In Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" erinnert sich ein Dichter, wie ihm drei Damen (Olympia, aber auch Antonia und selbst Giulietta) einst das Herz brachen.

Foto: Karolina Horner

Es ist kalt und feucht im niederösterreichischen Waidhofen. Obwohl die Unwetter auch die Pegel der Ybbs rasant ansteigen ließen, ist der Ort von der Flut aber verschont geblieben. Mitten im Regengetöse kommen aus der überdachten Eishalle Musik und Gesang. Anna Bernreitner und ihr Ensemble trotzen dem Gewitter – die vierte Bühnenorchesterprobe von Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen ist in vollem Gange.

Dort, wo im Winter Eis gelaufen wird, haben die Ausstatter Hannah Rosa Oellinger und Manfred Rainer eine surreale, bunte Manege entstehen lassen. "Hoffmann hat die Gabe, Fantasiewelten entstehen zu lassen", sagt Bernreitner, die hier bereits zum zweiten Mal einen Offenbach inszeniert. "Wir haben letztes Jahr den Orpheus in der Eishalle gespielt, da sind die Sänger in der Unterwelt Rollschuhe gefahren."

Apotheke, Fabrik, Gärtnerei, Freibad, Schloss

2011 gründete die in Waidhofen geborene Regisseurin die Künstlergruppe "Oper rund um", mit der sie seither die Opern an ungewöhnlichen Orten zur Aufführung bringt. Bespielt wurden bereits eine ehemalige Apotheke, eine Fabrik, eine Gärtnerei, ein Freibad und ein Schloss. Mit ihren Inszenierungen will Bernreitner Menschen erreichen, die meinen, mit Oper nichts anfangen zu können. "Das stimmt aber nicht. Oper ist für alle da. Man muss nur den richtigen Zugang finden."

Im Lockdown trommelte Bernreitner, die sich mit dem plötzlichen Nichts-tun-Können nicht abfinden wollte, ihre Operntruppe aus der Mostviertler Quarantäne zusammen und brachte Die Fledermaus als urkomisches Stay-at-home-Projekt auf die virtuelle Bühne.

Die Wunschliste

Offenbachs Oper steht schon lange auf Bernreitners Wunschliste. "Ich liebe sie, weil das Storytelling ganz anders funktioniert als in der Oper sonst üblich. Innerhalb der Rahmenhandlung spielen sich drei unterschiedliche Geschichten in drei verschiedenen Welten ab." Bei Anna Bernreitner wird jede Figur im Zuge der Erzählung mit persönlichen Themen konfrontiert. Manche spielen, um ihr eigenes, tristes Leben zu vergessen und abzutauchen. Andere wiederum wollen mehr über sich selbst herausfinden.

In Mittelpunkt der Inszenierung steht das ehrlich empfundene Gefühl. "Wir beginnen zu hinterfragen, wie wir die Welt wahrnehmen und ob das, was wir als wahr empfinden, auch wirklich wahr ist." Natürlich hat Bernreitner auch eine Lieblingsfigur: Hoffmann. "Er ist verrückt, naiv und voller Sehnsucht nach einem besseren Leben. Er ist der Spielmacher."

"Menschen passen nicht in Schubladen"

Allerdings, sagt die Regisseurin, könne sie sich auch mit der Puppe Olympia identifizieren, die versucht, alle Wünsche und Erwartungen zu erfüllen. "Das kenne ich."

Anna Bernreitner erzählt, dass sie Hoffmanns Idee, verschiedene Leben auszuprobieren, immer schon fasziniert habe. "Oft ist für die vielen verschiedenen Seiten, die in uns schlummern, kein Platz. Das finde ich schade, denn Menschen passen nicht in Schubladen." Das wusste auch schon Offenbach. (Miriam Damev, 20.7.2021)