Hat große Chancen, den ORF ab 2022 zu leiten: Roland Weißmann.

Foto: ORF/Thomas Ramstorfer

Einen offenen Generalswahlkampf über Monate, auf beiden Seiten nicht allein von Respekt und Fairness geprägt, hat er schon hinter sich.

Vielleicht auch deshalb ließ sich Roland Weißmann mit seiner Bewerbung um die Führung des größten österreichischen Medienkonzerns ORF so lange Zeit – obwohl er seit Monaten als aussichtsreichster Kandidat mit bürgerlicher Mehrheit im Rücken gehandelt wird. Am Donnerstag war es aber so weit, Weißmann machte seine Kandidatur für den ORF-General offiziell.

Guter Draht zu ÖVP-nahen Stiftungsräten

Weißmann war bis 2016 enger Mitarbeiter von Richard Grasl, damals ORF-Finanzdirektor und Kandidat der ÖVP und der FPÖ für den General. Alexander Wrabetz setzte sich durch, mit Stimmen von SPÖ, Grünen, Neos, Betriebsräten und Enthaltungen. Weißmann war im Gespräch als Finanzdirektor, Wrabetz' Wähler bevorzugten ein Direktorium ohne ÖVP-Wünsche.

Doch die ÖVP wurde im Stiftungsrat wieder gebraucht, etwa für eine Gebührenerhöhung nach der Generalswahl 2016 (wie auch 2021 wieder). Weißmann, schon seit 2012 für Grasl Chefproducer und Verwalter des 400-Millionen-Fernsehbudgets, rückte mit Anfang 2017 zum Vize-Finanzdirektor auf. Ab Ende 2017 war die ÖVP Kanzlerpartei und bald größte Fraktion im ORF-Stiftungsrat. Im bürgerlichen "Freundeskreis" war Weißmann spätestens seit Grasls Abgang steter Gast und höchstrangiger ORF-Verbindungsmann mit sehr gutem Draht zu Fraktionssprecher Thomas Zach. ÖVP-nahe Stiftungsräte haben inzwischen alleine die Mehrheit im ORF-Stiftungsrat.

"Thomas Schmid des ORF"

Die Wucht von ORF-Wahlkämpfen kennt Weißmann. Die Tiroler Tageszeitung nannte ihn gleich im Frühjahr einen "Thomas Schmid des ORF". Die Öbag-Chats sind die zentrale Angriffslinie von Alexander Wrabetz gegen den Herausforderer. Wer boxt wie Weißmann, lernt auch einstecken.

Macht der 53-Jährige – kein Parteimitglied, aber gut vernetzt mit dem inneren Kreis um Sebastian Kurz – den ORF zur ÖVP-Zentrale, wie Journalisten auf dem Küniglberg nun türkismalen? Türkise Hoffnung auf einen Vertrauensmann statt rascher Anpassungsfähigkeit von Alexander Wrabetz ist unverkennbar. Ein Stiftungsrat, der 2016 nicht für Grasl stimmen wollte, sieht in Weißmann vor allem einen "ORFler". Und die ORF.at-Redaktion hat ihrem Geschäftsführer Weißmann gerade vorgeführt, wie wehrhaft ORF-Journalistinnen und Journalisten auf inhaltliche Anregungen des Managements reagieren. (Harald Fidler, 22.7.2021)