Sprachliche Gleichbehandlung ist nur ein Symbol für die allgemeine Gleichbehandlung von Männern und Frauen.

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Gendern Sie? Schreiben Sie "alle Bürger" oder "alle Bürger und Bürgerinnen" oder "alle BürgerInnen" oder "alle Bürger*innen"? Ist nicht so wichtig, denken Sie vielleicht. Ist es aber. Kaum ein Thema bringt derzeit die Menschen so auf die Palme wie die gendergerechte Sprache. Und zwar sowohl die Befürworter des Genderns als auch dessen Gegner.

Die Angelsachsen haben den Vorteil, dass im Englischen viele Wörter geschlechtsneutral sind. Ein "citizen", ein "minister", ein "officer", ein "doctor" kann sowohl ein Mann als auch eine Frau sein. Trotzdem sind heute die US-Amerikaner (und US-Amerikanerinnen) die Strengsten, wenn es um sprachliche Gleichberechtigung geht. An manchen Universitäten kann man sich eine schlechtere Note einhandeln, wenn man in einer wissenschaftlichen Arbeit auf korrektes Gendern vergisst. Hierzulande herrscht diesbezüglich noch ein wenig Unsicherheit.

Das bekannteste Beispiel ist natürlich die Bundeshymne. Offiziell heißt es darin bekanntlich seit längerer Zeit "Heimat großer Töchter, Söhne". Aber selbst überzeugte Feministinnen geben zu, dass das einigermaßen seltsam klingt. "Landeshauptfrau" klang zunächst auch seltsam, aber diese Bezeichnung hat sich durchgesetzt. "Frau Landeshauptmann" klingt schließlich noch blöder. Schwieriger ist es mit der Ministerin und der Doktorin. Eine bekannte Ärztin, lebenslange Vorkämpferin für eine gerechte Behandlung von Ärztinnen, lehnt es ab, "Frau Doktorin" genannt zu werden. Ich war dreißig Jahre lang die Frau Doktor, sagt sie, und das bleibe ich auch.

Sprachliche Gleichbehandlung ist natürlich nur ein Symbol für die allgemeine Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Werden Pamela Rendi-Wagner, die Bundesparteivorsitzende der SPÖ, und Annalena Baerbock, die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Bundestagswahl in Deutschland, kritisiert, weil sie Frauen sind? Oder weil sie tatsächlich berufliche Schwachstellen haben? Und wenn Letzteres – würde man diese Schwächen männlichen Politikern auch so übelnehmen? Haben es Frauen in Spitzenpositionen schwerer als Männer? Ja, sagen die einen. Nein, sagen die anderen, im Gegenteil – und führen zum Beweis an, dass bei den deutschen Grünen Robert Habeck, immerhin einst Minister in einer Landesregierung, seiner regierungsunerfahrenen Kollegin Baerbock die Kanzlerkandidatur überließ, "weil immer die Frau Vorrang hat".

In der derzeitigen österreichischen Bundesregierung gibt es so viele Frauen wie nie zuvor. Nicht alle sind qualifiziert. Ist damit ein Fortschritt für alle Frauen erreicht? Viele würden das verneinen. Aber möglicherweise ist das ganze Dilemma charakteristisch für eine Übergangssituation. Man wird etwas, weil man eine Frau ist. Man wird etwas nicht, weil man eine Frau ist. Aber das sind Kinderkrankheiten.

Die Richtung scheint dennoch vorgegeben und der Weg unumkehrbar: Der Qualifizierteste oder die Qualifizierteste soll es nach oben schaffen, unabhängig davon, ob Mann oder Frau. Darüber gibt es breiten Konsens. Und qualifizierte Frauen gibt es mittlerweile genug. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 22.7.2021)