Foto: Police Simulator: Patrol Officers
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Polizeiarbeit ist schon länger ein heikles Thema. Die Wenigsten werden bestreiten, dass das Aufrechterhalten von Ordnung letztlich auch eine Macht braucht, die diese im Zweifelsfall durchsetzt. Doch mit großer Macht kommt bekanntlich auch große Verantwortung. Und wie diverse Fälle von Amtsmissbrauch und Polizeigewalt auch in Österreich immer wieder einmal zeigen, ist nicht jeder Mensch in Uniform dieser Verantwortung gewachsen.

Wie man sich selbst so als Hüter von Recht und Ordnung schlägt, soll man nun in Police Simulator: Patrol Officers (Windows) erproben könnten. Das Game von Aesir Interactive ist im Sortiment des stark auf Simulationen spezialisierten Publishers Astragon kürzlich im Early Access erschienen. DER STANDARD hat den virtuellen Alltag auf der Streife erforscht.

In dem Spiel heuert man als Polizistin oder Polizist im Brighton Police Department an, wobei der Ort nichts mit dem bekannten Ort an der südenglischen Küste zu tun hat. Die virtuelle Stadt besteht aus drei Bezirken, die wiederum in mehrere Nachbarschaften unterteilt sind. Jeden Tag gilt es, in einem solchen für 8 Stunden zu Fuß oder im Streifenwagen Runden zu drehen und mit fortlaufendem Aufstieg neue Aufgaben zu erledigen.

astragon

Falschparker, Müllwegwerfer und Haftbefehle

Der Anfang allerdings ist … langweilig. Sehr langweilig sogar. Man schlendert oder läuft durch die Straßen und sucht falsch geparkte Autos. Immerhin lernt man dabei, dass es in Brighton eine erstaunliche Vielfalt an strafwürdigen Parksünden gibt. Von den offensichtlichsten, wie abgelaufenen Parkuhren, reicht die Palette zu "Reifen am Gehsteig", "zu nah am Fußgängerübergang" bis hin zu "steht korrekt, aber gegen die Fahrtrichtung".

Tickets steckt man aber nicht nur hinter Scheibenwischer. Wird die Parkraumüberwachung langweilig, kann man auch Passanten zur Rechenschaft ziehen, wenn sie rote Fußgängerampeln ignorieren oder Müll auf die Straße werfen. Das Spiel bietet dabei zum Start eine "Easy-Mode-Konfiguration" an, die alle Verstöße beim ersten Antreffen deutlich anzeigt und bestimmte Vergehen – wie besagtes Fußgängerrabaukentum – sogar beständig meldet. Es macht das Alter Ego allerdings etwas zu hellsichtig, denn so bemerkt man Sündenfälle auch, wenn sie hinter einem Rücken oder hinter einem Gebäude stattfinden. Was aber ohnehin nicht hilft, denn das über dem sündigen Passanten aufpoppende Rufzeichen verschwindet nach einer kurzen Weile wieder.

Spannender wird es, sobald das Spiel beginnt, Hinweise auf ungewöhnliches Verhalten von Angehaltenen zu geben. Das muss es auch, denn abseits von betrunkenem Lallen und wenigen anderen Dingen gibt es noch keine guten visuellen oder akustischen Indikatoren. Wer möchte, kann von Angehaltenen den Ausweis verlangen, sie abtasten oder auch gründlicher Durchsuchen. Unter Umständen regt sie das zur Flucht an, was in 100 Prozent der Fälle bedeutet, dass sie entweder per Haftbefehl gesucht werden oder einen illegalen Gegenstand mitführen.

Foto: Police Simulator: Patrol Officers

Wer wegläuft, wird getasert

Und wenn es darum geht, Flüchtige einzufangen, ist das Spiel nicht zimperlich. Die Möglichkeit, sie per "Polizeigriff" oder einem Tackling am weiteren Weglaufen zu hindern, besteht erst gar nicht. Die derzeit einzige Option ist der Taser, dessen Effekt ausgesprochen harmlos dargestellt wird. Trifft man, fällt die getroffene Person zu Boden, zuckt kurz, steht wenige Sekunden später wieder auf, und stellt sich mit erhobenen Händen hin. Die Befragung kann fortgesetzt werden und man kann die Handschellen klicken lassen.

Für jede erfüllte gesetzeshüterische Tat kassiert man Punkte. Mit diesen steigt man im Level auf, was wiederum neue Nachbarschaften, Ausrüstungen und Schichten freischaltet. So arbeitet man sich von der Fußstreife für Park- und Müll-Angelegenheiten binnen weniger Einsätze hoch zum fahrenden Ordnungshüter, der Unfälle abwickelt und Tatorte inspiziert.

Verkehrscrashes möglichst korrekt und somit punktereich zu behandeln, ist eine Geduldsübung. Nummernzeichen wollen überprüft werden, Verletzte von der Rettung abgeholt, Fahrer und Zeugen befragt sowie auf Alkohol- und Drogeneinfluss getestet werden. Fahrzeuge lassen sich auch durchsuchen, etwa wenn Verdacht auf Drogenbesitz besteht. Jedoch muss man zu jeder Tür und den Kofferraum einzeln hingehen und die Animation über sich ergehen lassen, um gründlich zu sein. Auch das Wechseln zum Polizeicomputer, um Einträge für Führerscheine und Kennzeichen in der Datenbank zu lesen, wird stets von einer kurzen Bewegungsfolge eingeleitet.

Das "Grande Finale" ist freilich die Festnahme von Verkehrssündern, die unter Einfluss unterwegs waren oder schlicht per Haftbefehl gesucht werden, ehe man den Verkehrsfluss wieder herstellt, in dem man die Unfallfahrzeuge abschleppen lässt. Übrig gebliebenen Beteiligten kann man für Extrapunkte auch noch vorher den Unfallbericht aushändigen. Sobald man den Abschleppwagen für ihr Vehikel angerufen hat, geht das nicht mehr, da sie sich dann plötzlich in normale Passanten verwandeln, die scheinbar keinerlei Bezug mehr zur gerade erst aufgelösten Blechschlange haben.

Foto: Police Simulator: Patrol Officers

Wer in Unfälle gerät, entscheidet das Spiel per Zufall. Die Quote an mit Haftbefehlen gesuchten Personen in Brighton ist aber ausgesprochen hoch, denn kaum ein Unfall führte im Test nicht zu einer Festnahme aus diesem Grunde, selbst wenn die Person den Crash gar nicht zu verantworten hatte. Bei Tatorteinsätzen ist das Prozedere sehr ähnlich, nur dass man hier von den Zeugen mit etwas Glück eine schlüssige Täterbeschreibung bekommen kann und es keine Autos zu durchsuchen gibt.

Was dafür fast gar nicht passiert – und die Radarpistole als Ausstattungsstück weitgehend nutzlos macht – ist Raserei. Eine weitere Aufgabe, die auch als Folge einer Tatortuntersuchung beginnen kann, ist dann noch die Suche nach einer verdächtigen Person anhand bestimmter Merkmale in einem recht großen Areal. In der aktuellen Ausgestaltung ist das keine besonders originelle Übung, da man im Prinzip auf gut Glück im definierten Gebiet herumläuft, bis dieses von der Zentrale "verschoben" wird oder man vielleicht auf die Zielperson stößt.

Problematischer Pedantenbonus

Das Problem an der Gestaltung des Police Simulators ist, dass er durch sein Punktesystem dem Spieler einen Anreiz gibt, Leute schon für geringe Anlässe wie das Wegwerfen einer Getränkedose nach ihrem Ausweis zu fragen und zu Durchsuchen, in der Hoffnung, vielleicht auf einen offenen Haftbefehl, illegales Gepäck oder wenigstens auf einen abgelaufenen Ausweis zu stoßen. Auch Strafmaximierung lohnt sich oft. Kleine Sünden kann man mit einer mündlichen Verwarnung lösen, aber bereits ein am Gehsteig abgestelltes Auto kann man zuerst mit einem Parkticket dekorieren und für weitere Punkte auch noch abschleppen lassen.

Ebenso zahlt es sich aus, einzelne Strafen für Dinge wie abgelaufene Autoversicherungen gegen Personen zu verhängen, bevor man sie ohnehin aufgrund eines aktiven Haftbefehls festnimmt. Am Rande erwähnt, weil nicht als Teil der Spiellogik gedacht, sei auch noch die Möglichkeit, Vergehen zu provozieren, in dem man sich Passanten so in den Weg stellt, dass sie beim Vorbeigehen kurz auf die Straße treten – um sie dann sofort wegen einem angeblichen Versuch, die Straße illegal zu überqueren, völlig legal anhalten zu können.

Foto: Police Simulator: Patrol Officers

Es gibt auch eine Art Karmasystem, bei dem für Missetaten wie Durchsuchungen ohne Anfangsverdacht (Stop-and-Frisk) Punkte abgezogen werden. Aktuell ist dieser Punktestand aber so hoch, dass man sich diverse Fehltritte leisten kann, ehe man entlassen wird und durch den Einfluss auf die Endabrechnung nur langsamer aufsteigt, aber dennoch Karriere macht. Das gilt auch, wenn man die bestrafenden Simulationsaspekte hochdreht. Eine viel größere Gefahr als Amtsmissbrauch sind dann eigene Verkehrsverstöße. Aber selbst dann kann man sich für ein Weilchen quasi Narrenfreiheit sichern, indem man die Sirene aufdreht – natürlich sofern man keinen Unfall baut.

Technisches

Unabhängig vom gewählten Realismusgrad muss man am Ende der Schicht stets zurück ins Polizeirevier fahren oder laufen und hat dabei auch noch eine recht lange Phase, in der man sich unterwegs noch um Verstöße kümmern kann. Den Simulationsaspekt in Ehren, aber hier wäre eine optionale Schnellreisemöglichkeit eine sehr sinnvolle Ergänzung.

Technisch merkt man dem Police Simulator an, dass er kein AAA-Titel ist. Brighton ist beileibe nicht hässlich, aber alles ist um ein, zwei Detailstufen ärmer, als man es von "großen" Games kennt. Auch bei Animationen und ihren Übergängen ist dieser Unterschied offensichtlich.

Die Stadt wirkt aber recht lebendig, was auch von der realistischen Geräuschkulisse unterstrichen wird. Die Auswahl der Gesichter ist jedoch noch ziemlich klein, weswegen Brighton mitunter wie eine Stadt voller Klone wirkt. Immer wieder gibt es Sound- und Kamera-Bugs, was bei einem frühen Early Access-Game aber verschmerzbar ist.

Fazit

Police Simulator: Patrol Officers versucht, ein bisschen so etwas wie eine Antithese zu Grand Theft Auto zu sein. Wo man in dem einen Spiel immer auf der Suche nach der nächsten Schurkerei durch die Straßen zieht, ist man hier unterwegs, um Recht und Ordnung durchzusetzen. Das Spiel weiß dabei, vielleicht sogar mehr als gewollt, gut zu vermitteln, dass der Polizeialltag eben selten so aufregend ist, wie ihn Hollywood gerne darstellt. Sobald man seinen achten Unfall mit drei Beteiligten abarbeitet, beginnt die Ungeduld langsam stark am Pflichtbewusstsein zu kratzen.

Das muss freilich nicht so bleiben, denn viele Aspekte des Spieles sind noch eine Baustelle. Der kritische Umgang mit Polizeiarbeit hält sich aber stark in Grenzen. Beim Versuch, den Spagat zwischen Recht und Gerechtigkeit hinzubekommen, macht das Game bislang einen Bauchfleck und erzieht den Spieler nicht zum "Freund und Helfer", sondern zum anhaltswütigen Strafzettelausteiler, ständig auf der Suche nach offenen Haftbefehlen und abgelaufenen Führerscheinen. (Georg Pichler, 17.07.2021)