Drei Tage Büro, zwei Tage Homeoffice. So lautet die Erfolgsformel, die der Stanford-Ökonom Nicholas Bloom bereits vor der Corona-Pandemie aufgestellt hat.

So eine Formel für hybrides Arbeiten beschäftigt derzeit viele Unternehmen, die wieder in ihre Büros zurückkehren. Klar ist für die Mehrheit: Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Nur die wenigsten wollen künftig darauf verzichten, zeigen etliche Umfragen.

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Alle ins Büro zurück oder nicht? Diese Frage stellen sich Firmen gerade
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"Die Unternehmen schauen gerade, was möglich ist, wie vorhandene Lösungen angepasst oder neue Regeln aufgestellt werden können – andere rufen zur Rückkehr auf, um mit vereinten Kräften anzupacken", sagt Christian Marquart vom Kompetenzteam "New Work, New Business" der Stadt Wien. Eine Lösung für alle gebe es nicht, sagt Marquart. Manche haben strikte Regeln: etwa fixe Bürotage oder ein frei verfügbares monatliches Kontingent an Remote-Work. Andere überlassen ihren Angestellten die Entscheidung, wo und wann sie arbeiten (siehe unten).

Marquart plädiert dafür, den Mitarbeitern viel Freiraum zu geben. Eine Untergrenze für mögliche Remote-Tage als erster Schritt einer branchenübergreifenden, kollektivvertraglichen Arbeitsflexibilisierung kann sich Marquart aber vorstellen: "30 Prozent Remote und 70 Prozent Anwesenheit – wer mehr bieten will, kann das tun. Das würde zu enormen Flexibilisierungs- und Motivationsschüben führen."

Festgelegte Tage

Ökonom Bloom ist hingegen für fixe Tage: Montag, Mittwoch, Freitag für Meetings und kreatives Arbeiten im Büro, Dienstag und Donnerstag konzentriertes Schaffen zu Hause. So umgehe man auch die Sorge, dass das Wochenende remote verlängert wird. Wichtig sei laut Marquart, dass das Modell zu Firma und Bedürfnissen der Angestellten passt. "Homeoffice von der Stange geht nicht. Es muss zu Tätigkeit und Lebensphase passen."

Viele Eltern, gerade Mütter, wünschen sich mehr Homeoffice, um Job und Familie zu vereinbaren. Das birgt Risiken: Es sinke die Diversität vor Ort, wenn vor allem Frauen mobil arbeiten, zudem würden Heimarbeiter bei Beförderungen benachteiligt, weiß Marquart: "Selbst wenn sie noch so viel leisten, da zählt Präsentismus." Junge Beschäftigte wollen laut Studien eher ins Büro zurück. Zumal es für sie ein wichtiger Teil des Soziallebens ist und sich viele im Lockdown isoliert fühlten. Gleichzeitig fordern sie flexible Modelle, würden sogar kündigen, wenn es kein Homeoffice gibt, zeigt eine EY-Befragung. Künftig wollen 31 Prozent der Beschäftigten daheim arbeiten, 15 Prozent vor Ort und 54 Prozent hybrid, ergab eine Umfrage von Clickmeeting im April unter 731 Angestellten im DACH-Raum.

Letztlich ist die Entscheidung für das Hybridoffice nicht nur eine Weichenstellung für die Zukunft, sondern auch relevant für Mitarbeiterbindung und -suche. Und schließlich wirkt es sich laut Studien auf die Produktivität und Zufriedenheit der Beschäftigten aus – solange sie nicht immer im Homeoffice sind.

Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Aber in welcher Form?
  • IT & Technologie: Die Vorreiter bei flexiblem Arbeiten

Es ist naheliegend, dass jene Branche, die Homeoffice in heutiger Form durch ihre Produkte erst möglich macht, auch aufgeschlossen gegenüber dieser Arbeitsform ist. In der deutschen IT-Branche war die Homeoffice-Quote im Juni mit 76 Prozent am höchsten, schätzt das Ifo-Institut. "Bei der IBM gibt es seit vielen Jahren die freie Einteilung der Arbeitszeit und des Ortes", sagt Österreich-Generaldirektorin Patricia Neumann. Das Modell werde aktiv gelebt. Anstrengend seien die Phasen gewesen, in denen wegen der Pandemie nur Homeoffice gemacht wurde, da der persönliche Kontakt zu kurz gekommen sei.

Auch bei A1 wurde vor Corona Homeoffice angeboten, was es im März 2020 erleichtert habe, schlagartig mehr als 4000 Mitarbeiter remote arbeiten zu lassen. Mit einer Betriebsvereinbarung stellt sich A1 auf die postpandemische Zeit ein, wonach Mitarbeiter wählen können, wie oft sie im Büro sein wollen. Wobei nicht alle Be reiche gleich gut geeignet seien: "Es gibt kein ,one size fits all‘", sagt Personalchef Fred Mahringer.

Für die derzeit etwa 500 Mitarbeiter der Wiener Bitcoin -Handelsplattform Bitpanda war Homeoffice schon vor Corona Standard. Warum? Weil es "ein wichtiges Asset ist, um als attraktiver Arbeitgeber im Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen."

  • Baubranche: Die digitale Baustelle nimmt Formen an

Der Bausektor ist nicht zwingend ein Bereich, der nach großflächigem Einsatz von Homeoffice klingt – gemacht wurde es aber schon vor der Pandemie. Bei der Strabag wurde in den vergangenen Jahren viel in digitale Kommunikation investiert, was durch die Pandemie zusätzlichen Schwung erfahren habe. Die Digitalisierung der Baustelle sei weit vorangeschritten, was für einen Teil der Mitarbeiter Homeoffice ermögliche. Dies will Strabag auch bei der Planung neuer Bürogebäude – Stichwort Desksharing – berücksichtigen. Aber eines stellt der Baukonzern klar: "Wir werden nie so hohe Homeoffice-Anteile wie die IT- oder Finanzbranche haben."

Von einer ähnlichen Entwicklung berichtet Porr-Chef Karl-Heinz Strauss: "Homeoffice hat sich als fixer Bestandteil unserer Arbeitswelt etabliert, und wir machen insgesamt sehr positive Erfahrungen damit." Wichtig sei eine gesunde Balance zwischen Home office und Büro. Dann gilt für ihn: "Hybrides Arbeiten kann das Beste aus zwei Welten sichern."

Auch bei Habau habe es schon die Möglichkeit für gelegentliches Arbeiten im Homeoffice gegeben. Laut Firmenchef Hubert Wetschnig würden die meisten Mitarbeiter aber lieber im Büro als zu Hause arbeiten. Dennoch betont er: Ein vollständiges Zurück zur alten Normalität werde es nicht geben.

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Wenn alle remote arbeiten, bleibt das Office leer – nur Homeoffice ist aber laut Experten auch keine gute Lösung
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  • Finanzinstitute: Auch Filialmitarbeiter dürfen ins Homeoffice

Die Finanzbranche erscheint aufgrund der hohen Durchdringung von Bildschirmarbeit gut geeignet für Arbeiten in den eigenen vier Wänden. Wie ist es im Praxistest der Corona-Lockdowns gelaufen? "Homeoffice hat sich sehr bewährt und wird auch nach der Pandemie ein wichtiger Teil unserer Arbeitskultur bleiben", sagt Robert Bilek, Personalchef der Wiener Städtischen. Ein Vorteil sei, dass Mitarbeiter die Zeit zu Hause meist effektiver nutzten, da sie weniger abgelenkt seien. Dazu komme, dass es weniger Krankenstände gebe. Ausschließliches Arbeiten von zu Hause aus wird es Bilek zufolge aber nicht geben, zumal auch die Mitarbeiter eine Mischform wünschten. Sein Fazit: "Corona war der Gamechanger, der die Lage komplett veränderte und die Akzeptanz von Homeoffice massiv erhöhte."

Bei der Erste Bank gilt im Büro die Drei-G-Regel bei einer 50-prozentigen Belegung ohne Maske. Man motiviere Mitarbeiter, weiter auch Homeoffice zu nutzen. Das "mobile Arbeiten" habe in der Bank Tradition, Basis dafür seien Einzelvereinbarungen mit den Mitarbeitern. In der Bank Austria gibt es folgende Regel: zwei Tage Homeoffice pro Woche für Austria-Campus-Mitarbeiter, ein Tag für Filialmitarbeiter. Aus Sicht der Bank "ist das Remote-Konzept die moderne Arbeitsweise".

  • Öffentlicher Sektor: Neue Arbeitsformen fassen nur langsam Fuß

Der öffentliche und staatsnahe Sektor mit Präsenzkultur und Stechuhrmentalität reagiert bekanntlich gemächlich auf flexible Arbeitstrends. Corona hat viel vorangetrieben, dennoch "werden die in einigen Jahren da sein, wo andere jetzt sind", ist New-Work-Experte Marquart überzeugt. Im Jänner zeigte ein STANDARD-Rundruf bereits, dass Homeoffice im öffentlichen Sektor nicht flächendeckend möglich ist und vielerorts die jeweilige Chefin oder Abteilungen entscheiden, wie sie das flexible Arbeiten regeln.

Bei der Post sind derzeit 60 Prozent der Beschäftigten vor Ort, ab August sollen es 80 Prozent sein, sofern sich die Pandemie positiv entwickelt. Die Vorgesetzten entschieden, wie oft die Mitarbeiter – mit Drei-G-Nachweis – vor Ort sein müssen, sagt Post-Sprecher Markus Leitgeb. Wie das hybride Arbeiten künftig aussehen soll, werde gerade auf Basis einer Mitarbeiterbefragung erarbeitet.

Weiter ist man bei der Wien Energie. Der Energieversorger hat bereits 2019 einen New-Work-Prozess gestartet, seit Oktober gibt es ein flexibles Arbeitsmodell für jene, die remote arbeiten können: Drei Tage mobiles Arbeiten, zwei Tage vor Ort, bei flexibler Gleitzeit. Über 1500 Mitarbeiter – rund 60 Prozent der Belegschaft – nutzen das Modell und dürfen selbst entscheiden, wann sie wo arbeiten.

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Ein Teil im Büro, ein Teil zuhause. Gerade für Führungskräfte kann das hybride Arbeiten zur Herausforderung werden
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  • Präsenz gewünscht: Wo Homeoffice die Ausnahme bleibt

Homeoffice war lange ein Privileg für einige wenige. Und es gibt weitaus mehr Jobs, die nur vor Ort funktionieren. Etwa im Gesundheitsbereich, Tourismus oder Industrie. Doch auch wenn es möglich wäre, entscheiden sich einige Beschäftigte und Firmen dagegen. KMUs, häufig inhabergeführt, hätten laut Marquart immer noch Bedenken. "Vielfach besteht eine Misstrauenskultur, dass zu Hause nichts gearbeitet wird." Auf der Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu liest man in aktuellen Bewertungen, dass etwa Red Bull kein Homeoffice ermögliche. Oder wenn, sei es nicht gern gesehen. Auf die STANDARD-Anfrage, ob und wieso man Arbeit vor Ort vorziehe, gab Red Bull keine Antwort. Generell zeigen sich Homeoffice-Skeptiker bei dem Thema meist zugeknöpft.

Einblick gewährt hingegen die Donau Touristik in Linz, wo man Präsenzarbeit grundsätzlich bevorzugt. Das sei der Tätigkeit geschuldet, heißt es auf Anfrage: Etwa 85 Prozent der 200 Mitarbeiter seien im Reisecenter oder telefonisch stets in Kundenkontakt. In der Kurzarbeit seien wenige Mitarbeiter, getestet und mit Abstand, vor Ort gewesen. Teilzeit-Kollegen dürften weiterhin, sofern möglich, im Homeoffice arbeiten. Und in der Nebensaison – wo ohnehin Kurzarbeit ist – ziehe man eine Viertagewoche in Betracht. (Alexander Hahn, Selina Thaler, 18.7.2021)