Harley-Davidson-Fahrer wissen natürlich, wo Milwaukee liegt. Der Geburtsort der kultigen Motorräder im US-Bundesstaat Wisconsin ist nun auch Basketball-Welthauptstadt, nachdem die Milwaukee Bucks mit einem 4:2-Sieg in der Finalserie "best of seven" gegen die Phoenix Suns ihren zweiten Titel seit einer Ewigkeit in der National Basketball Association (NBA) geholt haben.

NBA

Milwaukee, das ist auch ein Märchen. 50 Jahre hat es gedauert, bis eine neue Basketballlegende, und das ist Giannis Antetokounmpo jetzt schon, in die Fußstapfen des großen Kareem Abdul-Jabbar getreten ist. Abdul-Jabbar führte die Bucks zu ihrem ersten Titel 1971, ist sechsfacher NBA-Champion, mit insgesamt 38.387 Punkten bester Werfer in der Ligageschichte und sowieso einer der drei besten Spieler ever. So gut ist der 26-jährige Antetokounmpo natürlich noch nicht. Der Aufstieg des aktuell Besten liest sich aber jetzt schon wie eine Fabel.

In den Straßen Athens

Antetokounmpo wurde als Sohn nigerianischer Eltern in Athen geboren, wuchs dort mit drei Brüdern auf, verkaufte als Kind Hüte und Sonnenbrillen an Touristen. Die Familie war arm, lebte viele Jahre ohne Aufenthaltsgenehmigung in Griechenland. Durch Zufall wurde Giannis von einem griechischen Scout im Athener Stadtviertel Sepolia entdeckt, mit zwölf Jahren fing er erst an, Basketball zu spielen. Als 19-Jähriger wurde Antetokounmpo im NBA-Draft an 15. Stelle gezogen, wuchs in seinem ersten Ligajahr noch einmal 13 Zentimeter. Den ersten Smoothie seines Lebens feierte er in Milwaukee auf Twitter ab.

Der Luxus war befremdlich. "Er hat sich sechs oder sieben Schachteln mit Essen und Trinken vom Buffet mitgenommen, um Geld zu sparen", erzählte ein Teamkollege aus seinem Rookiejahr. Ein anderer erinnert sich, einmal Schuhe nach dem Training weggeschmissen zu haben. Giannis fischte sie aus dem Mülleimer mit den Worten: "Warum machst du das? Die Schuhe sind noch gut."

Sorgen, deren sich Antetokounmpo freilich längst entledigt hat. Ende des Vorjahres unterschrieb er den teuersten Vertrag in der NBA-Geschichte, kassiert 187,5 Millionen Euro für fünf Jahre. Kritisiert wurde der 2,11 Meter große Forward für vergangene Playoff-Niederlagen häufig. Auch in dieser Saison wären die Bucks um ein Haar ausgeschieden, wäre Brooklyn-Nets-Star Kevin Durant im entscheidenden Viertelfinalduell bei einem Wurf nicht mit der großen Zehe auf der Dreierlinie gestanden. Zwei statt drei Punkte bedeuteten Verlängerung und Sieg für Milwaukee.

Treu zum Titel

Nach knapp 100 Spielen in dieser Saison für die Bucks entschieden Zentimeter. Und Loyalität zu einem für NBA-Verhältnisse kleinen Klub. "Ich wollte das hier in dieser Stadt schaffen", sagte Antetokounmpo, der als dritter Nichtamerikaner seit Dirk Nowitzki (2011) und Tony Parker (2007) zum besten Spieler der Finalserie gekürt wurde: "Ich hätte zu einem Superteam gehen, einfach meinen Teil beitragen und einen Titel gewinnen können. Das ist der harte Weg."

Auch für sein Spiel musste sich Antetokounmpo öfter Negativschlagzeilen gefallen lassen. Sein Wurf sei schlecht, sein Moves ohne Finesse. Ein Blick auf seine Statistiken straft nun die Kritiker lügen. Er ist der erste Spieler, der 50 Punkte, zehn Rebounds und fünf Blocks in einem Finalspiel abgeliefert hat. 35,2 Punkte, 13,2 Rebounds und fünf Assists bei knapp 62 Prozent Wurfquote, das sind Durchschnittswerte in einer Finalserie, die vor ihm noch keiner erreicht hat. Und noch ein Zahlenspiel aus dem statistikverrückten Amerika: Drei Spiele hintereinander mit 40 Punkten und zehn Rebounds, das ist zuletzt im Jahr 2000 Shaquille O'Neal gelungen. Und Shaq ist bekanntlich "larger than life".

Die Konkurrenz darf sich fürchten. Die Blütezeit des "Greek Freak" hat erst begonnen. (Florian Vetter, 21.7.2021)