Im zweiten Stock bricht ein Vulkan aus. Ein Schraubverschluss fliegt aus dem selbstgebastelten Feuerberg mit einem Plopp in die Luft. Dann folgt eine rote Masse. Dass hinter dem Ausbruch eine chemische Reaktion zwischen Backpulver und Essig steckt, fasziniert die Kinder. Eine Schülerin hat auch einen echten Vulkanstein mitgebracht, der herumgereicht wird. In dem einen Turnsaal wird unter Gejohle gedribbelt, gepasst und geschossen, im anderen entspannen die Schüler nach den akrobatischen Kinderyoga-Übungen samt Sonnengruß. Und im ersten Stock lernen die Kinder spielerisch, wie einzelne Kärtchen auf dem Boden so gelegt werden können, dass sich daraus eine spannende Geschichte ergibt, welche sie auch wortreich aufschreiben können.

Auf der Suche nach der spannenden Geschichte.
Christian Fischer

In der Ganztagsvolksschule Schäffergasse mitten im vierten Wiener Bezirk spielt es sich an diesem Mittwoch ab, frage nicht. Und dabei stand für die Sechs- bis Zwölfjährigen noch nicht einmal das Mittagessen auf dem Programm. Die Schule ist in den Sommerferien einer von insgesamt 35 Standorten der Summer City Camps der Stadt. Kinder und Jugendliche mit Hauptwohnsitz in Wien können hier in Gruppen von bis zu 20 Kindern – betreut und getestet – eine unbeschwerte, abwechslungsreiche Zeit erleben.

Auf gemeinsame Aktivitäten im Turnsaal mussten Kinder wegen Corona lange verzichten. Der Spaß bei den Yoga-Übungen ist ihnen ins Gesicht geschrieben.
Foto: Christian Fischer

Das Ziel ist ein Mix aus Spiel, Spaß und Lernen – und auch der Sport soll nach den ganzen Corona-Einschränkungen samt Homeschooling nicht zu kurz kommen. Das haben sich die Schüler in den Ferien auch verdient. Beim Lernen stimmen die Kinder da vielleicht weniger zu. "Wobei das Ganze von unseren Betreuerinnen und Betreuern an diesem Standort am besten so verpackt wird, dass es nicht auffällt, dass jetzt auch gelernt wird", sagt Jakob Springer.

Spielerisches Lernen, das am besten auch Spaß macht.
Christian Fischer

Fast ausschließlich Studierende

Springer ist für den Wiener Familienbund tätig. Er koordiniert die sieben Standorte, für die die Organisation im Rahmen der Wiener Sommercamps zuständig ist. Die restlichen Trägerorganisationen sind die Wiener Kinderfreunde sowie die Vereine Hi Jump Wien und Zeit!Raum. Alleine in der Schule in der Schäffergasse werden fünf Gruppen mit insgesamt 100 Kindern von sechs bis zwölf Jahren betreut. "Dafür wurden auch 140 Mitarbeiter saisonal für die Camp-Betreuung angestellt", sagt Springer. Zum Einsatz kommen fast ausschließlich Studierende.

In einem von den Betreuern gekaperten Zimmer wurde auf einer Schultafel der Stundenplan für die fünf Gruppen niedergekritzelt. Gruppendurchmischungen, wie sonst üblich, gibt es diesmal nicht. "Corona hat uns leider unflexibler gemacht", meint Springer. Aber die Kinder seien froh, dass sie wieder gemeinsam etwas in Gruppen machen und neue Freunde kennenlernen könnten.

Diese Woche steht unter dem Motto "Forschen und Entdecken": Da wird auch einem Vulkan beim Ausbrechen zugesehen
Christian Fischer

Geboten wird mit Kooperationspartnern alleine in dieser Woche einiges: Es gibt etwa Ganztagesausflüge auf die Donauinsel und zum Wasserpark, wo der Club "Umweltspürnasen" die Kinder auf Entdeckungsreise durch die Tier- und Pflanzenwelt mitnimmt. Neben Ausflügen ins Schwimmbad werden vom Verein ASKÖ auch Schwimmkurse angeboten, die über zwei Wochen laufen. Es geht in die Bibliothek, zum Motorikpark, ins Zoom Kindermuseum, auf Blättersuche in den Wald oder auf Schnitzeljagd durch den ersten Bezirk. Und in der Schule selbst wird gesportelt, experimentiert, gelesen und gelernt.

Integrative Deutschförderung

Dazu kommen an dem Standort fünf Stunden integrative Deutschförderung pro Woche. "Da wird sinnerfassend gelesen und alles spielerisch mit Sprache verpackt", erzählt Katharina Bischof, die ihre Ferien vom Studium bei der Pädagogischen Hochschule hier verbringt. Vor allem Kinder mit Deutsch als Zweitsprache würden enorm profitieren. Und bei Leseratten wie Hannah, Oliver und Marko, die sich ihre Bücher schnappen und sich auch mal ruhig zurückziehen, schauen sich auch die anderen etwas ab. Bischofs Studienkollegin Julia Scharler leitet hier den Camp-Standort und übernimmt nach dem Sommer erstmals eine Volksschulklasse als Lehrerin. "Die Ferien hole ich nach, in Zukunft kann ich noch genug auf Urlaub fahren", meint sie.

Eine Gruppe macht sich gerade auf zum Ausflug in den Wald, wo es viel zu entdecken gibt.
Foto: Christian Fischer

In der Schäffergasse gibt es auch Inklusivgruppen, wo Kinder mit besonderen Bedürfnissen genauso überall mitmachen – auch beim Kinderyoga unter Instruktorin Nicole von Charmaine Yoga. Für sie gibt es zusätzliche Betreuerinnen und Betreuer in den Kursen: wie Dóra Szalai, die in Deutschland Kindheitspädagogik studiert sowie eine Berufsausbildung zur Erzieherin absolviert hat und im Master für Bildungswissenschaften steckt. "Hier haben wir fast mehr Ressourcen als in den Schulen", sagt Szalai. In den Gruppen kommen zwei Betreuerinnen und Betreuer auf 20 Kinder, in den I-Klassen mit vier Inklusivkindern sind es bis zu fünf.

An sechs Standorten der Summer City Camps gibt es für Kinder mit Lerndefiziten, die intensivere Nachhilfe benötigen, auch Programme mit Lernförderkursen in Deutsch und Mathematik am Vormittag sowie Freizeitbetreuung am Nachmittag. Für Jugendliche rund um den Pflichtschulabschluss finden auch kostenlose zweiwöchige Lernkurse mit Deutsch, Mathematik und Englisch als Schwerpunkt statt. Optional wird auch hier ein Freizeitprogramm angeboten.

Fußballtrainer Antonio schwört die Kids auf das gemeinsame Training ein.
Christian Fischer

Um mögliche Lerndefizite zu minimieren, gibt es auch wieder die Sommerschulen des Bundes in den zwei letzten Ferienwochen. Österreichweit haben sich 38.800 Kinder und Jugendliche angemeldet, davon 10.000 in Wien. Im Vorjahr waren es 22.500. Der Hauptfokus liegt auf Deutsch und Mathematik, es gibt aber auch fächerübergreifende Inhalte. Die Teilnahme ist freiwillig und kostenlos.

24.300 Camp-Plätze

In den Wiener Summer City Camps stehen 24.300 Plätze zur Verfügung. Teilnehmende Schülerinnen und Schüler sind es deutlich weniger, weil viele auch für mehr als eine Woche angemeldet wurden. Das Angebot wurde im Frühjahr von Bildungsstadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) aufgrund des Andrangs und verärgerter Eltern, die nicht zum Zug kamen, um 3200 Plätze aufgestockt. Die Nachfrage, um Kinder betreuen zu lassen, war bei den Eltern nach dem Corona-Schuljahr sehr hoch. Die Camps laufen von Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr. Frühbetreuung ist aber bereits ab 7.15 Uhr möglich, die Abholung bis 18 Uhr. Die Kosten für eine Woche betragen inklusive Mittagessen 50 Euro. Für das zweite oder dritte Geschwisterkind sind es 25 Euro.

Im Turnsaal wird bei den gemeinsamen Übungen jede und jeder angefeuert.
Christian Fischer

Im Turnsaal der Volksschule Schäffergasse wird knapp vor dem Mittagessen noch einmal richtig gejohlt und geschrien. Da kann die Deutschförderung noch so gefinkelt und hinter Spielen gut versteckt sein: Gegen Fußball ist beliebtheitsmäßig kein Kraut gewachsen. Trainer Antonio Palumbo vom Verein Dynamo Kids hat die jungen Kickerinnen und Kicker, die nach Koordinationsübungen zum Aufwärmen im Rudel dem Ball nachjagen, im Griff. "Die allerwichtigste Regel ist: nicht foulen!", sagt Antonio. "Was heißt foulen?", fragt ein Junge.

Antonio braucht das gar nicht groß zu erklären, das erledigen die Kids faszinierend wortreich untereinander, eine regelrechte Diskussion zum Thema entspannt sich, die weit über den Fußball hinausgeht. Auch beim Fußball wird also spielerisch gelernt. (David Krutzler, 16.7.2021)

Christian Fischer