Feuerwehrleute auf Rettungsmission im überfluteten Trier im Westen Deutschlands.

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Die Wassermassen ließen eine massive Verwüstung zurück.

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Bereits am 11.Juli– als sonst kaum jemand ahnte, dass ganze Landstriche Deutschlands bald unter Wasser stehen würden –warnte der prominente Wettermoderator Jörg Kachelmann erstmals auf Twitter vor einer möglichen Hochwassergefahr. "Es wird womöglich Zeit, Menschen allmählich behördlicherseits und medial auf ein Hochwasser-Szenario vorzubereiten", schrieb er dann am Vormittag des 13. Juli – mehr als 36 Stunden vor den katastrophalen Fluten in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und später Berchtesgaden, die mindestens 170 Menschen das Leben kosten würden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe das allerdings verabsäumt, bemängelt Kachelmann, der mit seiner Kritik an der Informationspolitik in Deutschland bei weitem nicht alleine ist, und im STANDARD-Gespräch die Rücktritte von Verantwortlichen fordert.

Der Schweizer Jörg Kachelmann ist in Deutschland kein Unbekannter. Jahrelang galt er als der wohl beliebteste Wettermann im Land – inzwischen hat er seine eigene Firma: Die Kachelmann GmbH, die im Internet über die Wetterlage und Prognosen berichtet.
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STANDARD: Was ist ihrer Meinung nach in Deutschland schiefgelaufen?

Kachelmann: Meteorologische Warnungen, die in diesem Fall eindeutig und frühzeitig kamen, müssten irgendjemanden interessieren. Behörden müssten Konsequenzen ziehen, Medien müssten lernen, nicht danach, sondern wie in den USA präventiv und begleitend zu berichten. Das war schon vor Jahren – etwa bei der Hochwasserlage 2016 – nicht der Fall, und es hat sich nichts geändert.

Wenn niemand irgendetwas tut, gibt es viele Tote. In Deutschland hat, soweit ich das beurteilen kann, nach gängigen Maßstäben des Katastrophenschutzes niemand irgendetwas getan, was das Warnen der Menschen angeht. Ich habe keine Zweifel, dass sich an diesem Zustand nichts ändern wird, weil sich seit Jahren und Jahrzehnten und vielen solchen Ereignissen in der Vergangenheit nichts geändert hat.

Deutschland ist schon lange ein "Failed State", was den Schutz von Menschen in Naturkatastrophen angeht. In Ländern mit einem Hauch von gelebter politischer Verantwortung wären die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen nicht mehr im Amt sowie die Chefs der jeweiligen Regionalsender der ARD zurückgetreten.

STANDARD: Wie sollten Medien und Politik auf die von Ihnen genannten Versäumnisse reagieren – und tun sie das?

Kachelmann: Anfangen, irgendetwas zu tun, damit es das nächste Mal anders ist. Aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit bin ich pessimistisch.

STANDARD: In einem Tweet haben Sie auch Österreich recht früh von der bevorstehenden Hochwassergefahr gewarnt. Wurde in Österreich Ihrer Meinung nach genug getan?

Kachelmann: Man kann nicht Überflutungen verhindern, aber man kann verhindern, dass Menschen sterben. Auch in Österreich wäre es lebenswichtig, dass die jeweiligen Regionalprogramme des ORF senden, bevor es passiert und währenddessen und nicht ihre Zuseher und Zuseherinnen alleinelassen und dann nach der Flut in den neuen Gummistiefelchen dumme Fragen an traurige Bürgermeister und Bürgermeisterinnen stellen.

STANDARD: Was sind die Lektionen dieser Flutkatastrophe für die Zukunft?

Kachelmann: Eine Reise in die USA würde helfen, um zu lernen, wie man bei Naturkatastrophen – dort Hurricanes und Tornados – Menschen rettet. Dort arbeiten Behörden und Medien auf ein gemeinsames Ziel hin. (Flora Mory, 21.7.2021)