Produkte aus Rodungsgebieten sollen nach dem Willen der EU-Kommission beim Import Beschränkungen unterliegen.

Foto: imago images/blickwinkel

Jedes Jahr gehen weltweit rund 100.000 Quadratkilometer Wald verloren – eine Fläche so groß wie Island. Wie eine aktuelle Studie von WWF und der Boston Consulting Group (BCG) zeigt, lassen sich 39 Prozent der Rodungen auf den Ausbau der Landwirtschaft zurückführen. Drei Erzeugnisse sind besonders problematisch: Allein die Rinderzucht verursacht 37 Prozent der landwirtschaftlich bedingten Entwaldung, die Produktion von Soja und Palmöl 16 Prozent.

Obwohl die Abholzung vor allem tropische und subtropische Gebiete betrifft, ist sie ein globales Problem, das von der EU entscheidend mitverursacht wird: Die Europäer wollen ihre Regale mit Soja, Avocados und Palmöl füllen. Laut WWF gehen rund 16 Prozent der weltweiten Abholzung von Regenwäldern auf europäische Nachfrage zurück.

Importverbot aus Rodungsgebieten

Bereits vergangenen Herbst verabschiedete das Europäische Parlament eine Initiative, um Wälder außerhalb Europas zu schützen. Aktuell arbeitet die Kommission an einer Verordnung, die den Import von Waren aus Abholzregionen unterbinden soll.

Der Reformvorschlag ähnelt allgemeinen Lieferkettengesetzen, wie sie in Deutschland kürzlich beschlossen und auch auf EU-Ebene geplant sind. Einen ersten Entwurf werde die EU-Behörde im Herbst präsentieren, bestätigte Handelskommissar Valdis Dombrovskis gegenüber dem Handelsblatt.

Wie Greenpeace in einem Ende Juni veröffentlichten Report aufzeigte, dürften die größten Konzerne aus den betroffenen Sektoren Palmöl, Holz, Kautschuk, Soja und Fleisch hinter den Kulissen bereits intensives Lobbying betreiben.

Europäische Waldstrategie

Für die europäischen Wälder hatte die Kommission vergangene Woche im Zuge des Green Deal eine eigene "Waldstrategie" vorgestellt. Denn: Die Erhaltung der Wälder als CO2-Speicher spiele eine zentrale Rolle zur Erreichung der Klimaziele. Europäische Wälder sollen wiederhergestellt und widerstandsfähiger werden – auch im Hinblick auf aktuelle Probleme wie Waldbrände oder Borkenkäferbefall.

Konkret sieht die Strategie neben dem Schutz der letzten verbleibenden Altwälder Europas die gezielte Förderung nachhaltiger Waldnutzung vor. Waldbesitzer, die sich bereiterklären, Teile ihrer Wälder gar nicht zu bewirtschaften, sollen Ausgleichszahlungen bekommen. Bis 2030 will die EU-Kommission drei Milliarden zusätzliche Bäume pflanzen. Eine europaweite Datenerfassung soll zudem die Überwachung von Waldbeständen erleichtern.

Aktuell macht die Holzwirtschaft etwa 20 Prozent der verarbeitenden Unternehmen in der gesamten EU aus. Rund 3,6 Millionen Arbeitsplätze hängen an der Branche. Ziel ist daher nicht die Verkleinerung des Sektors, sondern ein Strukturwandel. Helfen soll die sogenannte Kaskadennutzung. Das Konzept sieht vor, dass Rohholz nicht direkt zur Energiegewinnung verwendet, sondern etwa zunächst zu Möbeln verarbeitet wird.

Kritik aus Österreich

Aus Österreich folgte nach der Präsentation des Papiers prompt Kritik. "Die geplante Einschränkung der energetischen Verwertung von Holz würde die Bewirtschaftung stark beeinträchtigen", sagt Martin Höbarth von der Landwirtschaftskammer Österreich zum STANDARD. Unzufrieden zeigte sich auch Arno Aschauer von WWF Österreich – allerdings aus einem anderen Grund: "Die europäischen Wälder werden weiterhin in erster Linie als Holzlieferanten gesehen, während Natur- und Artenschutz völlig vernachlässigt werden."

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) pochte beim EU-Gipfel in Brüssel unterdessen auf nationale Kompetenzen und stellte sich "gegen europaweite Gesetze, die die Forstpolitik regeln". Die EU-Kommission verweist auf ihre Zuständigkeit in den Bereichen Umwelt und Landwirtschaft.

Laut Köstinger sei die nachhaltige Nutzung des Waldes in Österreich schon seit Jahrzehnten der gängige Standard. Ganz ohne Bewirtschaftung gehe es nicht: "Wir wollen in Österreich durch die Nutzung des Holzes fossile Rohstoffe zurückdrängen und nachwachsenden Rohstoffen den Vorzug geben", erklärte die Ministerin.

In Österreich nimmt der Waldbestand jedes Jahr leicht zu. Auch die Weltgemeinschaft wollte eigentlich schon weiter sein. 2010 hatten 400 Unternehmen aus 70 Ländern im Rahmen des Consumer Goods Forum (CFG) eine gemeinsame Resolution unterzeichnet. Ziel war es, im Jahr 2020 beim Waldbestand die Netto-Null zu erreichen – also nicht mehr Wald abzuholzen, als neu entsteht. Wie die Studie von WWF und BCG zeigt, ist die aktuelle Praxis davon allerdings weit entfernt. (Jakob Pflügl, 22.7.2021)