Emmanuel Macron sollte offenbar abgehört werden.

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Paris – Zahlreiche Pariser Politikerinnen und Politiker, aber auch Anwälte und Journalisten waren auf der Liste von Telefonbesitzern, die mit der israelischen Software Pegasus abgehört werden konnten. Darunter waren ehemalige und heutige Polizeiminister wie Christophe Castaner und Gérald Darmanin. Auch Außenminister Jean-Yves Le Drian oder der ehemalige Premierminister Edouard Philippe gehörten dazu.

Dazu kommt ein noch bekannterer Name: Emmanuel Macron. Eine Telefonnummer des französischen Staatschefs befand sich auf der langen Liste des Enthüllungsnetzwerks Forbidden Stories. Ob diese Nummer wirklich abgehört wurde, ist nicht festzumachen, solange das Handy nicht überprüft wird. Der Elysée-Palast dürfte dabei nicht wirklich unterstützen, da die Enthüllung für Macron eher peinlich ist.

Macron verwendete alte Nummer weiter

Der Präsident hatte die Möglichkeit, nach seiner Wahl im Mai 2017 die gesicherten Softwares Teorem oder Cryptosmart zu verwenden. Letztere wird durch den französischen Geheimdienst DGSI kontrolliert. Doch sie gilt als schwer zu bedienen, auch soll sie einen relativ schlechten Empfang bieten. Macron zog es deshalb vor, einzelne Nummern aus der Wahlkampfzeit weiter zu benützen. Dazu gehört auch die ominöse Telefonnummer, die mit den in Frankreich üblichen Ziffern 06 beginnt. Sie war zwischen den zwei Wahlgängen sogar schon auf den sozialen Netzen kursiert.

Nicht nur peinlich, sondern auch politisch brisant ist die Enthüllung, weil laut Forbidden Stories und seinen französischen Ablegern wie Franceinfo ein befreundetes Land seit 2019 über die Abhörlisten verfügen soll: Marokko. Befreundet heißt aber nicht ungetrübt: Unter Macron hatte sich die Beziehung zum marokkanischen König Mohammed VI. abgekühlt. Für starke Spannungen sorgen die Fragen Migration und Westsahara. Mohammed VI. wirft Macron vor, er unterstütze ihn gegen Algerien nicht genug.

Präsidialamt zurückhaltend

Wie knifflig die Pegasus-Enthüllung ist, zeigte am Dienstag die Reaktion in Paris. Am Montag hatte Regierungssprecher Gabriel Attal die ersten, generellen Enthüllungen – noch ohne die Macron-Connection – als "äußerst schockierend" bezeichnet. Am Dienstag, als der Skandal konkret wurde und die Implikation Marokkos und Frankreichs klar wurde, reagiert das Präsidialamt sehr zurückhaltend. Aus dem Elysée-Palast verlautete, es sei "Vorsicht" geboten; noch sei nicht erwiesen, dass das Telefon des Präsidenten wirklich ausspioniert worden sei. Sollte sich dieser Umstand bestätigen, wäre das "natürlich sehr schlimm", hieß es.

Wie weit der Lauschangriff aus Marokko nach ersten Erkenntnissen ging, zeigt sich darin, dass neben Politikern auch andere neuralgische Personen betroffen sind. Darunter ist auch ein – möglicherweise früherer – Rektor der Großen Moschee von Paris, die vom marokkanischen Nachbarland und Widersacher Algerien kontrolliert wird. Auf der Liste standen auch die Nummern von Macrons Afrikaberater Franck Paris oder seines früheren Leibwächters Alexandre Benalla. Anvisiert waren offenbar auch bekannte Journalisten wie Edwy Plenel.

Geheimdienst weiß nichts von Abhöraktion

Der französische Geheimdienst scheint nach ersten Erkenntnissen nicht auf die Abhöraktion gekommen zu sein. Pariser Onlineportale führen das darauf zurück, dass sich die IT-Experten des DGSI auf Cyberattacken aus China oder Russland konzentrierten; von befreundeten Staaten erwartete er dies nicht.

Wie weit die betroffenen Personen in Paris wirklich abgehört wurden, bleibt bisher in den meisten Fällen offen. Nur der Ex-Umweltminister François de Rugy zeigte sich bereit zu einer Überprüfung seinen Telefons. Sicherheitsexperten der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bestätigten, dass auf de Rugys Gerät in der Tat die Spionage-Software Pegasus installiert war.

Der Ex-Minister verlangte am Dienstag von der französischen Regierung, dass sie den marokkanischen Botschafter einbestelle. Das Elysée schwieg sich zu dieser Forderung fürs erste aus. Die marokkanische Botschaft in Paris wies die Anschuldigungen als "unbegründet" zurück.

14 Staats- und Regierungschefs

Insgesamt wurden laut "Süddeutscher Zeitung" (Paywall) Telefonnummern von 14 Staats- und Regierungschefs auf der Liste gefunden, die ausgespäht worden sein könnten, darunter unter anderem Libanons Ex-Ministerpräsident Saad Hariri, der marokkanische Regierungschef Saad-Eddine El Othmani und Pakistans Premierminister Imran Khan.

Auch der marokkanische König Mohammed VI. und dessen Entourage stehen den Recherchen zufolge auf einer Liste potenzieller Ziele von Pegasus-Nutzern. Im Visier waren demnach unter anderem die Königsgattin Salma Bennani sowie Prinz Moulay Hicham, ein Cousin des Monarchen. Zahlreiche weitere Menschen im Umfeld des Königs – von Familienmitgliedern bis Bediensteten – stehen laut Recherchekollektiv ebenfalls auf der Liste.

Asselborn warnt Firmen

Die Regierung Luxemburgs ermahnte indes die im Großherzogtum ansässigen Firmen des Herstellers der Überwachungssoftware Pegasus zur Einhaltung der Gesetze. Laut Regierung vom Dienstag ist das israelische Software-Unternehmen NSO mit neun Unternehmen in Luxemburg ansässig.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn werde "mit allem Nachdruck" in Briefen die Verantwortlichen dieser Unternehmen daran erinnern, dass Luxemburg "buchstabengetreu seine Verpflichtungen der Exportkontrolle anwenden" werde.(Stefan Brändle aus Paris, APA, 20.7.2021)