In Indien protestiert die oppositionelle Kongresspartei gegen die Regierung von Premierminister Narendra Modi.

Foto: AFP/PRAKASH SINGH

In Frankreich hat die Staatsanwaltschaft wegen der mutmaßlichen Ausspähung von Journalisten Ermittlungen aufgenommen. Zuvor hatte die Enthüllungsplattform "Mediapart" Anzeige erstattet. Sie beschuldigt Marokko, mithilfe des Spionageprogramms Pegasus zwei ihrer Journalisten ausspioniert zu haben. Marokko und der Hersteller der Software, die israelische Firma NSO, wiesen die Vorwürfe zurück. Die Staatsanwaltschaft in Paris erwähnte in ihrer Mitteilung am Dienstag das Land Marokko nicht. Nach dem Eingang der Klage habe sie sich entschieden, Ermittlungen aufzunehmen, hieß es.

Indien: Aufruhr im Parlament

Auch in anderen Staaten sorgt der aktuelle Überwachungsskandal für Aufsehen. So sind auch in Indien schwere Vorwürfe gegen die Regierung unter Premierminister Narendra Modi aufgekommen. Hier sollen ebenfalls Journalisten und Politiker der Opposition systematisch abgehört worden sein – unter anderem auch die Galionsfigur der Opposition, Rahul Gandhi.

Die Oppositionspolitiker forderten daher im indischen Parlament eine unabhängige Untersuchung der Vorgangsweise sowie den Rücktritt von Innenminister Amit Shah. Die oppositionelle Kongresspartei bezeichnet das Vorgehen als "Angriff auf das demokratische Fundament unseres Landes".

Ungarn: Opposition fürchtet einen "Polizeistaat"

Und auch in Ungarn schlagen die Enthüllungen immer höhere Wellen. Die Oppositionsparteien bezeichnen die Aktion als den "neuesten Skandal" des rechtsnationalen Premiers Viktor Orbán und fordern umgehend Aufklärung von der "Spion-Regierung", wie das Onlineportal "ezalenyeg.hu" am Dienstag berichtete.

Die Opposition wirft Orbán vor, einen "Polizeistaat" errichten zu wollen und sich mit den Abhöraktionen auf die Parlamentswahlen 2022 vorzubereiten. Orbán sei kein Preis zu hoch für den Erhalt seiner Macht, kritisierte Péter Márki-Zay, Bürgermeister von Hódmezővásárhely und Kandidat der Bewegung "Ungarn gehört einem Jeden" für das Amt des Ministerpräsidenten bei den Wahlen 2022. Während die Kommunisten mit sowjetischen Panzern angerollt seien, würde Orbán mit israelischer Spionage-Software gegen seine Landsleute und das freie Ungarn vorgehen, kritisierte Márki-Zay.

Das Schweigen der Regierung, Ablenkungsmanöver und Verheimlichung seien nichts anderes als ein Eingeständnis, meinte der Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony, Kandidat der Partei Párbeszéd ("Dialog") für das Amt des Ministerpräsidenten. Karácsony forderte Antworten auf die Frage, ob der Nationale Sicherheitsdienst oder andere ungarische Organe die Spionage-Software eingesetzt hätten. Zudem müsse offengelegt werden, welche Personen wann abgehört worden seien und ob es eine gerichtliche oder ministerielle Genehmigung für das Ausspähen von Journalisten und Geschäftsleuten gab.

Unterdessen wurden immer neue Namen von Personen, die von der illegalen Abhöraktionen betroffen sein sollen, bekannt. Darunter befindet sich neben mehreren Journalisten auch der Präsident der Ungarischen Rechtsanwaltskammer, János Bánáti. Insgesamt soll es in Ungarn laut Medienberichten mehr als 300 Ziele der Überwachung mittels Pegasus gegeben haben, darunter Journalisten, Oppositionelle, Geschäftsleute und Juristen. Die Oppositionspolitikerin Olga Kálmán erstattete wegen des Pegasus-Skandals Anzeige gegen unbekannt.

Ungarische Regierung weist Vorwürfe zurück

Die ungarische Regierung hat die Vorwürfe zurückgewiesen. "Ungarn ist ein Rechtsstaat und verfügt wie ein jeder verantwortungsvolle Staat des 21. Jahrhunderts über jene technischen Mittel, mittels derer er seine Aufgaben der nationalen Sicherheit erfüllen kann", sagte Justizministerin Judit Varga am Dienstag laut dem Onlineportal "Hvg.hu". Auf die Frage des Onlineportals "Nepszava.hu", ob sie als Ministerin die Genehmigung für die Abhöraktionen erteilt habe, erklärte Varga, die Tätigkeit der Geheimdienste sei eine fachliche Aufgabe in Ungarn, die gänzlich unabhängig von der Politik sei.

Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó erklärte, er habe keinerlei Kenntnis von Abhöraktionen. Seine Nachfrage beim Chef des ungarischen Informationsamtes habe ergeben, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit dem israelischen Geheimdienst oder anderen Diensten gegeben habe. Falls in der Angelegenheit wie von der Opposition gefordert der Parlamentsausschuss für Nationale Sicherheit einberufen würde, dann würde der Chef des Amtes dort das Gleiche sagen, so Szijjártó laut der ungarische Nachrichtenagentur MTI.

Israel will Berichte untersuchen

Auch Israels Außenminister und Vize-Premier Benny Gantz gab am Dienstag eine Stellungnahme zur NSO-Causa ab. "Uns sind die Berichte über den Einsatz eines Systems, das von einem bestimmten israelischen Cyber-Unternehmen entwickelt wurde, bekannt", so Gantz. Man halte sich bei der Genehmigung der Verkäufe der Software an internationale Exportvorgaben und autorisiere diese nur für den gesetzlich zulässigen Einsatz zur Bekämpfung und Verhinderung von Verbrechen und Terrorismus.

"Die Länder, die diese Systeme erwerben, müssen sich an ihre Zustimmung zu diesen Vorgaben halten", so der Politiker der Partei "Blau und Weiß". "Wir analysieren derzeit die Informationen, die zu diesem Thema veröffentlicht wurden."

Internationale Recherche

Am Sonntag hatten 17 Medienorganisationen berichtet, dass die Software Pegasus genutzt worden sei, um weltweit Journalisten, Regierungsvertreter und Menschenrechtler auszuspionieren. Den Berichten zufolge wurden Angriffe auf 37 Mobiltelefone nachgewiesen. Die Liste von möglichen Zielen sei um ein Vielfaches höher, sie umfasse mehr als tausend Personen in mehr als 50 Ländern, schrieb die "Washington Post". Laut der britischen Zeitung "Guardian" sind die Nummern von mehr als 180 Journalisten aufgeführt, die unter anderem für die "Financial Times", CNN, die "New York Times" sowie für die Nachrichtenagenturen AP und Reuters arbeiten.

In Frankreich sollen den Berichten zufolge unter anderem "Mediapart"-Gründer Edwy Plenel und die Journalistin Lénaïg Bredoux vom marokkanischen Geheimdienst ausgespäht worden sein. Betroffen war demnach auch die frühere "Canard enchaîné"-Mitarbeiterin Dominique Simonnot, die heute Generalinspekteurin der französischen Haftanstalten ist. Die französische Regierung reagierte "extrem schockiert" auf die Enthüllungen. (APA/AFP/Reuters/red, 20.7.2021)