Dichrorampha velata gehört zu den vergleichsweise unscheinbaren Wicklern, doch aus der Nähe schimmert er in Gold- und Silbertönen.
Foto: Jürg Schmid

Seit über 250 Jahren werden die alpinen Schmetterlinge intensiv erforscht, gut 5.000 Arten kennt man mittlerweile. Eine neue Spezies zu entdecken, ist daher inzwischen keine Alltäglichkeit – und doch ist einem Tiroler und einem Schweizer Schmetterlingsforscher genau das gelungen. Die beiden Experten haben unabhängig voneinander eine neue Nachtfalter-Art beschrieben.

Altes Rätsel

Der kleine Schmetterling mit oliv-braunen, von silbrigen Linien durchzogenen Flügeln gehört zur Familie der Wickler (Tortricidae). Die Experten tauften den Falter auf den Namen Dichrorampha velata, übersetzt bedeutet das "Versteckter Alpenwickler". Der Namen verweist auf ein nunmehr gelöstes, über 180 Jahre altes Rätsel um andere mutmaßlich verwandte Schmetterlingsarten.

"Wir haben die ersten Exemplare der neuen Art bereits 1991 unabhängig voneinander in Tirol und der Schweiz entdeckt", erklärte Peter Huemer, Leiter der naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen in Innsbruck. Gemeinsam mit dem Co-Entdecker, dem im Brotberuf als Zahnarzt tätigen Schweizer Schmetterlingsexperten Jürg Schmid, berichtet er im Fachjournal "Alpine Entomology" über den Fund.

Der Versteckter Alpenwickler in einer Großaufnahme.
Foto: Jürg Schmid

Eine Art kommt dazu und fünf verschwinden

Der Falter glich einer seit 1843 bekannten Art (Dichrorampha montanana) aus der Familie der Wickler. Doch Flügelmuster und die Morphologie der Genitalien zeigten deutliche Unterschiede und genetische Untersuchungen bestätigten, dass es sich um zwei verschiedene Arten handelt.

Zudem mussten die Wissenschafter im Zuge der Namensgebung überprüfen, ob sich ihr Fund von sechs ähnlichen Schmetterlingen unterschied, die bereits als eigene Art mit Namen registriert waren. Nach aufwendigen Recherchen in Naturmuseen in Frankfurt, Berlin, Paris und London stand jedoch fest, dass es sich tatsächlich um eine bisher noch unbekannte und unbenannte Art handelte.

Bei diesen Arbeiten stellte sich heraus, dass sich alle sechs alten Namen tatsächlich auf ein und dieselbe Art bezogen, die ebenfalls seit 1843 bekannt ist: Dichrorampha alpestrana. Diese wurde noch vor D. montanana beschrieben, und selbst diese entpuppte sich letztlich als D. alpestrana. Nur der von Schmid und Huemer beschriebene Schmetterling erwies sich als bisher unbekannte Spezies.

Will man dem Versteckten Alpenwickler begegnen, sollte man auf artenreichen Bergblumenwiesen suchen.
Foto: Jürg Schmid

Tagaktiver Nachtfalter

Angesichts der verzwickten Namensbestimmung tauften die Entdecker ihren Fund schließlich Dichrorampha velata. Obwohl der Versteckte Alpenwickler zu den Nachtfaltern zählt, ist er tagaktiv – was durchaus häufig vorkommt, wie Huemer betonte – und man trifft ihn gar nicht selten auf Bergblumenwiesen an. Die Forscher vermuten, dass die Art im Alpenraum weit verbreitet ist. Bisherige Funde reichen von Tirol nach Salzburg, in die Südschweiz und den Jura bis in die französischen und italienischen Alpen sowie in Einzelfällen bis in den Schwarzwald.

Die Biologie der neuen Art ist noch unerforscht. Die beiden Schmetterlingsforscher vermuten, dass die Raupen des Versteckten Alpenwicklers, wie andere Arten der Gattung, an den Wurzeln von Scharfgarben oder Chrysanthemen leben könnten. (red, APA, 21.7.2021)