Das Problem der Gewalt gegen Frauen ist umfassend – klare Ziele, was man unmittelbar angehen will, würden schon mal helfen.

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Ein 43-Jähriger prügelte auf seine Lebensgefährtin ein, dann bedrohte er sie mit einem Messer. Er werde sie umbringen, wenn sie die Attacke bei der Polizei anzeige. Ein anderer hat seine Frau gewürgt und ebenfalls mit dem Umbringen bedroht. Eine weitere Frau wurde von ihrem Mann mehrere Tage hindurch in der gemeinsamen Wohnung geschlagen. Im Beisein einer Mitarbeiterin einer Interventionsstelle erstattete sie schließlich Anzeige. Wie sich herausstellte, hatte sie das schon ein gutes halbes Jahr davor getan. Der Mann wurde damals festgenommen, ein Betretungsverbot gegen ihn wurde ausgesprochen.

Ein 50-Jähriger bedrohte seine Ehefrau und seinen Sohn mit dem Umbringen, auch mit dem Messer. Als Passant*innen Schreie hörten und schließlich ein Messer aus der Wohnung und auf die Straße flog, alarmierten diese die Polizei. Auch hier wurde ein Betretungsverbot ausgesprochen.

Politische Performance

Das sind nur ein paar Beispiele unter vielen von Gewalt gegen Frauen. Beispiele aus einem relativ kurzen Zeitraum, von Anfang Mai bis Anfang Juni dieses Jahres. Inzwischen sind noch weitere Fälle hinzugekommen. Auch die Femizide sind weitergegangen, seit man in den ersten Maitagen wieder einmal ein Gewaltschutzpaket präsentiert hat. Die 13-jährige Leonie starb vor wenigen Wochen, und erst am Mittwoch wurde ein 17-jähriges schwangeres Mädchen tot in ihrer Wohnung gefunden, tatverdächtig ist ein 19-Jähriger.

DER STANDARD

All das passiert Monat für Monat, Jahr für Jahr. Sind es zu viele Fälle auf einmal oder sind sie an sich besonders aufsehenerregend – wie etwa der Mord an der Partnerin des als "Bierwirt" bekannten mutmaßlichen Täters –, folgt politische Aktivität, oder besser gesagt: Performance. Denn angesichts dessen, dass das Prügeln, Anschießen und Erschießen weitergeht, ist es schlicht zynisch, bei den inzwischen schon regelmäßig geschnürten Gewaltschutzpakten manche Ergebnisse als Neuerungen zu präsentieren, obwohl sie es eigentlich nicht sind. Oder es sind Korrekturen eines offenkundigen Fehlers. Ein Beispiel hierfür sind die Fallkonferenzen bei Hochrisikofällen, die zwischenzeitlich ausgesetzt wurden. Durch Fallkonferenzen wird eine Risikoeinschätzung potenzieller Täter möglich. So können im Vorfeld bereits präventive Schritte gesetzt werden.

Bis 2018 gab es ein Pilotprojekt, in dessen Rahmen Fallkonferenzen liefen, laut Gewaltschutzzentren funktionierte das gut. Schwarz-Blau hat sie dennoch 2018 eingestellt. Das Projekt sei evaluiert worden, und es habe nicht den "erhofften Nutzen gebracht", hießt es. Bei Beschlüssen zu einem Gewaltschutzpaket im Jahr 2019 war man sich aber dann doch wieder einig, dass es Fallkonferenzen braucht – und sie wurden gesetzlich verankert.

Wann sind Maßnahmen wirksam?

Der Ausbau der Fallkonferenzen wurde dann auch wieder beim neuesten Gewaltschutzpaket, dem vom Mai 2021, betont. Die Konferenzen sollten auch ausgebaut werden.

Also nehmen wir doch die Kategorie des "erhofften Nutzens" her, die für die Einstellung der Fallkonferenzen 2018 herhalten musste, und fragen: Wie soll dieser Nutzen konkret aussehen? Welchen Nutzen hatten bisher die kürzlich beschlossenen Gewaltschutzpakete? Welchen erkennbaren Nutzen hatte es etwa, dass Fallkonferenzen jetzt in ihrer Neufassung seit 2020 nur mehr vonseiten der Sicherheitsbehörden einberufen werden können und nicht auch vonseiten der Gewaltschutzzentren? Welche positiven Effekte hatte der Ausbau des Informationsangebots über Gewaltschutzzentren für Frauen mit Migrationsgeschichte? Wo und wie zeigen sich Verbesserungen durch das Mehr an opferschutzorientierter Täterarbeit?

Das alles muss man sich doch bitte ansehen, und wenn der erhoffte Nutzen nicht eingetreten ist, muss man mehr tun. Oder man definiert einfach mal: Wie sieht der erhoffte Nutzen eigentlich aus? Und wenn man dann klare Ziele hat: Was, wenn diese nicht erreicht werden? Dann müsste man sich ehrlich eingestehen: Es ist noch immer zu wenig passiert.

Konkrete Ziele könnten etwa sein, dass sichergestellt wird, dass nach jeder Wegweisung bei schwerer Gewalt eine Fallkonferenz stattfindet. Oder dass die Istanbul-Konvention endlich vollständig umgesetzt wird – Österreich ist zum Beispiel bei der Erfassung von Daten zu Gewalt gegen Frauen säumig. Und schließlich wäre eine klar definierte und angestrebte Reduktion von Gewalt gegen Frauen und von Femiziden natürlich wichtig.

Eine klare Definition dessen, was wir erreichen wollen, und eine Analyse, was die bisherigen Maßnahmen gebracht haben, inklusive der Einsicht, wenn es zu wenig war – das wäre wirklich ein Zeichen, dass man die immense Gewaltproblematik ernst nimmt. (Beate Hausbichler, 22.7.2021)