Nervosität vor der Aufnahmeprüfung zum Studium in Wien.

Foto: imago images/SEPA.Media

Jedes Jahr bemühen sich tausende junge Menschen, für ein Medizinstudium aufgenommen zu werden. Sie investieren ordentlich Geld und viele Monate, um sich in Vorbereitungskursen für den Tag X der Aufnahmeprüfung fit zu machen. Heuer absolvierten rund 13.000 potenzielle Ärztinnen und Ärzte die schweren Auslesetests.

Die Attraktivität des Medizinerberufs ist also nach wie vor beachtlich. Auf der anderen Seite stehen die täglichen Meldungen über Ärzteengpässe, Medizinermangel auf dem Land und fehlendes Spitzenpersonal in den Spitälern. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Der naheliegende Schluss, einfach mehr Bewerber fürs Medizinstudium zuzulassen, wäre sicher ein Zugang. Aber zuvor muss noch eine Frage geklärt sein: Werden mit den aktuellen Aufnahmetests wirklich die besten künftigen Ärztinnen und Ärzte ausgewählt?

Wohl kaum. Es sind jene, die gut im Strebern sind, die schnell viel Stoff reinpauken können, es sind die Schnellen, die Toughen, die Optimierten, die diese Tests bestehen. Jene, die vielleicht als Mediziner bestens geeignet wären, die aber diese Skills der raschen Lösungskompetenz nicht mitbringen, haben weniger Chancen. Für Grübler, für Nachdenker sind diese Tests ungeeignet. Auch die soziale Kompetenz, eine zentrale Voraussetzung für Ärzte, wird nicht ausreichend geprüft. Natürlich ist das mit Tests schwer messbar, da muss man immer mit sozial erwünschten Antworten rechnen. Aber es muss ein Modus gefunden werden, um die so wichtige soziale Komponente für den medizinischen Beruf zu begutachten.

Ist die Hürde der Aufnahmeprüfung geschafft, das Studium absolviert, geht’s an die Ausbildung in den Spitälern – und hier liegt eine der Hauptwurzeln des Ärztemangels, hier hapert’s. Denn die Spitäler bilden in der Regel jenes medizinische Fachpersonal aus, das sie brauchen – und nicht für die übergeordnete medizinische Versorgung. Das führt speziell in jenen Spitälern, denen die Ressourcen zur Ausbildung fehlen, zu einem eklatanten Fachärztemangel. Aber nicht nur dort. Auf vielen Ebenen, auch in den ländlichen Gebieten, mangelt es an allen Ecken und Enden: Anästhesisten, Chirurgen, Frauenärzte, Kinderärzte, Radiologen bis zu Gynäkologen –alles wird gesucht. Es sind keine Fachärzte am Markt. Die Bezeichnung "Markt" stimmt insofern, hier hat regelrecht ein Headhunting eingesetzt. Medizinerinnen und Mediziner werden wie Topmanager gehandelt. Eine Klinik wirbt die Spitzenkräfte von der anderen ab.

Solange nicht von staatlicher Seite in diese sekundäre Spezialausbildung in den Spitälern ordnend im Sinne eines allgemeinen Versorgungsauftrags eingegriffen wird, bleibt das Problem des Fachärztemangels – von Allgemeinmedizinern gar nicht erst zu reden – akut. Und es muss sich rasch etwas ändern, denn die demografische Entwicklung wirft düstere Zeichen an die Wand. Rund die Hälfte der niedergelassenen Ärzte erreicht binnen einer Dekade das Pensionsalter. Die baldige Rückzugswelle wird alle Ebenen erfassen.

Das muss in der Konsequenz – unter anderem – heißen: die Fachärzteausbildung auf eine neue Basis stellen und vor allem mehr Medizinstudierende zulassen. Auch wenn dadurch die Konkurrenz am "Ärztemarkt" steigt – was vielen Medizinern natürlich nicht schmecken wird. Sie müssen dann den Kuchen mit neuen Kolleginnen und Kollegen teilen. (Walter Müller, 21.7.2021)