Von einem Impfzwang kann derzeit in Österreich keine Rede sein, sagen Juristinnen.

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Die Debatte rund um eine Impfpflicht ist so alt wie die Pandemie – sie keimt sogar schon deutlich länger. Aber was meinen wir eigentlich, wenn wir von einer Impfpflicht sprechen? Eine Klärung der Begrifflichkeiten.

Eines vorweg, eine klare Abstufung zwischen der kompletten Freiwilligkeit und dem staatlichen Zwang gibt es nicht. Es ist "gar nicht so einfach die Grenze zu ziehen zwischen "das ist bereits eine Impflicht" und "das ist noch ein freiwilliges Impfsystem", meint etwa Anja Krasser vom Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Uni Graz. Sie schickt aber voraus: Von einer absoluten Impfpflicht könnte man ihrem Verständnis nach nur dann reden, wenn "man am Ende tatsächlich die Impfung zwangsweise verabreicht bekommen" würde, also dann, wenn in letzter Konsequenz "jeder, der ohne großes Risiko geimpft werden kann, ob er will oder nicht, geimpft wird".

Geldstrafe oder Gefängnis

Eine Impfung kann aber rein rechtlich auch an negative Konsequenzen, etwa eine Geld- oder Haftstrafe geknüpft werden. Eine allgemeine Impfpflicht schließt die Regierung derzeit aber aus. So heißt es etwa auf der Website des Bundeskanzleramts, die Corona-Schutzimpfung bleibe freiwillig, auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) betonte nach seinem Amtsantritt, er sei gegen eine Impfpflicht.

Dass derartiges rechtlich möglich wäre, das betonen Juristinnen und Juristen schon lange – freilich müsste stets mitgedacht werden, ob eine Impfpflicht tatsächlich das geeignetste Mittel wäre, um die Pandemie einzudämmen. Dabei spielt ebenso eine Rolle, wie weit einzelne Impfstoffe vor der Übertragung des Virus schützen, und auch, ob es genug Impfstoff für alle gibt. "Der Staat muss also seine Maßnahme rechtfertigen können und dabei umso strengeren Anforderungen genügen, je stärker in die Grundrechte eingegriffen wird. Ist also eine bloß freiwillige Impfung vorgesehen, lässt sich das leichter rechtfertigen, als wenn man eine indirekte Pflicht bzw. eine absolute Pflicht vorsieht", sagt Krasser.

Eine Impfpflicht, die an konkrete Strafen geknüpft ist, gab und gibt es in mehreren Ländern etwa, wenn es um die Masern geht, in Österreich gab es sie in Bezug auf die Pockenimpfung. Das wurde im "156. Bundesgesetz vom 30. Juni 1948 über Schutzimpfungen gegen Pocken (Blattern)" geregelt, vorgesehen war eine Strafe in Höhe von 1.000 Schilling oder 14 Tage Haft für jene, die sich ohne Ausnahmegrund nicht gegen Pocken impfen ließen. Erst 30 Jahre später wurde die Impfpflicht abgeschafft, die Pocken gelten heute als ausgerottet.

Kein Zutritt für Ungeimpfte

Subtiler wäre es, eine Impfung an bestimmte Leistungen zu knüpfen. Maria Kletečka-Pulker vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin an der Uni Wien erinnert in dem Zusammenhang an den Mutter-Kind-Pass, der ebenfalls die Grundlage für das volle Kinderbetreuungsgeld ist. Nur: An eine Impfung dürften keine lebensnotwendigen Sozialleistungen gekoppelt sein.

Außerdem steht es der Regierung offen, bestimmte Bereiche nur für die Menschen zu öffnen, von denen nur eine geringe epidemiologische Gefahr ausgeht. Das geschieht bereits jetzt mit der Drei-G-Regel, die bekanntlich künftig verschärft werden und genesene Menschen ausschließen soll. "Denkbar wären auch Regelungen, dass Nichtgeimpften der Zutritt zu gewissen gesellschaftlichen Einrichtungen (z. B. Stadion, Kino etc.) verwehrt werden könnte", schreibt das Rechtsberatungsunternehmen D.A.S., wobei auch das abhängig vom Stand der Wissenschaft ist.

Nun ist aber auch da unklar: Wo enden die Motivationsversuche, wo beginnt der Zwang? "Da gibt es hunderte Abstufungen", sagt Kletečka-Pulker, außerdem sei es subjektiv, was man als Zwang und was man als Motivation empfinde.

Werden künftig nur noch Impfungen oder PCR-Tests als Zugangszertifikate anerkannt und sind aber gleichzeitig PCR-Tests nicht für alle Menschen frei verfügbar, dann "würde ich von einer indirekten Impfpflicht sprechen", sagt Krasser. "Allerdings würde die Tatsache, dass es eine Alternative zum Impfen gibt, die indirekte Impfpflicht etwas abschwächen – heißt, es macht den Eingriff in die betroffenen Grundrechte etwas weniger intensiv."

Was Unternehmen machen können

Abseits all dessen haben Unternehmen bzw. Trägerorganisationen gewisse Freiheiten. Gerade in Gesundheitsbereichen ist der rechtliche Spielraum recht groß, nachdem es im Epidemiegesetz heißt, "für Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen, und für Hebammen" könne eine Schutzimpfung angeordnet werden.

Eine bundesweite derartige Anordnung gibt es nicht, auch für Lehrerinnen und Lehrer schloss Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) eine Impfpflicht vorerst aus, er wolle über breitere Berufsgruppen diskutieren. In Niederösterreich ist aber ab dem 1. September eine Corona-Schutzimpfung Voraussetzung für eine Aufnahme in die Landesgesundheitsagentur, auch im pädagogischen Bereich wird dort darüber nachgedacht. In Wien gibt es eine Corona-Impfpflicht im Wiener Gesundheitsverbund und den Sozialeinrichtungen, ab Herbst soll sie auch für die Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen in der Hauptstadt gelten. Auch da geht es nur um personelle Neuzugänge, nicht um das bestehende Personal.

Das könnte in Fragen der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Einrichtungen problematisch sein, meint Kletečka-Pulker, "da bräuchte es eine bundesweite Lösung", konkret eine Impfpflicht für Lehrende und in Gesundheitsberufen – im ganzen Land. "Viele in diesen Bereichen lassen sich nicht impfen. Doch man geht nicht freiwillig ins Krankenhaus, Pflegeheim, in die Schule, man ist dem dann dort ausgesetzt", sagt sie,

Nicht nur beim Personal, auch bei der Kundschaft gibt es Spielraum. Prinzipiell können Unternehmen selbst entscheiden, ob, mit wem und worüber sie Verträge abschließen. So wäre etwa denkbar, dass eine Airline oder ein Restaurant nur noch geimpften Personen Zutritt gewährt. Solange damit niemand diskriminiert würde und es Ausnahmen für jene Personen gebe, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können, wie Kletečka-Pulker betont.

"Anders sieht das bei Lebensmittelgeschäften oder anderen Geschäften des täglichen Bedarfs aus", sagt Krasser. Diese haben eine Sonderstellung, ebenso wie die öffentlichen Verkehrsmittel – denn auf diese ist man angewiesen. Dort könne man eine Impfung als Zugangsvoraussetzung nicht einfach beschließen. (Gabriele Scherndl, 20.7.2021)