Die Spiele im Zeichen von Corona.

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Tokio – Fast schon rührend muten die Versuche der japanischen Regierung an, das sich abzeichnende Desaster der am Freitag zu eröffnenden Olympischen Spiele ganz den Olympiern zu überantworten. Premierminister Yoshihide Suga nahm kürzlich in einem Gespräch mit IOC-Präsident Thomas Bach das Internationale Olympische Komitee in die Pflicht. Die Sicherheit der Bevölkerung in der Pandemie sei zu gewährleisten. Er hoffe als Gastgeber, "dass das IOC sich bemüht", dass die Athleten und alle anderen Teilnehmer die Beschränkungen für den Kontakt mit der japanischen Bevölkerung einhalten.

Besonders innig ist die Hoffnung, seitdem die olympische Familie positive Tests auf Covid-19 zu vermelden hat. Am Sonntag wurden Infektionen innerhalb des olympischen Dorfes bestätigt. Eine dritte Person, die allerdings nicht in der Wohnanlage untergebracht ist, wurde ebenfalls positiv getestet. "Eine Nation und eine Disziplin" seien betroffen, sagte zunächst Tokio-2020-Sprecher Masa Takaya: "Sie befinden sich auf ihren Zimmern und werden mit Mahlzeiten versorgt."

Südafrikanische Fußballer

Bei den Sportlern handelt es sich um Mitglieder des südafrikanischen Fußballteams. "Wir haben drei Fälle in unserem Camp, zwei Spieler und ein Betreuer", sagte Teammanager Mxolisi Sibam. Der Betreuer sei ein Video-Analyst, der nicht im Dorf wohne. Die Mannschaft befindet sich in Quarantäne und wartet auf weitere Testergebnisse. Sie soll schon am Donnerstag ihr erstes Turnierspiel gegen Japan bestreiten. IOC-Sprecher Christian Klaue pries die Wirksamkeit der Sicherheitsmaßnahmen. "Im Olympischen Dorf kann man sagen: Mein Nachbar wird jeden Tag getestet. Damit sind die Bewohner des Dorfes die derzeit am besten getestete Gruppe weltweit."

Wenig später gab das IOC bekannt, dass sein Mitglied Ryu Seung-min (38), der Tischtennis-Olympiasieger von 2004 aus Südkorea, bei der Ankunft in Japan positiv getestet wurde. Zudem wurden am Sonntag sieben weitere Fälle bestätigt, darunter fünf lokale Mitarbeiter und ein Journalist.

Bisher 55 Fälle

Die Gesamtzahl der Covid-19-Fälle in Zusammenhang mit den Spielen, die ohnehin gegen den Willen eines Großteils der Bevölkerung durchgezogen werden, ist auf 55 gestiegen. Das IOC versucht, sich als Herrin der Lage dazustellen: "Wir halten das Risiko auf dem absoluten Minimum", sagte Olympia-Direktor Christophe Dubi. "Wir können versichern, dass eine Übertragung zwischen unterschiedlichen Gruppen fast unmöglich ist."

Präsident Bach wertete das offenbar schnelle Erkennen und Eingreifen nach den ersten positiven Tests in Tokio als Zeichen für die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen. "Vom 1. bis 16. Juli sind rund 15.000 Athleten, Offizielle und andere Akkreditierte angekommen", sagte der Deutsche, "alle wurden nach der Ankunft getestet. Von ihnen waren 15 positiv. Alle wurden sofort isoliert und sind somit keine Gefahr für andere Teilnehmer oder die japanische Bevölkerung." Schon am Freitag hatte Bach verlauten lassen, dass es "null Risiko" gebe, "dass das Virus von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den Spielen in die Bevölkerung getragen werde. Shigeru Omi, der Covid-19-Chefberater der japanischen Regierung, sieht dagegen durchaus die Gefahr eines Superspreader-Events.

Die um ein Jahr verschobenen Spiele wurden für Ministerpräsident Suga zu einem politischen Drahtseilakt. Einer neuen Umfrage der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo zufolge fiel die Zustimmung für Sugas Kabinett auf 35,9 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr. 49,8 Prozent lehnen seine Regierung ab.

Das zeige die Unzufriedenheit im Volk darüber, dass Suga trotz der andauernden Pandemie die Spiele durchziehe. Am Sonntag meldete Tokio 1008 Neuinfektionen und damit am fünften Tag in Serie mehr als 1000. Wenige Tage vor Beginn der Spiele herrscht in Japan die Sorge vor einer nunmehr fünften Corona-Welle, obwohl die Inzidenz landesweit nach wie vor nur um 15 liegt. Allerdings sind in Japan aktuell nur 20 Prozent der Bevölkerung vollständig immunisiert.

Wahlen stehen an

Suga, dessen Amtszeit als Partei- und damit Regierungschef am 30. September endet, muss spätestens am 21. Oktober Unterhauswahlen ansetzen. Er hofft nach Ansicht politischer Beobachtern, dass die Olympischen Spiele trotz der Pandemie erfolgreich verlaufen und sich die Stimmung im Volk doch noch dreht. Dies könnte ihm Rückenwind für die Wahl zum Parteichef der konservativen LPD und die anstehenden Wahlen zum Parlament verschaffen. (sid, lü, 18.7.2021)