Die Polizei fand die 17-Jährige leblos auf ihrem Bett liegend.

Foto: APA / Barbara Gindl

Als die Feuerwehrleute durchs Fenster in die Wohnung einsteigen, liegt die 17-jährige Schwangere bereits leblos auf ihrem Bett. Kurz davor, gegen 19 Uhr, wurde am Dienstag die Polizei informiert, dass die junge Frau nicht zur Arbeit gekommen und auch nicht erreichbar sei. Ihre Wohnung befindet sich im Grazer Bezirk Geidorf. Die Leiche, stellt die Polizei noch vor Ort fest, weist Verletzungen auf, die man sich nicht selbst zufügen kann. Ein 19-jähriger Verdächtiger, bei dem es sich um den Vater des ungeborenen Kindes handeln soll, wird noch Dienstagabend festgenommen.

Es deutet somit vieles darauf hin, dass es sich bei dem Fall um den 17. Femizid dieses Jahres handelt.

Der Begriff des Femizids etabliert sich zunehmend, um Tötungsdelikte an Frauen zu bezeichnen. Es soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass Frauen in vielen Fällen aus geschlechtsspezifischen Gründen umgebracht werden. Zuletzt hatte der Tod einer 13-Jährigen, die Drogen verabreicht bekam und vergewaltigt wurde, für Aufsehen gesorgt. Verdächtig sind in diesem Fall vier afghanische Staatsbürger, von denen drei womöglich bereits vor der Tat hätten abgeschoben werden können.

19-jähriger Österreicher bestreitet Tat

Im aktuellen Fall aus Graz wurden am Mittwoch die gesicherten Spuren ausgewertet. Der verdächtige mutmaßliche Vater des ungeborenen Kindes war zuvor von der Polizei zur Rede gestellt worden. Der 19-jährige Österreicher gab zu, dass er sich Montagabend bei der 17-Jährigen in der Wohnung aufgehalten habe und es zu einem Streit gekommen sei. Er bestreitet jedoch jeden Zusammenhang mit dem Tod der schwangeren Frau.

Es stellt sich die Frage: Erleben wir in Österreich dieses Jahr besonders viele Femizide? Monatlich werden in Österreich im langjährigen Schnitt drei Frauen ermordet, zählt der Verein Autonome Frauenhäuser (AÖF). Im Jahr 2021 kam es bisher vermutlich zu 17 Femiziden – von einem Mord kann man erst nach der Verurteilung des Täters sprechen.

Insgesamt werden in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wenige Menschen wegen Mordes verurteilt; im Verhältnis kommt es hierzulande aber recht häufig zu Femiziden. Den vergleichsweise großen Anteil an Frauenmorden in Österreich erklären Experten damit, dass sich ein Ausbau der Sicherheitsstruktur auf die generelle Mordrate auswirkt, nicht aber auf Delikte mit Beziehungskontext. Und fest steht: Männer werden vorwiegend im kriminellen Umfeld getötet, Frauen vor allem in Partnerschaften.

Gefährliche Zeit nach Trennung

Eine Auswertung von Frauenmorden im Tatzeitraum vom 1. Jänner 2018 bis zum 25. Jänner 2019 zeigt: 82,5 Prozent der Frauen wurden durch einen Intimpartner oder Familienangehörigen ermordet. Bei Männern betrug dieser Anteil 42,9 Prozent. "Es ist ein geschlechtsspezifisches Phänomen", sagt Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Die gefährlichste Zeit für Frauen sei die Periode nach einer Trennung von einem Partner.

"Eine geschlechtsspezifische Besonderheit auf Täterseite ist sicher die Tatsache, dass Männer viel kränkbarer sind, als sie es nach außen zeigen", erklärte der forensisch-psychiatrische Gerichtsgutachter Reinhard Haller schon vor einigen Wochen. Außerdem könnten viele Männer mit Spannungen nicht konstruktiv umgehen – "vor allem mit der Angst vor Liebesentzug". Bei einem Pressetermin am Mittwoch rief Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) dazu auf, in Fällen häuslicher Gewalt die Polizei zu rufen. Die Regierung hatte kürzlich ein Gewaltschutzpaket geschnürt, weitere Maßnahmen seien nicht angedacht. (Katharina Mittelstaedt, 21.7.2021)