Übungsleiter Matthias Jaissle (33) gibt die Richtung vor, die bei Serienmeister Red Bull Salzburg immer Richtung Titel und Erfolge führen muss.

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Noch vor dem ersten Anpfiff der anstehenden Bundesliga-Saison brachte Matthias Jaissle einige ins Schwitzen. Gut, es war ohnehin ein heißer Tag in Wien, als die Bundesliga zum "Kickoff-Event" für die nächste Spielzeit einlud. Kickoff-Event ist Manager-Neusprech für Auftaktveranstaltung, in jenem seltenen Fall aber durchaus passend. Nach einführenden Worten von Vorstand Christian Ebenbauer und der Präsentation des neuen Hauptsponsors wurden im Museum für angewandte Kunst die Trainer und Kapitäne aller Ligavereine zu Kurz-Interviews auf die Bühne vor Medienvertreter gebeten. Drei-G-Regel und Maskenpflicht waren selbstverständlich.

Zwölf Vereine spielen in der Liga, es ging von hinten nach vorn, Peter Pacult und sein Kapitän Kosmas Gkezos von Aufsteiger Austria Klagenfurt machten den Anfang. Als zehn Klubs später bereits Didi Kühbauer und Christopher Dibon über ihre Rolle als Salzburg-Jäger und die Erwartungen für die neue Saison sprachen, schlich sich ein Mann aus der ersten Reihe aus dem Saal. Er hatte die Ruhe weg, die Augen der Personen, die für den Ablauf zuständig waren, wurden größer, man konnte selbst im abgedunkelten Saal Stirnrunzeln erkennen.

Matthias Jaissle hatte Durst, der neue Salzburg-Cheftrainer schaffte es aber rechtzeitig auf die Bühne. Wüsste man es nicht besser, könnte der 33-jährige Deutsche auch als Spieler oder Kapitän durchgehen. Das weiße Hemd sitzt perfekt, die Ärmel sind hochgekrempelt, die Sneaker blitzblank. Im lässig-schicken Outfit würde man dem neuen Übungsleiter des österreichischen Serienmeisters auch eine Dachgeschoßwohnung abkaufen oder das Ersparte auf sein Geheiß anlegen.

Legenden-Kontrast

Gerade im Vergleich zu anderen Klubs der obersten österreichischen Spielklasse, die mit Andreas Herzog, Didi Kühbauer, Andreas Heraf, Kurt Russ und Peter Pacult auf legendär Österreichisches setzen, ist der Kontrast, den Salzburg mit Jaissle geht, hervorstechend. Sein Auftritt ist erwartbar souverän, Mimik und Gestik lässig, wie sein Outfit. "Die Titel in der Meisterschaft und im Cup sind wieder unser Ziel. Ich gehe das mit einer gewissen Vorfreude an", sagt Jaissle. Red Bull Salzburg ist seine erste Station als Trainer einer Kampfmannschaft. Nach dem Abgang von Bo Svensson wurde der gebürtige Baden-Württemberger von Salzburgs U18 hochgezogen und als Coach des Kooperationsteams Liefering installiert. Er holte in 17 Spielen elf Siege. Das bevorzugte Spielsystem ist das 4-4-2. Dass Jaissle als Nachfolger von Erfolgstrainer Jesse Marsch (zweimal Meister und Cupsieger in Österreich und zwei Champions-League-Teilnahmen), der zu RB Leipzig wechselte, präsentiert wurde, ist die Konsequenz der vergangenen Jahre in der Red-Bull-Trainerpolitik. Die Zeit der bekannten, ausländischen Namen ist vorbei, es wird im eigenen Teich gefischt. Jaissles Vorgänger Marco Rose und Jesse Marsch hatten beide bereits Visitenkarten aus dem System Red Bull.

Sportdirektor Christoph Freund sagte zur Bestellung: "Für Matthias Jaissle spricht Matthias Jaissle. Er ist jung, ambitioniert und passt so richtig gut zu unserem Klub. Er war daher unsere Wunschlösung." Die aktive Karriere des Abwehrspielers war kurz: Beim VfB Stuttgart ausgebildet, fasste er im Erwachsenenfußball bei der TSG Hoffenheim Fuß, ehe er nach schweren Verletzungen mit 26 Jahren seine Karriere beenden musste.

Gesagt, gejagt

In Salzburg werden Titel und Erfolge gefordert, ja fast erwartet. Red Bull ist seit Jahren unangefochten an der Spitze. Das bringt Druck, aber eben auch Möglichkeiten mit sich. Aber gerade die Offensive könnte man aktuell als Baustelle ausfindig machen: Mit den Abgängen von Patson Daka zu Leicester City und Enock Mwepu zu Brighton & Hove Albion sowie der schweren Verletzung von Sekou Koita (Kreuzbandriss) würden den Salzburgern 61 Tore wegfallen. Jaissle weiß um den Verlust: "Das ist schwer zu kompensieren. Wir haben aber großes Vertrauen in unseren Kader, wir haben ganz junge Toptalente, die jetzt in die Bresche springen müssen." Auf dem Papier sind das Karim Adeyemi (19), Rückkehrer Junior Adamu (20), Noah Okafor (21) und der vom FC Liefering beförderten Benjamin Sesko (18). Jaissle selbst spricht von einer "Qual der Wahl".

Ist Salzburg also heuer zu bezwingen, oder folgt der neunte Meistertitel in Folge? Jaissle weiß um den Status des Gejagten: "Es wird wieder einige Mannschaften geben, die uns ärgern möchten." Das Ziel ist klar, der Weg dorthin zumindest vorgezeichnet. Laut Jaissle gibt es im Biotop, im System "Red Bull Salzburg" eine Vorgabe zur Spielidee, die für ihn wie die Leitplanken auf einer Autobahn sind: "Das will ich nicht ändern, trotzdem will ich meine eigene Note einbringen." Details würde man wohl im Lauf der Saison sehen. Zum Auftakt der Spielzeit trifft Salzburg mit Sturm Graz gleich auf einen vermeintlichen Jäger. Die Generalprobe im ÖFB-Cup gewann Salzburg am Freitag gegen Hertha Wels mit 4:1. (Andreas Hagenauer, 17.7.2021)