Sehr schick und gar nicht angestaubt! Ein zeitgenössisches Dirndl der Wiener Modemacherin Susanne Bisovsky. Und auf dem Kopf? Ein Ischler Hut von Bittner Hüte.

Wolfgang Pohn

Eine Dirndlausstellung im Marmorschlössl von Bad Ischl, mehr Österreich-Klischee geht kaum. Doch wer durch die Tür des grün umrankten Gebäudes inmitten des Kaiserparks tritt, versteht nicht nur, warum sich Sisi hier angeblich an heißen Sommertagen zurückgezogen hat. Das frisch renovierte Schlössl, eine Mischung aus luftigem Pavillon und Cottage am nördlichen Ende des Kurortes, funktioniert auch als Ausstellungslocation.

Das beweist die sich über zwei Stockwerke erstreckende Schau Dirndl. Tradition goes Fashion. Als Appetizer werden im Erdgeschoss neben historischen Kleidern moderne Dirndlinterpretationen gezeigt: Susanne Bisovskys Strickdirndl, Lola Paltingers glitzernde Wiesn-Exemplare und Andreas Kronthalers eigenwillig geschnürte Kleider für Vivienne Westwood. Das direkte Nebeneinander lädt zum Vergleichen ein: Was macht die Stücke eines Andreas Kronthaler eigentlich zeitgenössisch? Worin unterscheidet sich das traditionelle, handgefertigte Gewand von der Couture?

Kein Oktoberfest

Schnell wird klar: Im Marmorschlössl kommt keine Oktoberfeststimmung auf, bei der Ausstellung handelt es sich um keine rückwärtsgewandte Trachtenparade. Die Präsentation lebt vielmehr von der durchdachten Inszenierung der Objekte. Und von besonderen Einfällen. So erklären im Obergeschoß einige für die Ausstellung angefertigte Blaudruckmodelle von Susanne Bisovsky die Entwicklung vom Hemd zum Dirndl.

Eine weitere Stärke der Bad Ischler Schau ist, dass sie auch der wechselvollen Geschichte des Kleidungsstücks Platz einräumt. Stücke wie ein "Blaudruck-Leibkittel" von 1939 und eine "erneuerte Tracht für den Gau Oberdonau" erzählen von der Vereinnahmung, Normierung und Umbenennung des Dirndls im Nationalsozialismus: Die Bezeichnung Dirndl galt damals als verpönter jüdischer Begriff. Im selben Raum mahnt die antifaschistische Schürze von Christa Reitermayr, Lale Rodgarkia-Dara und Ulli Weish: "Never let the Fascists have the Dirndl".

Niederschwellig

Der Ausstellung kommt sichtlich zugute, dass Kuratorin Thekla Weissengruber, Leiterin der Abteilung Volkskunde und Alltagskultur der OÖ Landes-Kultur, mit der oberösterreichischen Textilsammlung aus dem Vollen schöpfen kann. So wird auf niederschwellige, anschauliche Weise Wissen rund um das Kleidungsstück vermittelt, das im vergangenen Jahrhundert international populär wurde: Dafür, dass das Dirndl zum stereotypen Klischee gerann, sorgte bekannterweise der Erfolg einschlägiger Filme wie die Operette Im weißen Rössl oder das Musical Sound of Music.

Bis in die 1990er-Jahre wurden in Österreich zwei Drittel aller Umsätze im Bekleidungssektor im Bereich "Tracht & Country" gemacht. Dass das niemals unumstrittene Kleidungsstück differenziert betrachtet werden kann, das führt diese kleine, feine Ausstellung vor. (Anne Feldkamp, 20.7.2021)