Nach seinem Rauswurf bei Microsoft hangelte sich Klammer von einem Nebenjob zum nächsten.

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Kennen Sie diesen Kollegen, der seine Mitmenschen ständig bei der Arbeit unterbricht, sie zum unpassendsten Zeitpunkt mit lästigen Fragen quält und mit lähmender Aufdringlichkeit seine Hilfe anbietet – nur um dann letzten Endes doch keinen nützlichen Beitrag zu leisten? Die Rede ist von Karl Klammer beziehungsweise dem englischsprachigen Äquivalent namens "Clippy".

Die sprechende Büroklammer mit den Glubschaugen erblickte erstmals mit Office 97 das Licht der Welt, Gerüchten zufolge auf Basis einer Initiative von Melinda Gastes. Karl Klammer war seitdem standardmäßig in den Office-Produkten aktiviert und meldete sich stets mit einem Klopfen an die innere Seite des Bildschirms zu Wort, wenn er glaubte, der Zeitpunkt sei gerade passend.

Nur: Passend war der Zeitpunkt nie. So fragte er etwa, ob man einen Brief schreiben wolle, sobald der User das Wort "Liebe" in die Tasten hämmerte. Bat der User ihn tatsächlich mal um Rat, so konnte er erst recht keine zufriedenstellende Antwort geben. Das frustrierte die Menschen so sehr, dass sich im Jahr 2003 sogar eine wissenschaftliche Arbeit der Stanford University der Frage widmete, warum so viele Menschen "die Büroklammer" hassen.

Das schlechte Feedback zwang Microsoft, sich schrittweise von seinem virtuellen Mitarbeiter zu trennen. Zuerst wurde er in Kurzarbeit geschickt, indem man ihn 2001 mit Office XP standardmäßig deaktivierte. Da die Beschwerden über sein Verhalten aber weiterhin nicht abrissen, entschied man sich mit Office 2007, endgültig getrennte Wege zu gehen. Und die Kündigung verlief alles andere als harmonisch: Zum Release von Office XP veröffentliche Microsoft Zeichentrickfilme, in denen man sich über Klammers Inkompetenz mokierte. Es heißt, er habe auch im internen Kollegenkreis einen schlechten Ruf gehabt.

Seit seinem Rauswurf bei Microsoft hangelte sich Klammer durch diverse Nebenjobs. Er wurde zur beliebten Meme-Vorlage, traf in Internet-Comics auf und wurde sogar zum Protagonisten eines erotischen Romans namens "Conquered by Clippy".

Nun scheint man bei Microsoft jedoch vergeben und vergessen zu haben. Denn der Konzern teilt mit, dass Klammer eine zweite Chance bekommt – wenn auch nicht in seinem Brotberuf als Assistent, sondern als schweigsamer optischer Ersatz für das ursprüngliche Büroklammer-Emoji. Es wird erwartet, dass er in dieser Rolle dem Ruf seines Arbeitgebers weniger schaden kann. (Stefan Mey, 17.7.2021)