künftigen Generationen nicht nur eine lebenswerte Welt im Sinne des Klimapaketes, sondern auch eine Rückzahlung der Schulden ermöglichen, die wir aufgrund der Krise aufnehmen mussten. Wir müssen schon jetzt dafür sorgen, dass die künftigen Generationen nicht die Rechnung für die jetzt notwendigen Investitionen bezahlen müssen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 16.7.2021)