Ein Blick in den Sitzungssaal im Rahmen der Sondersitzung des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in Wien am Montag.

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Die einen sagen so, die anderen sagen so: Besser als der Bundespräsident kann man den Konflikt rund um fehlende Aktenlieferungen aus dem Finanzministerium nicht zusammenfassen. Oder anders gesagt: Es ist fraglich, ob man je zu einer befriedigenderen Ansicht kommt, deren Wahrheitsgehalt die breite Mehrheit anerkennt. Der Ibiza-Untersuchungsausschuss hat gezeigt, wie polarisiert die politische Landschaft in Österreich mittlerweile ist.

Einen Löwenanteil daran trägt die ÖVP mit ihren Fraktionsobmännern Wolfgang Gerstl und Andreas Hanger, aber auch mit dem Nationalratspräsidenten und U-Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Sobotka. Der agierte als eigentlich unabhängiger Vorsitzender so parteiisch, dass das Amt beschädigt wurde. Allein, dass er als Nationalratspräsident türkise Angriffe gegen Justizministerin Alma Zadić (Grüne) weitergesponnen hat, beweist, wie ungeeignet er für den Vorsitz war. Er bekrittelte, dass durch gelieferte Chats das "Briefgeheimnis" gebrochen wurde – und kritisierte so die Umsetzung eines verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses. Ein anderes höchstrichterliches Erkenntnis hatte Gernot Blümel als Finanzminister zuvor ignoriert, bis es zur Exekution – und zu dem eingangs zitierten Ausspruch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen – kam. Aber es gibt keine "neutrale" Stelle, die nun klärt, ob Blümel Akten vorenthalten hat. Die SPÖ hat Indizien gefunden; doch Blümel könnte die Schuld auf Mitarbeiter abwälzen. Ganz zu schweigen davon, dass ein Abgleich zwischen zuerst und zusätzlich gelieferten Akten aufwendig und fehleranfällig ist.

Die merkwürdigen Chats rund um den Kika/Leiner-Kauf durch René Benkos Signa zeigen besonders eindrucksvoll, wie Nachrichten aus dem U-Ausschuss-Universum zum Tintenkleckstest werden – auch durch kräftiges Anstacheln parteiischer Medienplattformen. Sein Stellvertreter als Kabinettschef gratulierte Thomas Schmid im Sommer 2018 per Whatsapp zum "Verzögern eines Insolvenzantrages" rund um den Deal; ein Insolvenzantrag soll laut Beteiligten jedoch nie eingebracht worden sein. Peter Pilz’ ZackZack.at publiziert das als Schnellschuss und behauptet fälschlicherweise, sonst habe niemand recherchiert; Richard Schmitts Express.at kommentiert die Vorwürfe blitzartig als "falsch und haltlos" – in völliger Ignoranz der Chats. Was übrig bleibt: Es stimmt alles oder nichts, je nach politischer Vorliebe. (Fabian Schmid, 20.7.2021)