Das Wasser der Inde ist weg, der Schlamm bleibt. Vor den Häusern stapeln die Bewohner in Kornelimünster ihr beschädigtes Hab und Gut.

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Damit dieser Sperrdamm im Kreis Euskirchen nicht bricht, müssen Feuerwehren den Stausee abpumpen.

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Ein Rettungsteam in Erftstadt am Freitag.

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Nach der Unwetterkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind bisher insgesamt 143 Todesopfer gemeldet worden. Zahlreiche Menschen werden noch vermisst. Die Lage in den betroffenen deutschen Regionen blieb auch am Samstag überwiegend angespannt; mancherorts begann das Wasser leicht zurückzugehen. Zu Mittag besuchten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und NRW-Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet den schwer getroffenen Ort Erftstadt.

Steinmeier sprach von Schäden, "die unsere Vorstellungskraft übersteigen". Es gebe "Gemeinden, die von Verwüstung, von Zerstörung gezeichnet sind". Laschet sprach von einer "Jahrhundertkatastrophe". Es sei eine "nationale Aufgabe", der betroffenen Region zu helfen. Der CDU-Chef und konservative Kanzlerkandidat versprach Direkthilfe für die betroffenen Menschen und sagte zu, dass "sehr unbürokratisch Geld ausgezahlt" werde. Danach werde man zusammen mit dem Bund "strukturell" den Städten helfen müssen, den Wiederaufbau zu bewerkstelligen. Am Sonntag wird auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der schwer verwüsteten Region in Rheinland-Pfalz erwartet.

Noch zahlreiche Vermisste

In dem südwestdeutschen Bundesland lag die Zahl der bestätigten Todesopfer am Samstagabend bei 98, im nördliche angrenzenden Nordrhein-Westfalen bei 45. Es wurde befürchtet, dass noch weitere hinzukommen, weil einige Autowracks und vollgelaufene Keller noch nicht kontrolliert werden konnten. Hunderte Menschen wurden laut Polizei verletzt. Während sich das verheerende Hochwasser aus vielen Flutgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz langsam zurückzieht, wird in den Trümmern weiterhin nach Todesopfern und Verletzten gesucht. Unter den Opfern in Nordrhein-Westfalen sind vier Feuerwehrleute, wie am Samstag bekannt wurde.

Mitten im Chaos gibt es auch kleine Hoffnungsschimmer: Trotz mehrerer eingestürzter Häuser gab es zum Beispiel bisher keine bestätigten Todesopfer in dem extrem unter Wasser stehenden Stadtteil Blessem. Man könne aber nicht ausschließen, noch Tote zu finden, sagte ein Sprecher des Rhein-Erft-Kreises. In Blessem südwestlich von Köln bildeten sich nach den Erdrutschen Krater im Erdreich, drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg stürzten ein.

Wasser zieht sich langsam zurück

Während die Lage in vielen linksrheinischen Gebieten von Nordrhein-Westfalen auch am Samstag angespannt blieb, fielen in anderen Flussgebieten die Wasserstände deutlich. Lediglich im Einzugsgebiet der Ruhr überschritten einzelne Pegel noch die unterste Informationsstufe, hieß es im Lagebericht des Landesumweltamts. Das Rhein-Hochwasser bei Köln erreichte in der Nacht zum Samstag seinen Höchststand, danach fiel der Wasserstand wieder.

Die Gefahr ist aber noch nicht überall gebannt. An der Steinbachtalsperre bei Euskirchen droht trotz des sinkenden Wasserstands weiterhin ein Bruch des Staudamms. Der Damm sei "äußerst instabil", große Teile des Bauwerks seien weggebrochen, teilte die Bezirksregierung Köln am Samstag mit. Es bestehe weiterhin akute Überflutungsgefahr für die Orte unterhalb der Talsperre. Weitere Evakuierungen seien deshalb geplant.

Dammbruch an Grenze

In vielen Ortschaften in Rheinland-Pfalz funktionierte auch am Samstag das Strom- und Telefonnetz nicht. Der Schwerpunkt der Katastrophe liegt im Bundesland im Kreis Ahrweiler. Dort sind auch Brücken zerstört. Der Zugverkehr ist wegen der Überflutungen weiterhin massiv beeinträchtigt. Im Ahrtal sind etliche Straßen gesperrt oder nicht mehr befahrbar.

Unklar bleibt die Lage im nordrhein-westfälischen Wassenberg an der Grenze zu den Niederlanden: Dort wurde nach dem Bruch eines Damms des Flusses Rur der Stadtteil Ophoven evakuiert, rund 700 Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Die Straßen des Stadtteils standen unter Wasser.

Im Trierer Stadtteil Ehrang wurde am Samstag aufgeräumt, so gut es ging. Erste Bewohner kehrten zurück in ihre Häuser. Betroffen sind der Stadt zufolge 670 Häuser, bei denen im Keller und Erdgeschoss fast alles zerstört wurde.

Die in Trier wohnende rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) beklagte schwere Versäumnisse beim Klimaschutz in Deutschland. "In den vergangenen Jahren haben wir in Deutschland vieles nicht umgesetzt, was notwendig gewesen wäre", sagte die Ministerpräsidentin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).

DER STANDARD

Debatte um Klimaschutz

Die Grünen forderten eine gemeinsame Kraftanstrengung für mehr Klimaschutz. Über allem stehe jetzt noch die Rettung von Menschenleben, sagte der Bundesvorsitzende Robert Habeck am Samstag in einem Grußwort für einen kleinen Online-Parteitag der bayerischen Grünen. Anschließend müsse denjenigen, die gerettet seien, schnell und unbürokratisch geholfen werden. Und dann müsse zum einen der Hochwasserschutz mehr Raum bekommen, zum anderen brauche es stärkere Anstrengungen für mehr Klimaschutz und den gemeinsamen Kampf gegen die Erderwärmung.

Verheerend sind die Folgen der Flut auch in Belgien. Dort hat die Hochwasserkatastrophe bisher 27 Menschen das Leben gekostet. Nationale Krisenzentrum des Landes teilte mit, dass noch über 100 Menschen vermisst würden. Darunter könnten Menschen sein, die zum Beispiel ihr Handy verloren haben. Die Rettungskräfte setzten ihre Bemühungen vor Ort fort, nachdem die Regenfälle vielerorts am Freitag aufgehört hatten. In Teilen der Provinz Flämisch-Brabant sei die Situation weiterhin kritisch, hieß es am Nachmittag. In Rotselaar seien mehrere Häuser von den Fluten bedroht. Der Pegel der Demer habe einen kritischen Punkt erreicht.

In den Niederlanden kämpfen die Bewohner entlang der Maas ebenfalls mit Sandsäcken und Schutzmaßnahmen gegen das Hochwasser. Mit einem Absinken des Wassers wurde in Roermond am Sonntagmorgen und in Venlo am Sonntagabend gerechnet. (APA, 17.7.2021)